Fast 2.000 junge Leute helfen dem Sport im Freiwilligen Sozialen Jahr

Nach acht Jahren scheint beim Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) im Sport ein Zenit erreicht, doch womöglich ist er noch längst nicht überschritten: Die Zuwachsraten der vergangenen Jahre halten weiter an.

Immer mehr junge Menschen möchten ein Freiwilliges Soziales Jahr im Sport leisten.
Immer mehr junge Menschen möchten ein Freiwilliges Soziales Jahr im Sport leisten.

Knapp 2.000 junge Menschen im Alter zwischen 19 und 21 Jahren wirken zu Beginn der neuen FSJ-Saison 2009/2010 als Sport-Freiwillige der besonderen Art. Es sind mündlichen Umfragen in den einzelnen Bundesländern zufolge etwa 200 mehr als im Vorjahreszeitraum - das bestätigt den Trend der vergangenen acht Jahre. Von Jahr zu Jahr stieg die Zahl der so genannten FSJler im Sport seit Einführung des beliebten Programms zwischen zehn und 15 Prozent an. Das Freiwillige Soziale Jahr nach Abschluss der Schule sinnvoll im organisierten Sport zu verbringen und nicht im Krankenhaus oder Altenheim, diese Möglichkeit gibt es noch nicht allzu lange. Die Neuerung geht auf die positive Erfahrung mit einem Modellprojekt zurück, das die Deutsche Sportjugend (dsj) von 2000 bis 2003 durchführte, und fand seither zunehmend Anklang - auf Seiten der Helfer wie auf Seiten insbesondere der Sportvereine, die seither zunehmend auf die Dienste der „guten Geister“ setzen. „Wir haben sehr klein angefangen. Zunächst hatten bundesweit nur etwa ein Dutzend Personen von den neuen Möglichkeiten Gebrauch gemacht“, berichtet Jaana Eichhorn von der Deutschen Sportjugend (dsj).

Unmittelbar nachdem 2003 die erweiterten Spielräume mit der endgültigen Aufnahme des Sports in die Reihe der FSJ-Anbieter zur Regel wurden, übernahm die promovierte Historikerin innerhalb der dsj das „Bundes-Tudorat“ für das FSJ. Damit verkörpert die 37-Jährige die Spitze einer ganzen Pyramide, die sich in den Folgejahren herausbildete und neben den FSJlern an der Basis im Mittelteil von jenen speziellen Referenten gebildet wird, die in den 16 Bundesländer für die pädagogische Betreuung der Freiwilligen zuständig sind. Zu den Grundsätzen gehört, dass jeweils 40 FSJler von einem hauptamtlichen Mitarbeiter der Landessportjugenden, die von den Ländern offiziell als FSJ-Träger anerkannt sind, betreut werden. Diese Referenten, jeweils bei den Sportjugenden in den Ländern angesiedelt, kümmern sich beispielsweise um den Ausbildungs- und Werdegang ihrer Schützlinge. Der organisatorische Aufwand lässt sich leicht erklären, denn innerhalb der zwölf Monate wird jeder FSJler zum Übungsleiter mit Zertifikat ausgebildet. Mindestens 25 Tage sind innerhalb des FSJ für die Teilnahme an Seminaren und anderen Fortbildungsveranstaltungen reserviert, die zudem weitestgehend am Stück über jeweils mindestens eine Woche stattfinden müssen. Große Länder wie Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen oder Bayern bringen es schon mal auf drei- bis vierhundert FSJler. „Entsprechend sind in diesen Bundesländern acht bis zehn Vollzeitstellen für die Betreuung notwendig“, rechnet Jaana Eichhorn vor.

„Die Schulen sind eines unserer großen Wachstumsfelder“

Der Aufwand sei ebenso gerechtfertigt wie lohnenswert. Die vom Gesetzgeber verankerte inhaltliche Ausdehnung des FSJ „hat dem organisierten Sport sehr genützt“, lautet Eichhorns Fazit. Die allermeisten der Freiwilligen würden in Sportvereinen eingesetzt. Der inhaltliche Schwerpunkt liege dabei eindeutig auf der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Zwar gehörten mitunter auch Telefondienste oder Verwaltungsaufgaben zum Tagespensum, die allermeiste Zeit der 40 Wochenstunden aber werde damit verbracht, als Übungsleiter eigene Trainingsgruppen zu betreuen, mit Mädchen und Jungen in Schulen oder anderen Kooperationspartnern der jeweiligen Sportvereine vor Ort zu arbeiten oder auch mit den Kids in den so genannten Bewegungskindergärten. „Sehr gute Erfahrungswerte“ gebe es insbesondere mit dem Einsatz an Schulen. Natürlich könne es nicht darum gehen, den normalen Sportunterricht „auf FSJler abzuwälzen“, betont Jaana Eichhorn. Das sei keinesfalls von der dsj und von Seiten der Vereine gewünscht. Anders jedoch sehe aus, wenn die FSJler Sportlehrern assistieren, zum Beispiel wenn sie mit 30 Grundschülern ins Schwimmbad ziehen, oder wenn die zum Übungsleiter ausgebildeten FSJler bei der Pausen- und Nachmittagsbetreuung der Schüler zum Einsatz kommen. Genau dann agierten die Freiwilligen in jenen Sphären, die für Sportvereine im Netz ihrer Kooperationen immer wichtiger werden. „Damit sind die Schulen eines unserer großen Wachstumsfelder, vor allem natürlich die Ganztagsschulen.“

