Blick zurück auf die Pandemie

Christian G.D. Sachs, Leiter des DOSB-Hauptstadtbüros in Berlin, fasst das schwierige Sportjahr 2020 zusammen.

 

Das Sportjahr 2020 stand ganz im Zeichen der Pandemie. Foto: picture-alliance
Das Sportjahr 2020 stand ganz im Zeichen der Pandemie. Foto: picture-alliance

Januar

Am letzten Tag des Jahres 2019 meldete die Volksrepublik China das Auftreten eines neuen Virus an die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Zu Beginn des Jahres war dies in Europa und auch in Deutschland aber eher eine Randnotiz, die inmitten der Informationsflut meist als irrelevant eingestuft wurde. Die internationale Sportwelt und auch der DOSB bereiteten sich stattdessen auf ein Olympiajahr mit Olympischen und Paralympischen Spielen in Tokio vor. Am Rande des DOSB-Neujahrsempfangs äußerte Präsident Alfons Hörmann erstmals Sorgen über mögliche Auswirkungen des Virus.

Februar

Im Februar lief die Sportwelt im Spitzen- und im Breitensport mehr oder weniger noch auf Hochtouren. Die Fußballstadien und Sporthallen waren voll, beim Wintersport waren die Hotspots in den Alpen ausgebucht und das Pandemiegeschehen in China wirkte Tausende von Kilometern weit weg. Am 15. Februar gab es in Frankreich den ersten coronabedingten Todesfall in Europa und die ersten kritischen Stimmen aus der Wissenschaft fanden Gehör. Der DOSB ließ sein Krisenmanagement anlaufen und beschäftigte sich erstmals mit Risikoszenarien rund um die Spiele in Tokio.

März

Im letzten Wintermonat eskalierte dann die Situation in Europa und insbesondere in Italien, Spanien und Frankreich wurden die Gesundheitssysteme über die Grenzen hinaus belastet. Am 5. März berichtete der DOSB erstmals in einer gesonderten Mitglieder-Information und am 11. März stufte die WHO schließlich die Situation als Pandemie ein. Veranstaltungen in Deutschland wurden zunehmend abgesagt sowie verschoben und ab dem 16. März kam es auf Bund/Länderebene erstmals zu massiven Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen (Frühlings-Lockdown). Jeglicher Breiten- und Spitzensport wurde ausgesetzt. In dieser Phase intensivierte der DOSB seinen Dialog mit den Athlet*innen von Team D in Form eines Videochats am 21. März. Zudem setzte er sich für Ausnahmeregelungen beim Zugang zum Training für Kaderathlet*innen ein. Nach längerer Diskussion wurden am 24. März die Olympischen und Paralympischen Spiele Tokio 2020 um ein Jahr verschoben.

April

Der April war geprägt von der Entwicklung und Kommunikation der zehn DOSB Leitplanken, den sportartspezifischen Übergangsregeln der Spitzenverbände sowie dem intensiven Werben um Vertrauen bei der Politik. Am 14. April wurden die DOSB-Leitplanken erstmals kommuniziert und später um die Erweiterungsmodule „Halle“ und „Wettkampf“ ergänzt. Bei der Sonder-Sportministerkonferenz am 20. April erhielt dieser Vorstoß des organisierten Sports mit Leitplanken und über 60 Konzepten der Fachverbände hohe Zustimmung und bei zurückgehenden Zahlen bei den Neu-Infektionen entbrannte ein regelrechtes „Lockerungs-Wettrennen“ zwischen den Bundesländern. Während regional bereits ab dem 20. April wieder Sport im Freien erlaubt war und teilweise einen Ländergrenzen übergreifenden Sporttourismus auslöste, zog die Mehrheit der Bundesländer dann Anfang Mai nach.

Mai

Ab dem 6. Mai wurde bundesweit vereinsbasiertes Sporttreiben wieder erlaubt und u.A. die Fußball-Bundesliga nahm mit „Geisterspielen“ und einem hochanerkannten Hygienekonzept inklusive Corona-Tests ihren Betrieb wieder auf. Bereits zu diesem Zeitpunkt war jedoch sichtbar, dass sich die qualitativen und quantitativen Schäden für Sportdeutschland ohne eine grundsätzliche Lösung des Pandemieproblems sukzessive steigern würden. Daher startete der DOSB am 14. Mai eine erste Deloitte-Abfrage bei seinen Mitgliedsorganisationen. Erste Ergebnisse präsentierte Präsident Alfons Hörmann am 27. Mai im Sportausschuss des Deutschen Bundestags. Auf der Basis von hochgerechneten Vereins-Umfragen einzelner Landessportbünde prognostizierte er zudem eine drohende Schadenshöhe im Zuge der Pandemie in Höhe von über einer Milliarde. In einem Spitzengespräch mit Bundesinnenminister Horst Seehofer, ebenfalls am 27. Mai, gab dieser eine relativ positive Prognose für das zweite Halbjahr 2020 für Sport mit Zuschauern ab. Als Service für die Mitgliedsorganisationen erstellte der DOSB eine Liste über die jeweiligen Landesverordnungen, die seitdem aktualisiert wird. Noch im Mai kam es zu ersten Demonstrationen gegen die Corona-Einschränkungen.

