Athleten beziehen Position zur Boykottdiskussion der Spiele in Peking

Am Mittwoch tagte der Sportausschuss des Deutschen Bundestages in Berlin. Thema waren auch die Olympischen Spiele in Peking. Für den Beirat der Aktiven im DOSB gab der Vorsitzende Christian Breuer folgende Stellungnahme ab.

 

Aktivensprecher Christian Breuer
Aktivensprecher Christian Breuer

Die Stellungnahme des Vorsitzenden des Beirats der Aktiven im Wortlaut:

Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte Damen und Herren,

zunächst möchte ich mich entschuldigen, dass ich Ihrer Einladung in den Sportausschuss aus beruflichen Gründen in der Kürze der Zeit nicht persönlich folgen konnte; ich nutze daher die Möglichkeit auf schriftlichem Weg die Position der Athleten zur Boykottdiskussion und zur Meinungsäußerung bei den Olympischen Spielen darzustellen.

Verehrter Herr Vorsitzender, verehrte Damen und Herren,

derzeit überschlagen sich die Ereignisse rund um die Vorbereitungen der Olympischen Spiele in Peking. Mit Bedacht verfolgen wir, der Beirat, sowie die Athleten die Vorkommnisse in Tibet, die Geschehnisse während des Fackellaufes sowie die Komplexität der öffentlichen Diskussion um die Menschenrechte in China.

Die Generalversammlung der Nationalen Olympischen Komitees, die aktuell in Peking tagt, hat die Teilnahme an den XXIX. Olympischen Spiele einstimmig zugesagt. Dies geht mit der‚ Entschließung für die Teilnahme an den Olympischen Spielen’ des Deutschen Olympischen Sportbundes vom 24.03.2008 einher.

Die Athleten begrüßen die Entscheidung seitens der ANOC als auch von Seiten des DOSB und sehen sich auch durch die klaren Äußerungen der Bundeskanzlerin und des für den Sport zuständigen Bundesinnenministers in unserem Bestreben für die Teilnahme der deutschen Athletinnen und Athleten an den Olympischen Spielen bestärkt. Für die Athleten bedeutet dies Planungssicherheit, nachdem in den vergangenen Wochen und auch aktuell die Diskussionen in den Medien in der Athletenschaft für Verunsicherung gesorgt hatten. Diese Sicherheit benötigen unsere Athleten, denn ihnen ist neben ihrer Sorge um die Entwicklungen in Tibet an einer konzentrierten Vorbereitung und optimierten Leistungsbereitstellung gelegen, nicht jedoch an einer Verunsicherung durch eine öffentlich geführte Debatte ohne leistungssportlichen Fachverstand.

Für die Athleten ist der Beirat der Aktiven im DOSB das gewählte Sprechergremium. Wir, als legitimierte Athletenvertretung, sehen uns in einer Fürsorgepflicht gegenüber allen Sportlerinnen und Sportlern. Darum haben wir uns, falls möglich, vor unsere Athleten gestellt und in den Medien sowie der Öffentlichkeit den aus Sicht der Sportler klaren Wunsch zur Teilnahme bekräftigt, damit der einzelne Sportler nicht noch stärker in seinen Vorbereitungsmaßnahmen auf die Olympischen Spiele gestört wird. Genau dabei sollte man unter dem Aspekt der Fürsorge auch nicht den psychologischen Effekt der öffentlichen Debatte außer Acht lassen. In unseren Augen ist dies leider durch einzelne Beteiligte geschehen.

Bezüglich der aktuellen Entwicklung in Tibet und die Diskussion um die Menschenrechte in China, sieht der Beirat der Aktiven den Wunsch vieler Athletinnen und Athleten, sich zum Thema bei den Spielen politisch äußern zu können. Ich möchte an dieser Stelle verdeutlichen, dass sich die Frage um einen Boykott der Olympischen Spiele in China in unseren Augen schon deshalb nicht stellt, da den Athleten ansonsten die Möglichkeit der Äußerung vor Ort im Rahmen der IOC-Charta genommen würde.

