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Freie Meinungsäußerung in den Mixed Zones und im Pressezentrum

DOSB-Generaldirektor Michael Vesper nimmt im Interview Stellung zu den jetzt veröffentlichten Richtlinien des IOC zur Meinungsäußerung bei den Olympischen Spielen.

DOSB Redaktion
DOSB Redaktion

07.05.2008

DOSB: Michael Vesper, das Internationale Olympische Komitee hat die NOK über die Richtlinien zur Meinungsäußerung bei Olympischen Spielen informiert. Was beinhalten diese? 

Es werden vor allem zwei Punkte geregelt: Was ist eine „olympische Stätte“? Und wo dürfen die Athleten ihre politischen Meinungen – etwa zur Menschenrechtslage in China – äußern? Die Antwort des IOC: Olympische Stätten sind grundsätzlich alle Orte, für die eine offizielle Akkreditierung erforderlich ist, also die Wettkampfstätten einschließlich der Aufwärmbereiche und Mixed Zones, aber auch das Olympische Dorf und die Medienzentren. Hier gilt die Regel 51.3 der Charta, derzufolge keine Form politischer Demonstration oder Propaganda erlaubt ist. Das IOC interpretiert dies so, dass Zeichen, Banner, Poster und auch Bändchen zu vermeiden sind – wie gesagt: an diesen Orten.  

Offener ist die Regelung zu Meinungsäußerungen. Alle Athleten, die dies wollen, können ihre politische Auffassung frei äußern, ausdrücklich auch in den Mixed Zones und im Rundfunk- und Pressezentrum. Im Deutschen Haus etwa gibt es ohnehin keine Beschränkungen. 

DOSB: Wie wird der DOSB nun mit diesen Richtlinien umgehen? 

Gestern haben wir die Richtlinien beim Treffen der Teilmannschaftsleiter in Frankfurt ausgiebig diskutiert. Nächste Woche spricht der Aktivenbeirat darüber. Natürlich geben die Regeln nicht Antwort auf jede Einzelfrage und jede kreative Idee. Darüber müssen und werden wir in der Mannschaft diskutieren – und zwar am besten hier im Olympia-Netz.  

DOSB: Die Richtlinien beschäftigten sich nicht mit Einzelfällen. Was passiert, wenn durch Fragen beispielsweise von Athleten Unklarheiten aufkommen sollten. 

Aufkommende Unklarheiten werden wir mit Pere Miró, dem zuständigen IOC-Direktor besprechen. Niemandem kann daran gelegen sein, dass individuelle Zivilcourage zum Entzug der Akkreditierung führt. Natürlich stehe auch ich jederzeit für Rückfragen zur Verfügung. Um es noch einmal klar zu sagen: Die gesamte Mannschaftsleitung und auch ich persönlich – wir stehen auf der Seite der Meinungsfreiheit! 

DOSB: Gelten die Richtlinien auch für das Deutsche Haus in Peking, in dem ja unter anderem ARD und ZDF ihre Studios einrichten und die tägliche Pressekonferenz der deutschen Mannschaft stattfinden wird? 

Nein, das Deutsche Haus ist keine olympische Stätte. Allerdings muss ich hier auf unsere Kleiderordnung hinweisen, die wir natürlich alle beachten müssen. Aber gerade hier – auch bei unseren täglichen Pressekonferenzen – bieten sich sehr gute Gelegenheiten, der  eigenen Meinung Ausdruck zu verleihen. 

DOSB: Einige Athleten haben auf der anderen Seite schon ihre Befürchtung geäußert, zu großem Druck ausgesetzt zu sein, wenn Sie sich nicht äußern möchten. Wie wollen Sie diese Athleten unterstützen? 

Zunächst einmal dadurch, dass wir Informationen und Gesprächsmöglichkeiten bieten. Auf unserer gestrigen Tagung haben amnesty international, Human Rights Watch, Günter Nooke, der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung und  Stefan Niemann, langjähriger ARD-Koorespondent in China, ausführlich vorgetragen.  Im Deutschen Haus werde ich in Peking Gesprächskreise mit wirklichen China-Experten anbieten, mit denen die Athleten über Land und Leute und über die Probleme in China sprechen können. Das Recht der freien Meinungsäußerung umfasst auch das Recht, sich nicht zu äußern. Wer schweigt, macht sich keineswegs gemein mit Menschenrechtsverletzungen. Jeder, der reden, aber auch jeder, der dies nicht tun möchte, genießt unseren Schutz und unsere Unterstützung.  

DOSB: Kann den eine Parole wie „Go for Human Rights“ tatsächlich unter ein Demonstrationsverbot fallen? 

Es geht dabei ja nicht um den Inhalt, den unterstützen wir natürlich voll und ganz. Es geht um die Form der Äußerung. Wie in vielen Sportarten, so gilt auch bei Olympischen Spielen das Prinzip, dass der Sport nicht von politischen Auseinandersetzungen überlagert werden soll. Sonst werden wir nicht nur die Menschenrechte in China und Tibet zum Thema haben, sondern alle möglichen Konflikte in der Welt.

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