"Beim Sport macht die Nationalität einfach nichts aus" - Interview mit Angelina Grün, Ausnahme-Volleyballerin

Vier Mal hintereinander Volleyballerin des Jahres, Spielführerin der Nationalmannschaft und mit ihrem derzeitigen Club Fopapedretti Bergamo so erfolgreich, wie man nur sein kann: Angelina Grün, von Freunden kurz „Grüni" genannt, ist offenkundig eine Ausnahme-Volleyballerin. Weniger offenkundig: Angelina Grün ist - streng genommen - Aussiedlerin.

Angelina Grün, Deutschlands erfolgreichste Volleyballerin (Foto: Bongarts).
Angelina Grün, Deutschlands erfolgreichste Volleyballerin (Foto: Bongarts).

   Frau Grün, Sie leben seit einigen Jahren in Italien. Sind Sie schon heimisch geworden?  

 

Angelina Grün: Ich fühle mich schon wohl hier. Vier Jahre bin ich jetzt in Italien, spiele meine zweite Saison mit Bergamo. Ich kann mich inzwischen gut verständigen, kann mich frei bewegen. Aber heimisch wäre zuviel gesagt. Der Lebensrhythmus in Deutschland gefällt mir besser. Nicht jeder ist für jeden Tag "Dolce Vita" geboren, wissen Sie.

 

     Aber ursprünglich kommen Sie ja noch ganz woanders her?  

 

Angelina Grün: Sie meinen sicher Tadschikistan. Da wurde ich aber nur geboren, das zählt gar nicht so recht. Ich war ja gerade mal zweieinhalb Jahre alt, als meine ganze Familie 1982 nach Deutschland kam. Also daran kann ich mich nicht wirklich erinnern.

 

     Und wirkt sich ihre Herkunft auf ihr Leben aus?  

 

Angelina Grün: Ich weiß nicht so recht. Aber ich kann wohl schon sagen, dass russisches Blut durch meine Adern fließt. Ich bin, glaube ich in aller Bescheidenheit sagen zu können, recht warmherzig und habe eine sehr starke Bindung an meine Familie. Die Entfernung macht mir da schon manchmal zu schaffen. Ich sehe sie nicht so oft, wie ich möchte. Vor allen Dingen bin ich aber kämpferisch. Da ich kaum gegen große Probleme zu kämpfen hatte, konnte sich das bei mir auf den Sport übertragen.

 

     Haben Sie sich denn durch ihre Herkunft manchmal als Außenseiter empfunden?  

 

Angelina Grün: Eigentlich nicht. Ich sehe kein bißchen exotisch aus, mein Name ist deutsch und ich bin zweisprachig aufgewachsen. Durch Kindergarten und später Sport hatte ich auch keinen einseitigen Freundeskreis. Meine Generation unserer Familie hatte kein Sprach- oder Integrationsproblem. Meine Eltern hatten es schwerer, vor allem mit der Sprache. Aber der Sport hat da geholfen. Ich bin ja in eine Sportlerfamilie hineingeboren worden: Meine Eltern haben beide Sport studiert, mein Vater war im russischen Volleyball-Jugendnationalteam. Sie haben beide in der neuen Heimat sofort weiter aktiv Sport getrieben.

 

    Und das hilft?  

 

Angelina Grün: Ich denke schon. Beim Sport macht die Nationalität einfach nichts aus. Ich bin dafür ein gutes Beispiel. Ich bin ja nach Italien gegangen, ohne italienisch zu sprechen. Gut, ich hatte Glück: Meine erste Trainerin hier war Chinesin, sprach englisch mit uns. Und im Team waren zwei Bulgarinnen, mit denen habe ich russisch gesprochen. Das half in der Anfangszeit. Mittlerweile spreche ich ganz gut italienisch. Sehen Sie, beim Sport geht man doch intensiver miteinander um, als bei einem „normalen" Job. Man ist im Team stärker, unmittelbarer aufeinander angewiesen. Ich glaube, dass die wenigsten Bürokollegen nach getaner Arbeit gemeinsam nackt unter der Dusche stehen. Abgesehen davon: Die Italiener halten nichts von falscher Höflichkeit. Machst Du einen Fehler, dann korrigieren sie Dich.

 

    Werden Sie denn in Italien bleiben?  

 

Angelina Grün: Nein, nicht für immer. Beruflich ist Italien momentan einfach die bessere Wahl. Aber auf die Dauer will ich zurück nach Hause. Auch meine sportliche Zukunft liegt nicht nur in Italien. Mit Bergamo habe ich jetzt alles gewonnen, was man gewinnen kann. Verstehen Sie mich nicht falsch - das kann sich gern wiederholen! Aber ich will mit der Nationalmannschaft weiter nach vorn. Die grobe Richtung lautet: Bei der EM mit auf dem Treppchen stehen. Das ist schwierig, aber erreichbar.


  • Angelina Grün, Deutschlands erfolgreichste Volleyballerin (Foto: Bongarts).
    Angelina Grün, Deutschlands erfolgreichste Volleyballerin (Foto: Bongarts).