Deutschlands Sport nach dem 2. Weltkrieg: Erste Auslandsreise 1948

 

Nicht nur Bücher, sondern auch Archive haben ihre Geschichte und besitzen ihre Geschichten. Das Deutsche Basketball-Archiv, das in Kürze wieder

in Hagen seine Tätigkeit fortsetzt, besitzt unter seinen Schätzen auch die interessanten Unterlagen über die erste Auslandsreise einer deutschen Mannschaft nach dem Zweiten Weltkrieg am 19./20. September 1948 - sofern keine gegenteiligen Dokumente auftauchen.

1948. Die Olympischen Sommerspiele in London fanden ohne Beteiligung der Kriegsverursacher Deutschland und Japan statt. Noch mussten deutsche Sportler unter der Quarantäne leiden, welche die meisten internationalen Sportverbände – ob ohne oder mit politischem Druck - ausgesprochen hatten. Im Stuttgarter „Sportbericht“ finden sich am 13. September zwei unterschiedliche Meldungen. Die erste: „Wie vorauszusehen hat der Internationale Leichtathletik-Verband das Gesuch des schwedischen Verbandes auf eine Startgenehmigung deutscher Teilnehmer bei einem Sportfest in Stockholm abgelehnt.“ Dagegen steht ein Hinweis auf die bevorstehende erste Auslandsreise einer deutschen Sportmannschaft, der Basketballer des SV Prag-Stuttgart nach Lausanne. Schweizer Sportler reichten als erste die Hand zur Versöhnung. Der Präsident des Lausanne BC, Ernest Hoffmann, darf als mutiger Boykottbrecher gewürdigt werden: „Ich möchte es erzwingen, eine deutsche Mannschaft in Lausanne zu begrüßen und habe es mir zur Pflicht gemacht, dass der Sportverkehr mit Deutschland so schnell wie möglich aufgenommen wird.“

Sven Seidel, mit Willi Keckeisen württembergischer Basketballpionier und Rector spiritus dieser bahnbrechenden Reise, schilderte ein Jahr später die heute nicht mehr nachvollziehbaren Schwierigkeiten: Die Mannschaft erhielt erst drei Stunden vor Abfahrt des Zuges die Ausreiseerlaubnis der amerikanischen Militärregierung. In dieser kurzen Spanne mussten die Schweizer Visa besorgt werden. Das klappte nur, weil sich der Schweizer Konsul in Stuttgart persönlich der Einreisegenehmigungen angenommen hatte. Er erließ sogar die Visumsgebühren. Trotz der Unterstützung von Mr. Shelnutt von der US-Militärregierung, der selbst elf Jahre als Basketball-Profi gespielt und persönlich die FIBA um Zustimmung gebeten hat, mussten die 13 Stuttgarter Basketballer unter dem lettischen Trainer Boris Budkewitsch bis zum letzten Augenblick auf die nötigen Papiere warten.

Stuttgart verlor beide Spiele beim BC Lausanne mit 28:45 und 19:27. Die Stuttgarter waren von der herzlichen Gastfreundschaft in der heutigen olympischen Hauptstadt mit Empfang durch den Stadtpräsidenten überwältigt. Die Lokalpresse hatte im Voraus die Wiederaufnahme deutsch-schweizer Sportbeziehungen als außergewöhnliches Ereignis gewürdigt. Unter der Überschrift „Ein historisches Spiel“ hieß es: „Es ist kein Spiel wie jedes andere, denn es handelt sich um das erste Auslandsspiel einer deutschen Mannschaft. Dafür war eine wohlwollende Genehmigung durch die Besatzungsmacht nötig. Das Leben geht weiter. Das deutsche Problem – politisch – wird durch diese sportliche Begegnung nicht betroffen. Die Politik hat nichts in unserer Sportwelt zu suchen. Es freut uns, daß die Initiative zu diesem sportlichen Vergleich von den Westschweizern ausgegangen ist. Denn es ist ein Ziel des Sports, der das entsetzliche Drama des Krieges vergessen macht, ganz einfach die Menschen und die Völker im Stadion zusammenzuführen.“