Das kleinste deutsche Olympiateam seit der Vereinigung steht vor einer riesigen sportlichen Herausforderung: Wenn in 100 Tagen in London die 30. Sommerspiele eröffnet werden (27. Juli bis 12. August), lautet die Zielsetzung des deutschen Sportes: Platz fünf von Peking 2008 im Medaillenspiegel verteidigen. Doch Deutschlands Ober-Olympier Thomas Bach warnt, dass es "in London einen Konkurrenzkampf geben wird, der mit nichts vorher vergleichbar ist."
Der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) sagt nach dem Scheitern von bisher acht von zwölf deutschen Mannschaften (bisher sind nur die Hockey-Teams qualifiziert) auf dem Weg nach London: "Wir wollen den Platz in der Weltspitze erfolgreich verteidigen. Doch unsere Konkurrenten greifen mit hohen Investitionen vor allen Dingen bei unseren Stärken an: im Bereich der Trainer, der Sportwissenschaft, der Sportgeräte und der Sporttechnik. Nie war bei anderen Nationen so viel Geld und Know-how im Spiel."
Das kleinste deutsche Team seit der Vereinigung 1990
Im Kampf um die Positionen in den "Top 10" hinter den erneut favorisierten Chinesen (2008: 51 Goldmedaillen), den USA (36) und Russland (23) war es wahrscheinlich noch nie so eng wie diesmal. "Ein oder zwei Goldmedaillen mehr oder weniger können Platz vier oder neun im Medaillenspiegel bedeuten", sagt Bach nach den letzten Weltmeisterschaften in den olympischen Sportarten.
Hinter dem starken Trio ist der seit Jahren gezielt auf London fokussierte Gastgeber Großbritannien (zuletzt 19 Goldmedaillen) vom deutschen Team (16 in Peking) wohl erneut nicht zu bewingen. Bach: "Und dahinter haben Australien, Frankreich, Kanada, Japan und Südkorea ähnliche Ambitionen wie wir."
Das kleinste deutsche Olympiateam seit der Vereinigung 1990 (bisher 428 Athleten 2000 in Sydney) ist Folge des Scheiterns von Männern und Frauen im Fußball, Handball, Basketball und Wasserball. Selbst wenn es die Volleyballerinnen und Volleyballer im Mai oder Juni noch schaffen: So wenige Teams hatte Deutschland noch nie am Start. 1992 und 2000 waren fünf dabei, 2004 sechs, 1996 und 2008 jeweils acht. Diesmal könnten es vier, drei oder sogar nur zwei werden.
Zwar gewannen aus dem Kreis der diesmal gescheiterten Teams 2008 nur die Fußballerinnen eine Medaille (Bronze), doch die schwache Präsenz der Spielsportarten ist ein Handicap für das gesamte Olympiateam. An der Gesamtzahl der Athleten orientiert sich nach kompliziertem Personalschlüssel auch die Schar der Betreuer. Somit wird es in einigen Sportarten keinen Co-Trainer oder Videoanalysten geben, weil weitere Akkreditierungen nicht möglich sind.
Bach setzt auf Traditionssportarten
"Dennoch werden wir in London eine starke deutsche Olympiamannschaft mit vielen Medaillenchancen erleben", sagt Thomas Bach. Er setzt auf die Traditionssportarten, die auch zulezt in Peking die meisten Medaillen gewannen: Kanuten acht (inklusive Slalom), Reiter fünf, Schützen vier, Schwimmer und Radsportler je drei. Er hofft, dass Ruderer und Fechter diesmal mehr als zweimal Edelmetall holen und die Leichtathleten nach dem Peking-Fiasko (1) ähnlich wie bei der WM 2011 in Daegu/Südkorea (7) wieder Fuß fassen.
Mit Ausnahme von Hinrich Romeike, der in Peking im Vielseitigkeitsreiten sensationell Gold in Einzel und Mannschaft gewann, sind alle deutschen Einzel-Olympiasieger von Peking wie Britta Heidemann und Benjamin Kleibrink im Fechten oder Matthias Steiner im Gewichtheben entweder erneut qualifiziert oder haben zumindest die Chance dazu. Selbst Triathlet Jan Frodeno hofft nach einer Operation auf den London-Start.
Die Nominierung des deutschen Teams erfolgt wieder in drei Runden in Frankfurt/Main: 31. Mai, 25 Juni und 4. Juli.
(Quelle: SID)
