Beijing 2022 - Augen auf und durch!

Das Team D und insbesondere die Athlet*innen muss bei den Spielen in Peking seine Aufgaben in einem hochkomplexen und umstrittenen Gesamtklima bestreiten.

Das National Stadium in Peking - das sogenannte Vogelnest. Hier fanden 2008 bereits Eröffnungs- und Schlussfeier statt. Foto: picture-alliance
Das National Stadium in Peking - das sogenannte Vogelnest. Hier fanden 2008 bereits Eröffnungs- und Schlussfeier statt. Foto: picture-alliance

Wenn man wenige Tage vor Beginn der Olympischen Winterspiele Beijing 2022 die von großen Corona-Sorgen, politischen Boykotten, Datenschutz-Risiken und vielen weiteren Meldungen aufgepeitschte vorolympische Erregungswelle einmal kurz ausblendet, dann hinterlässt ein Blick zurück durch die nationale Brille schon Wehmut. Vor elf Jahren in Durban stand Deutschland kurz davor - mit München - Gastgeber Olympischer Spiele sein zu können. Doch das IOC belohnte damals den dritten Bewerbungsanlauf von Pyeongchang und die jahrzehntelange Treue eines südkoreanischen Wirtschaftspartners.

Vier Jahre später scheiterte ein erneuter Anlauf für München 2022 - übrigens mit einem noch nachhaltigeren Konzept - an der mangelnden Unterstützung der eigenen Bevölkerung. Olympische Träume scheiterten auch in weiteren europäischen Wintersportregionen am Widerstand der eigenen Bürger*innen und so landeten die Spiele an einem zuvor weißen Fleck der Wintersportlandkarte - in Peking.

Das IOC-Dilemma einer Entscheidung zwischen Peking und dem Konkurrenten Almaty in Kasachstan, ist für die nähere olympische Zukunft dank der von Thomas Bach daraufhin initiierten Reformen Agenda 2020 und Agenda 2020+5 aufgelöst. Mit Paris 2024, Mailand 2026, Los Angeles 2028 und Brisbane 2032 steuern die Olympischen und Paralympischen Spiele auf eine positive und aus heutiger Sicht mit weniger störenden Nebengeräuschen belastete Dekade zu. Kein Wunder, dass schon eifrig vorausgeschaut und an olympischen Plänen für die Zukunft geschmiedet wird. Im Sport, der Wirtschaft und in der Politik.

Im Hier und Jetzt gilt es aber der Gegenwart und den Realitäten ins Auge zu schauen: Die Volksrepublik China ist nicht nur seit Jahren der Antriebsmotor der Weltwirtschaft und mit seiner Bevölkerung von 1,4 Mrd. Menschen ein wichtiger Exportmarkt für Industrieprodukte, z.B. Made in Germany, sondern gleichzeitig ein autoritärer, bis zur Arroganz selbstbewusster Staat in der Hand der Kommunistischen Partei und ihres obersten Funktionärs Xi Xinping. Die Zeiten in denen China sein Verhalten in Teilen auf die Anerkennung und einen Zuwachs an Respekt in der westlichen Welt ausgerichtet hat, sind längst vorbei.

Stattdessen geht es darum, die eigene Bevölkerung und die wachsende Mittelschicht im Land „bei Laune“ zu halten. Die radikale Anti-Covid-Politik, das strenge Vorgehen gegen die Profiteure des Wirtschaftsbooms, die Forcierung des Nationalismus, die Unterdrückung von Minderheiten und die geopolitischen Ambitionen sind Puzzleteile der Erzählung von der Überlegenheit des eigenen Systems. Die Olympischen und Paralympischen Winterspiele nun trotz Pandemie durchzuführen und mit einem extremen Olympia-Blasen-System die eigene Bevölkerung vor der Omikron-Variante zu schützen, soll ebenso einige Zeilen zur Erfolgsgeschichte beitragen.

So ist es die Aufgabe der Mitglieder von Team D und insbesondere der Athlet*innen ihren Karrierehöhepunkt in einem hochkomplexen und umstrittenen Gesamtklima zu bestreiten. Echte Vorfreude kann da kaum aufkommen und doch dürfte sich im Wettstreit der besten Wintersportler*innen der Welt - wie bei den ebenfalls coronaüberschatteten Sommerspielen in Tokio - am Ende die ganz besondere Atmosphäre von Olympischen und Paralympischen Spielen sowie die Faszination über die Exzellenz der Leistungen wieder einstellen. Die Freude über Erfolge, allein oder im Team errungen, kann dann hoffentlich auch relativ unbeschwert genossen werden.

In unseren regelmäßigen Team-D-Calls der letzten Wochen gab es eine Vielfalt an Fragen, Meinungen und Sorgen im Vorfeld dieser ganz besonderen Spiele. Von den Anti-Covid-Maßnahmen, über die Menschenrechtsfragen, die Risiken von der chinesischen Propaganda eingespannt zu werden bis zur Datensicherheit wurde vieles intensiv diskutiert. Dieser Austausch, in dessen Rahmen zuletzt auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in den Dialog mit Athlet*innen ging, wurde von Vielen als wertvoll und hilfreich, von anderen aber auch als Meinungsbeeinflussung bewertet. Unterm Strich bleibt die zentrale Erkenntnis, dass der freie Zugang zu Informationen, die Meinungsvielfalt und die Freiheit sich zu äußern wertvolle und schützenswerte Güter sind. Daher werden wir unsere Teammitglieder vor Ort in China auch vollumfänglich unterstützen, so oder so. Wir ziehen das jetzt durch, behalten dabei die Augen aber immer offen!

(Autor: Christian Sachs, Leiter des DOSB-Hauptstadtbüros)

In jeder Ausgabe der DOSB-Presse, die wöchentlich erscheint, gibt es einen Kommentar zu aktuellen Themen des Sports, den wir hier veröffentlichen. Diese mit Namen gezeichneten Beiträge geben nicht unbedingt die offizielle DOSB-Meinung wieder.


  • Das National Stadium in Peking - das sogenannte Vogelnest. Hier fanden 2008 bereits Eröffnungs- und Schlussfeier statt. Foto: picture-alliance
    Das National Stadium in Peking mit Olympischen Ringen Foto: picture-alliance