Juni

Der Bund reagierte auf die massiven wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise durch zahlreiche Hilfsprogramme. So wurde Anfang Juni ein 130 Milliarden Euro schweres Konjunkturprogramm zusammengestellt, um die betroffenen Branchen zu stützen und Massenarbeitslosigkeit zu verhindern. Mit der am 16. Juni online gestellten Corona Warn App des Bundes sollte der Bevölkerung zusätzliche Sicherheit gegeben werden und die nationalen Grenzen wurden geöffnet. Derweil flammte das Infektionsgeschehen an so genannten Hotsports, wie etwa in fleischverarbeitenden Betrieben, immer wieder auf. Im DOSB startete im Juni eine 30 Arbeitstage umfassende 50%-Kurzarbeitsphase.

Juli

Am ersten Tag des Monates gelang im Haushaltsausschuss ein schwer erstrittener Durchbruch. Mit dem Programm „Coronahilfen Profisport“, für 2020 mit 200 Millionen Euro ausgestattet, gelang es erstmals, ein spezifisches Sport-Hilfsprogramm auf Bundesebene zu initiieren. Zahlreiche Landesprogramme waren in der Zwischenzeit in Ergänzung oder in Kombination mit den Bundeshilfen aufgelegt worden. Bis Ende des Jahres gelang es mittels dieses Profisport-Programms, welches auf Grund der komplizierten EU-Beihilferegeln für viele Vereine nicht in Frage kam, für 2020 immerhin rund 70 Millionen Euro an semiprofessionelle und professionelle Vereine bzw. Unternehmen auszuschütten. Spätestens im Hochsommer begann die Diskussion um Reiserückkehrer aus Risikogebieten. Von Wissenschaftler*innen wurde zwar intensiv vor der zweiten Welle gewarnt, doch auf Grund der relativ niedrigen Zahlen und der Fähigkeit der Gesundheitsämter, die Infektionsketten nachzuvollziehen, stellte sich dennoch eine gewisse Sorglosigkeit ein. Stattdessen wurde über die Sinnhaftigkeit von Mund-Nasen-Bedeckungen diskutiert. Angestachelt über Social-Media Kanäle wurden zudem die Notwendigkeit der Maßnahmen und die Pandemiegefahr angezweifelt. Der DOSB startete am 6. Juli eine Initiative in Richtung der Bundesländer, um den sich stärker herausbildenden „Flickenteppich“ zumindest für den ligenbasierten Wettkampfsport auf überregionalem Niveau zu vereinheitlichen. Am 24. Juli beschloss das DOSB-Präsidium nach enger Beratung mit Spitzenverbänden zudem durch den Dienstleister APA ein Hygiene-Rahmenkonzept für Sportdeutschland erarbeiten zu lassen.

August

Mittels Testzentren an Autobahnen und Flughäfen wurden die Reiserückkehrer getestet und ggfs. mit Quarantäneauflagen belegt. Derweil kamen am 30. August rund 38.000 Demonstrant*innen in Berlin zusammen, um gegen die Einschränkungen zu demonstrieren. Dabei kam es zur Erstürmung der Reichstagstreppe und es zeigten sich deutliche rechtsradikale Elemente sowie eine Nähe der Querdenker-Bewegung zu Verschwörungstheoretikern sowie so genannten „Reichsbürgern“. Erfolge erzielten DOSB und dsj bei Anpassungen der „Corona-Überbrückungshilfen für kleine und mittlere Betriebe“ und Ende des Monats startete die nächste Befragungswelle bei den Mitgliedsorganisationen durch Deloitte.

