Wie ist Ihre Bilanz für 2004?
Richard Pound: Einerseits bin ich zufrieden, weil wir beträchtliche Fortschritte gemacht haben, andererseits bin ich nicht zufrieden, weil wir das Dopingproblem nicht gelöst haben. Aber wir haben mit der Annahme des Anti-Doping-Codes von allen olympischen und allen anerkannten Sportverbänden einiges erreicht, das ist ein großer Schritt nach vorne. Wir machen jetzt weiter Fortschritte mit einer internationalen Übereinkunft unter der Führung der UNESCO. Diese erlaubt den Mitgliedsstaaten, den Welt-Anti-Doping-Code anzuerkennen.
"Wir werden besser und besser. 2004 haben wir entscheidende Fortschritte gemacht, aber wir sind noch nicht am Ende. Es gibt Sportler, die glauben, sie haben eine olympische Medaille, aber sie können sie noch in den nächsten Jahren verlieren."
Was sind Ihre Vorhaben für 2005?
Richard Pound: Zum einen will die WADA den Code weiter integrieren und die Regierungen ermutigen, die Vereinbarung zu unterschreiben. Weiterhin dehnen wir unser Erziehungsprogramm aus, und wir werden bei der Leichtathletik-Weltmeisterschaft in Finnland als unabhängige Beobachter dabei sein.
Bei den Olympischen Spielen in Athen gab es zwar viele positive Dopingfälle, aber kein Sportler wurde positiv auf EPO oder das Wachstumshormon HGH getestet. Wo liegen die Gründe?
Richard Pound: Auch die so genannten alten Dopingmittel wirken noch hervorragend, unsere Kontrollen haben auch einige Sportler von Athen ferngehalten. Wir sollten aber nicht aufgeben, nach EPO und HGH zu suchen, außerdem haben wir jetzt viel ausgereiftere Technologien. Das Internationale Olympische Komitee hat alle Proben von Athen gelagert, und wir werden sie weiter analysieren und besonders nach HGH forschen. Wir können mittlerweile Fremdblut-Doping nachweisen, und wir haben die Apparate für die Manipulation von Dopingkontrollen gefunden. Wir werden besser und besser. 2004 haben wir entscheidende Fortschritte gemacht, aber wir sind noch nicht am Ende. Es gibt Sportler, die glauben, sie haben eine olympische Medaille, aber sie können sie noch in den nächsten Jahren verlieren.
Im vergangenen Jahr sind besonders US-Sportler ins Netz der Dopingfahnder gegangen. Weht nach jahrelangen Vertuschungsprozessen in den USA ein neuer Wind?
Richard Pound: Die US-Anti-Doping-Agentur demonstriert, dass sie unabhängig ist. Die USADA verfolgt die Fälle und rollt alte wieder auf, wie beispielsweise den Balco-Fall. Das ist genau das, was jede unabhängige Anti-Doping-Agentur in jedem Land tun sollte. In den vergangenen Jahren hat es in den USA einen bemerkenswerten Wandel gegeben.
Dabei gab es Verurteilungen nicht nur auf Grund von positiven Dopingbefunden, sondern auch durch andere Beweise. Ist das der Weg der Zukunft?
Richard Pound: Eine positive Probe ist nicht der einzige Beweis für Doping. Augenzeugen oder Dokumente, das sind alles gute Wege, um jemanden des Dopings zu überführen. Im Fall Marion Jones kam zusätzlich zu den Balco-Dokumenten noch eine Aussage von Balco-Chef Victor Conte hinzu.
Reicht das alles aus, um den Kampf gegen Doping zu gewinnen?
Richard Pound: Der wichtigste Faktor ist die Erziehung und Prävention. Kontrollen und Strafen reichen nicht aus. Wir müssen vermitteln, nicht zu dopen und zu betrügen, weil es falsch und gefährlich ist.