Aktuelle Einschätzung in Bezug auf die Coronavirus-Epidemie

Prof. Bernd Wolfarth, Mannschaftsarzt des DOSB, gibt hier in regelmäßigen Aktualisierungen eine Einschätzung in Bezug auf die Coronavirus Epidemie. (Stand: 20.3.2020)

Bernd Wolfarth, leitender Mannschaftsarzt des DOSB bei Olympischen Spielen gibt erneut ein Update zur Coronavirus Epidemie. Foto: picture-alliance
Bernd Wolfarth, leitender Mannschaftsarzt des DOSB bei Olympischen Spielen gibt erneut ein Update zur Coronavirus Epidemie. Foto: picture-alliance

 

Situationsbeschreibung

Aktuell hat die Coronavirusinfektion Deutschland fest im Griff und die Zahl der infizierten Menschen steigt kontinuierlich an. Aktuell werden schon mehr als 12.000 positiv getestete Personen gezählt und die Dunkelziffer ist sicherlich deutlich höher. Positiv zu vermerken ist eine bisher noch sehr geringe Zahl an Todesfällen in Zusammenhang mit COVID-19 Infektionen. Während sich in Ländern wie China und Südkorea die Ausbreitung nach offiziellen Zahlen etwas verlangsamt, ist die Dynamik der Ausbreitung in Europa weiter massiv gestiegen. Dementsprechend wird Europa derzeit auch als Epizentrum der aktuellen Ausbreitung gesehen, was nochmal massive Folgen für die Reisemöglichkeiten miteinschließt, zumal schon einige europäische Staaten unterschiedlich scharfe Ausgehverbote erlassen haben.

Aktuell gibt es in folgenden Ländern Infektionszahlen > 1.000 Fälle (Stand 19.03.2020, WHO):

 

  • China mit insgesamt ca. 81.174 Fällen
  • Italien mit insgesamt ca. 35.713 Fälle
  • Iran mit insgesamt ca. 17.361 Fällen
  • Spanien mit insgesamt ca. 13.716 Fällen
  • Deutschland mit insgesamt ca. 12.300 Fällen
  • Südkorea mit insgesamt ca. 8.413 Fällen
  • Frankreich mit insgesamt ca. 7.652 Fällen
  • USA mit insgesamt ca. 7.087 Fällen
  • Schweiz mit insgesamt ca. 3.003 Fällen
  • Großbritannien mit insgesamt ca. 2.626 Fällen

 

Besonders besorgniserregend ist dabei die Situation in Italien und Spanien mit sehr vielen Todesfällen und einem vollständig überlasteten Gesundheitssystem. Zusätzlich nehmen aber auch die Zahlen der Infektionen in Deutschland sehr schnell zu. Aktuell sind im Vergleich zur Vorwoche mehr als 10.000 neue Fälle hinzugekommen mit Schwerpunkten immer noch in Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg, in diesen drei Bundesländern gibt es auch schon mehrere Todesfälle. Unabhängig davon sind aber zwischenzeitlich in allen Bundesländern positive Fälle gemeldet.

Diese Situationen ändern sich insgesamt sehr schnell. Zwischenzeitlich wurden auch in Deutschland massive Einschränkungen des öffentlichen Lebens ausgerufen. Sämtliche Veranstaltungen mit mehr als 50 Teilnehmern gelten mittlerweile als obsolet oder sind verboten. Bars, Kneipen und Clubs sind geschlossen und weite Bereiche des Handels zwischenzeitlich auch auf unbestimmte Zeit außer Kraft gesetzt. Sportveranstaltungen finden keine mehr statt.

In zahlreichen Bundesländern sind auch die öffentlichen Sportanlagen gesperrt. Für den Hochleistungssport gibt es auf Länderebene vereinzelte Ausnahmen, die allerdings immer mit Auflagen versehen sind. Wie sich die Vorgaben der Gesundheitsämter insgesamt und im regionalen Setup zu den Trainingsmaßnahmen in Vereinen in den kommenden Tagen weiter entwickeln werden, ist schwer vorherzusagen. Unabhängig davon ist den Vorgaben der Gesundheitsbehörden aber uneingeschränkt Folge zu leisten!

 

Empfehlungen

 

Im Gegensatz zu den Vorbewertungen raten wir zwischenzeitlich von allen, nicht dringlich notwendigen Reisen auch innerhalb Deutschlands ab! Die klare Empfehlung aktuell ist, die sozialen Kontakte auf ein mögliches Minimum zu beschränken, das sollte auch im Bereich des Leistungssports die Prämisse sein. Wo es möglich ist, sollte möglichst alleine oder in kleinstmöglichen Gruppen trainiert werden. Wenn in Gruppen trainiert werden muss, wäre es sinnvoll, immer mit den gleichen Personen zu trainieren. Die Reisewarnung gilt wegen der individuellen gesundheitlichen Gefahren, der potenziellen Verbreitung des Virus, darüber hinaus aber auch wegen der zu erwartenden weiteren Einschränkungen der persönlichen Bewegungsfreiheit, welche mit unklaren Rückreiseoptionen bzw. auch auswärtigen Quarantänerisiken verbunden ist.