September

Anfang September gelang es dann, einen weiteren Maßgabebeschluss unter dem Titel „Coronahilfen Profisport“ im Haushaltsausschuss zu erreichen, der auch die Vereine/Unternehmen der Nicht-olympischen-Sportarten antragsberechtigt stellte. Am 15. September rollte in der Fußball-Bundesliga neben anderen Spielsportarten wie Handball und Basketball wieder der Ball, mit nach dem Inzidenzwert der Region gestaffelten und reduzierten Zuschauerzahlen. Dennoch entschieden wir uns Ende September dafür, die für München geplante DOSB-Mitgliederversammlung in digitaler Form durchzuführen. Dies geschah vor dem volatilen Infektionsgeschehen, dass sich auch dadurch dokumentierte, dass am 29. September weltweit die Grenze von 1 Millionen coronabedingten Todesfällen überschritten wurde.

Oktober

Auf Grund steigender Fallzahlen beschlossen Bund und Länder am 14. Oktober dann gemeinsame Eindämmungsregeln. Ab dem 28. Oktober sollte ein Teil-Lockdown das exponentielle Wachstum bei den Neu-Infektionen stoppen. Dadurch wurde auch wieder der vereinsbasierte Sportbetrieb, mit wenigen Ausnahmen, heruntergefahren. Die Argumente des organisierten Sports, der mit guten Hygienekonzepten und hoher Disziplin einen großen Beitrag zur relativ guten Lage in Deutschland beigetragen hat, werden von der Sportministerkonferenz Anfang November gehört, aber nicht mehr konsequent nachvollzogen. Da halfen auch die im Oktober veröffentlichten DOSB-Hygienestandards zur verantwortungsbewussten Durchführung von Training und Wettkampf nicht mehr. Die Politik kapitulierte auf Grund der Tatsache, dass sich die Infektionsketten nicht mehr nachverfolgen lassen und untersagte pauschal Freizeitaktivitäten, wie das Sportreiben im Verein mit wenigen Ausnahmen.

November

Gemeinsam mit den Landessportbünden machte der DOSB am 9. November noch einmal gegenüber den Ministerpräsident*innen klar, dass der organisierte Sport kein Problem in der Pandemie darstelle, sondern Teil der Lösung sein könne. Doch die Fallzahlen stiegen trotz TeilLockdown weiter und am 10. November wurden erstmals im Gesamtverlauf des Pandemiegeschehens in Deutschland 3000-Coronapatient*innen intensivmedizinisch versorgt. In der Diskussion über das „Durchregieren“ der Exekutive ohne ausreichende parlamentarische Kontrolle beschloss der Bundestag am 18. November das neue Infektionsschutzgesetz und entzog damit Gerichtsurteilen, die gegen die Landesverordnungen gefällt worden waren, die Grundlage. Hoffnung verbreiteten derweil die erfolgreich verlaufenden Studien auf dem Weg zur Zulassung von Impfstoffen. Positive Impulse gab es zudem aus der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses im Deutschen Bundestag: Die „Coronahilfen Profisport“ wurden für 2021 mit einem Gesamtvolumen von über 300 Millionen Euro fortgeschrieben. Zudem wurde die Spitzensportförderung des Bundes über den Haushalt des Bundeministeriums des Innern für Bau und Heimat auf rund 291 Millionen Euro erhöht. Wertvolle Impulse wurden auch durch die deutliche Aufstockung der Sportstättenprogramme „Sanierung kommunaler Einrichtungen Sport, Jugend und Kultur“ sowie den „Investitionspakt Sportstätten“ gesetzt.

Dezember

Erstmals in seiner Geschichte führte der DOSB seine Mitgliederversammlung am 5. Dezember digital durch. Im Mittelpunkt standen die Pandemie und die Maßnahmen, um im organisierten Sport die Krise bestmöglich zu überstehen. DOSB-Präsident Alfons Hörmann appellierte an die Vertreter*innen der Mitgliedsorganisationen sich weiter voller Energie den Herausforderungen zu stellen, um die einzigartige Vielfalt des Sports in Deutschland zu erhalten. Am 13. Dezember reagierten die Regierungschef*innen der Länder und die Bundeskanzlerin auf die steigenden Infektionszahlen und verordneten ab dem 16. Dezember einen harten Lockdown bis mindestens 10. Januar 2021. Ab dem kommenden Jahr sollen dann auch in Deutschland Impfstoffe zugelassen sein und ein massives Impfprogramm ins Werk gesetzt werden. Namhafte Sportstätten sind bereits als Impfzentren vorgesehen. Neue Herausforderungen für Sportdeutschland sind also garantiert.

(Quelle: DOSB/Christian G.D. Sachs)


  • Das Sportjahr 2020 stand ganz im Zeichen der Pandemie. Foto: picture-alliance
    Sportschuhe stehen im Gras, darauf liegt ein Mund-Nasen-Schutz Foto: picture-alliance