Nur durch Präsenz unserer Mannschaft unter den Augen der Weltöffentlichkeit kann der Athlet beitragen, den Blick auf die Probleme zu lenken.

Ich möchte daher noch mal die Sichtweise des mündigen Athleten bekräftigen wie es der Deutsche Olympische Sportbund bereits getan hat. Unsere Athleten sind nicht meinungslos, sondern haben auf Grund der Globalisierung des Sports und dem ständigen Beisammensein der Sportler aus aller Welt bei Wettkämpfen, Welt- und Europameisterschaften sowie den Olympischen Spielen ein viel tiefer gehendes Verständnis für Menschenrechte, Menschlichkeit und friedvolles Zusammenleben, als manch anderer unserer Gesellschaft. Diese dem Sport innewohnende Botschaft sollte man hierbei nicht außer Acht lassen. Derzeit erwarten wir täglich als Ergebnis aus der ANOC die Richtlinien bzw. Handlungshilfen zur Form der Möglichkeiten einer Meinungsäußerung im Rahmen der IOC-Charta.

Wir als Beirat der Aktiven werden nach Veröffentlichung der Richtlinien alle offenen Fragen mit den an einer politischen Meinungsäußerung während der Olympischen Spiele interessierten Athletinnen und Athleten erörtern; damit soll sicher gestellt werden, dass diejenigen Athletinnen und Athleten, die ihre Meinung frei äußern möchten, dies tun können ohne die Olympische Charta zu verletzen. Wir werden unsere Handlungsmöglichkeiten losgelöst von politischer Einflussnahme treffen um damit die Autarkie und die Authentizität des Sports erneut zu unterstreichen.

Wir möchten dabei die politische Neutralität des sportlichen Wettkampfes an sich in keinem Fall berühren, denn sonst ist die Gefahr gegeben, dass die Olympischen Spiele zur Äußerung zahlreicher politischer Anliegen genutzt werden. Dies würde aus unserer Sicht dem Sinn der Olympischen Spiele und der durch die Athleten gelebten Olympischen Familie widersprechen. Denn wie schon erwähnt ist die Olympische Familie exemplarisch für gelebte Menschenrechte und ein friedliches Miteinander.

Für weitere Fragen stehe ich Ihnen jederzeit zur Verfügung und bedanke mich für die gebotene Möglichkeit zur Stellungnahme.

Christian Breuer
Vorsitzender Beirat der Aktiven im DOSB

Ergänzend brachte Christian Breuer am Mittwoch noch folgenden Passus ein:

Sehr geehrter Herr Vorsitzender,
sehr geehrte Damen und Herren,

mit großer Verwunderung hat der Beirat der Aktiven im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) am heutigen Tage die Äußerung des ehemaligen Präsidenten des Deutschen Sportbundes, Herrn Manfred von Richthofen, vernommen, der den Entschluss des DOSB zur Teilnahme an den Olympischen Spielen in Peking als „verspielte Pokerkarte“ darstellt.

Ich möchte hier betonen, dass die Athleten, die jahrelang auf dieses Ziel hingearbeitet haben, keine Karte in einem politischen Pokerspiel sind und auch nie sein werden.

Dies vom ehemaligen Präsidenten des Deutschen Sportbundes zu vernehmen, bestürzt den Beirat der Aktiven und es ist uns unverständlich, wie Athleten in die politische Gemengelage einbezogen werden.

Der Traum eines jeden Athleten einmal an Olympischen Spielen teil zu nehmen ist kein „Spiel“, und ein Vergleich mit diesem zeugt von mangelndem Respekt vor hochkarätigem Sport sowie vor den Sportlerinnen und Sportlern.

Jeder einzelne Athlet hat sich seine Qualifikation hart erkämpft und mit seiner damit verbundenen Teilnahme sollte man nicht leichtfertig umgehen.

Christian Breuer
Vorsitzender Beirat der Aktiven im DOSB


  • Aktivensprecher Christian Breuer
    Aktivensprecher Christian Breuer