Bundestrainer einig: Deutscher Sport braucht neue Perspektive

Deutschland hat im Leistungssport kein Erkenntnis- und Konzept-, sondern ein Umsetzungsproblem. Das sagte DOSB-Präsident Alfons Hörmann am Mittwoch bei der Bundestrainerkonferenz in Leipzig.

Hörmann im Gespräch mit Trainer und Athleten in Sotschi. Foto: DOSB/Stratmann
Hörmann im Gespräch mit Trainer und Athleten in Sotschi. Foto: DOSB/Stratmann

„Vieles wird als Problem erkannt, Lösungen werden gefunden, aber es kommt nicht schnell und klar genug zu deren Umsetzung“, meinte Hörmann zum Abschluss der dreitägigen Tagung von rund 120 Bundestrainern/innen und Leistungssportdirektoren/innen, bei der die Experten unter anderem die Ergebnisse der Olympischen Spiele in Sotschi (Bilanzen unten beigefügt) und die Situation der Trainerinnen und Trainer diskutierten. In vier Arbeitsgruppen (Ausdauer, Kraft/Schnellkraft, Technik/Akrobatik und Olympischer Sommersport) analysierten sie zudem die aktuelle Situation des nationalen und internationalen Leistungssports (Ergebnispräsentation ist beigefügt).

Seine innerste Überzeugung sei, so Hörmann, dass die künftige Wahrnehmung des gesamten deutschen Sports ganz wesentlich davon abhänge, wie viel Leistung in der Spitze erzielt werde. „Die Kernfrage ist: Gelingt es dem deutschen Sport, sich im Sommer und im Winter international auch zukünftig stark zu positionieren“, sagte Hörmann. Bezogen auf das Ergebnis von Sotschi meinte er: „Um die Schwachstellen zu beheben, wird mehr als ein Olympia-Zyklus notwendig sein. Das wird ein Acht- bis Zwölfjahres-Projekt.“ Zugleich mahnte er jedoch: „Die Gesamtbilanz des deutschen Leistungssports macht sich nicht nur an olympischen Medaillen fest. Gerade auch das Abschneiden bei Weltcups, Weltmeisterschaften und in starken deutschen Liga-Serien sind Ausdruck der Leistungsfähigkeit und dienen hervorragend für die Bewertung des leistungssportlichen Geschehens.“ Unter großem Applaus des Publikums meinte er mit Blick auf die notwendige Professionalität im Leistungssport: „Insbesondere im Spitzensport ist ein extremes Maß an Professionalität notwendig, um im weltweiten Wettbewerb erfolgreich zu bestehen. Hier stößt das Ehrenamt oftmals zwangsläufig an seine Grenzen.“

Für Dirk Schimmelpfennig, den Sportdirektor des Deutschen Tischtennis-Verbandes (DTTB) ist klar: „Wenn wir den Sport wie von Herrn Minister Ulbig formuliert als Investitionsgut verstehen und nicht als Kostenfaktor, kommen wir ein ganzes Stück voran.“ Schimmelpfennig machte deutlich, dass die Umsetzung der Konzepte in vielen Fällen daran scheitere, dass die Rahmenbedingungen nicht ausreichten. „Dabei müssen wir zuerst bei uns im Sport schauen, das haben wir in diesen Tagen gemacht. Erfolgreich sind die Spitzenverbände, die klar aufgestellt sind, klare Strategien und ein klares Programm haben“, sagte der ehemalige Bundestrainer der deutschen Tischtennis-Frauen. In einigen Verbänden sei es jedoch eine Lebensaufgabe für die Sportdirektoren, „die eigenen Gremien auf Kurs zu bringen“.

Die Trainer appellierten darüber hinaus an Politik und Gesellschaft, ihrem Berufsstand mehr Wertschätzung entgegen zu bringen. Schimmelpfennig sagte: „Für eine Perspektive im Leistungssport brauchen wir Trainer und Sportler mit Perspektiven. Doch junge, talentierte Trainer mit Perspektive entscheiden sich unter den heutigen Bedingungen nicht für den Trainerberuf.“ Von einem ganz praktischen Beispiel berichtete Rodel-Cheftrainer Norbert Loch. Deutschlands bester Rodel-Nachwuchstrainer habe gerade ein Angebot vom Nachbarn Österreich erhalten. „Und wir haben es mit ihm gemeinsam unter finanziellen Engagement des Verbandes geschafft, ihn bei uns zu halten. Das war notwendig, weil das Angebot der Österreicher internationalem Standard entsprach, während wir hier Nachholbedarf haben.“

Eines der zentralen Elemente sei die qualifizierte Ausbildung, darunter als wesentlicher Bestandteil ein Bachelor-Abschluss für die an der Trainerakademie in Köln ausgebildeten Trainerinnen und Trainer, waren sich die Anwesenden einig. Darüber werden seit Jahren erfolglose Gespräche geführt. „Warum gelingt es nicht, ein solch lebensnotwendiges Thema für die Trainer in überschaubaren Zeit zu lösen“, fragte Hörmann und kündigte an: „In sechs Monaten ist das Thema gelöst. Ob mit der Deutschen Sporthochschule Köln oder ohne die Deutsche Sporthochschule Köln wird sich in den nun anstehenden offenen Gesprächen zeigen.“

„Die politische Anerkennung der Trainer ist noch nicht ausreichend“, sagte Dr. Jürgen Wick, der Leiter des Fachbereichs Ausdauer am Institut für Angewandte Trainingswissenschaft (IAT) in Leipzig, der die Arbeitsgruppe Ausdauer auf der Bundestrainerkonferenz leitete. „Die höchste Anerkennung wäre, Olympia wieder nach Deutschland zu holen.“ Die Trainer waren sich einig, dass Olympia einen enormen Schub für die Leistungssportentwicklung in Deutschland bringen würde. „Lasst uns endlich mal wieder diesen Heimvorteil nutzen“, formulierten sie unisono.

Am öffentlichen Schlusstag der Konferenz diskutierten die Leistungsplaner des deutschen Sports die aktuelle Situation zusammen mit Gerhard Böhm, Abteilungsleiter Sport im Bundesministerium des Inneren, Alfons Hörmann, Norbert Loch, Dr. Martina Münch, der Bildungsministerin von Brandenburg, Dirk Schimmelpfennig und Markus Ulbig, dem Innenminister von Sachsen. Den Bericht finden Sie hier >>>

„Die drei Tage hier in Leipzig waren kritisch, konstruktiv, offen und ehrlich“, bilanzierte DOSB-Leistungssportdirektor Bernhard Schwank.

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(Quelle: DOSB)


  • Hörmann im Gespräch mit Trainer und Athleten in Sotschi. Foto: DOSB/Stratmann
    Hörmann im Gespräch mit Trainer und Athleten in Sotschi. Foto: DOSB/Stratmann