Ein großes Problem stellen aktuell rückkehrende Athlet*innen aus Risikogebieten dar. Hierzu hat das RKI eine (Stand 12.03.2020) aktualisierte Information für die Maßnahmen im Verdachtsfall veröffentlicht, welche wir wieder dieser Infomail anfügen (s. Anlage).

Aktuell sollte prinzipiell nur getestet werden, wenn Kontakt mit nachweislich Erkrankten plus Symptome (allg. Infektzeichen, insbesondere akute respiratorische Symptomatik) gegeben sind. Eine zweite zu berücksichtigende Konstellation sind Rückkehrende aus Risikogebieten, welche Symptome (allg. Infektzeichen, insbesondere akute respiratorische Symptomatik) aufweisen. Welche Regionen als Risikogebiet zu zählen sind kann tagesaktuell  auf der RKI-Homepage nachgelesen werden: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikogebiete.html   

Die Anzahl der Risikogebiete steigt stetig, bitte beachten Sie folgendes: Wenn das Robert-Koch-Institut ein Gebiet als Risikogebiet ausweist, sind auch Reiserückkehrer betroffen, die bereits in den Tagen zuvor aus diesem Gebiet zurückgekommen sind. Wenn beispielsweise heute eine Risikoregion neu hinzukommt, gelten auch Reisende, die bereits seit 14 Tage vorher wieder in Deutschland sind, als Risikopersonen.

 

  • Für Organisationen, die ihre eigenen Athlet*innen aus einem der Risikogebiete zurückerwarten, empfehlen wir eine häusliche Quarantäne für 14 Tage. Dies erscheint erforderlich, weil auch noch nicht symptomatische Patienten die Erreger hoch effektiv übertragen können. Die Übertragungsrate bei dieser Erkrankung ist sehr hoch! Wenn solche Athlet*innen oder auch Athlet*innen, die aus angrenzenden Regionen kommen, auch nur unspezifisch (leichte Infektzeichen etc.) symptomatisch werden, ist eine umgehende Vorstellung bei einem Arzt mit infektiologischer Erfahrung unter Hinweis auf die Reiseanamnese angezeigt. Dieser kann dann durch gezieltes Nachfragen eine Eingrenzung der Risikokonstellation vornehmen. Eine telefonische Kontaktaufnahme mit dem Arzt ist immer erforderlich, damit Schutzmaßahmen vor Betreten der Praxis / Klinik ergriffen werden können.
    • Verschiedene Einrichtungen bieten zwar Tests auf den Erreger an, aber ein negativer Test ist kein Ausschluss einer Infektion. Dies liegt zum einen daran, dass nicht zu jedem Zeitpunkt nach Infektion der Erreger nachweisbar ist und zum anderen, dass Untersuchungsmaterial, welches bei Gesunden abgenommen werden kann (Nasen- / Rachenabstriche), manchmal auch falsch negative Befunde liefert. Zuverlässigere Materialien können aber nur bei symptomatisch Erkrankten gewonnen werden. Daher verkürzt auch ein negativer Test die Quarantänezeit nicht!

Bis wann sich die Situation ändern wird, ist im Augenblick unklar. Auf Deutschland bezogen scheint sich die Situation weiterhin rapide zu verschärfen, so dass erhöhte Sensibilität geboten ist!

Wir werden weiterhin täglich die Situation analysieren und stehen diesbezüglich auch in engem Kontakt mit dem Robert-Koch-Institut. Für weitere tagesaktuelle Informationen ist die umfängliche Website des RKI empfehlenswert: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/nCoV.html

 

Insgesamt gelten aktuell mehr denn je die Vorgaben zur sozialen Distanz und Hygiene, die von jedem von uns berücksichtigt werden sollten! Dementsprechend gilt es, derzeit so gut wie möglich die Öffentlichkeit zu meiden und den Aufenthalt außerhalb des jeweils aktuellen Wohnortes möglichst zu unterlassen. Wir alle müssen uns unserer sozialen Verantwortung bewusst sein und mithelfen, die weitere Ausbreitung des Virus einzudämmen. 

(Quelle: DOSB)


  • Bernd Wolfarth, leitender Mannschaftsarzt des DOSB bei Olympischen Spielen gibt erneut ein Update zur Coronavirus Epidemie. Foto: picture-alliance
    Bernd Wolfarth, leitender Mannschaftsarzt des DOSB bei Olympischen Spielen gibt erneut ein Update zur Coronavirus Epidemie. Foto: picture-alliance