Kein Wunder, dass die FSJler vor allem kleineren Vereinen von großem Nutzen sein können, die kaum über hauptamtliche Mitarbeiter verfügen. „Gerade diese Sportvereine brauchen jemanden, der viel Zeit hat und der vor allem vormittags, mittags und nachmittags die vielfältigen Aufgaben im immer größer werdenden Netzwerk übernehmen kann“, berichtet die Tutorin aus der Praxis. Dort, wo „auch tagsüber viel los“ sei, gehören die FSJler wie selbstverständlich zu den wichtigsten Dreh- und Angelpunkten, ohne die der Ganztagsbetrieb nicht zu bewerkstelligen wäre. Was nicht heißt, dass die jungen Leute im Freiwilligen-Einsatz von den Vereinsmitgliedern allein gelassen werden dürfen. Selbstredend benötigten die Jungen im Alltag die Hilfe und Unterstützung erfahrener Partner, der „Anleiter“, die als eine Art Mentor wirkten.

Mehr Bewerber als Stellenangebote bei den Vereinen

Das Freiwillige Soziale Jahr im Sport ist bei den Schulabgängern inzwischen äußerst beliebt. Pro Stelle gibt es mitunter zwischen fünf und zehn Bewerbern. „Das Dreifache an Jugendlichen könnten wir problemlos unterbringen“, sagt Jaana Eichorn. Allerdings seien 6.000 Stellen nur langfristig zu erreichen. Einmal weil das zwangsläufig bedeuten würde, die Zahl der haupt-amtlichen FSJ-Referenten bei den Landessportbünden stark erhöhen zu müssen, was nicht von heute auf morgen geht. Zum anderen wirke einschränkend, dass viele Sportvereine sich den finanziellen wie personellen Aufwand nicht zutrauen, der mit dem Einsatz der Freiwilligen verbunden ist. Obwohl der Nutzen des FSJ-Modells für die Sportvereine längst erwiesen sei, gäbe es beispielsweise finanzielle Grenzen. Dabei wird das FSJ im Sport etwa vom Bundes-familienministerium, von vielen Bundesländern, den Sportorganisationen und weiteren Stellen gefördert. Etwa zwei Drittel der Stellen im Sport werden beispielsweise vom Bundesamt für Zivildienst bezuschusst, weil es sich um junge Menschen handelt, die ein Freiwilliges Soziales Jahr dem Zivildienst vorziehen. Zum Nulltarif sind die freiwilligen und engagierten Helfer für die Vereine trotz der Förderung nicht zu bekommen, da sich die Gesamtkosten pro FSJ-Platz und Monat auf etwa 800 Euro belaufen - für Taschengeld, Sozialversicherung, pädagogische Betreuung und für die vorgeschriebenen Seminar- und Fortbildungsangebote. Im Regelfall zahlen die Vereine - je nach Bundesland - davon zwischen 250 und 500 Euro.

„Wer auf FSJler zurückgreifen will, muss sich finanziell beteiligen. Diese Helfer gibt es nicht umsonst“, betont Jaana Eichhorn. Auch dann nicht, wenn sie aus anderen Quellen subventioniert werden. Zum Beispiel aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds. Das strukturschwache Mecklenburg-Vorpommern ist eines der Länder, das in den Genuss solcher Beihilfen kommt. Vor bösen Überraschungen ist man deshalb trotzdem nicht gefeit, wie man kürzlich erkennen musste. Wegen eines finanziellen Engpasses musste die traditionelle Staffelstabübergabe zwischen jenen 40 jungen Erwachsenen, die ihr Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) beendeten, und ihren 40 Nachfolgern kurzfristig verschoben werden.

Hintergrund: Das Sozialministerium in Schwerin hatte mitgeteilt, dass für FSJ-Mittel im Sport für das Jahr 2009/2010 aus dem Europäischen Sozialfons nur noch 78.500 Euro bereitstünden statt 138.000 Euro wie noch im Jahr 2008/2009. Nach einem Gespräch mit Sozialministerin Manuela Schwesig (SPD) wurde ein Kompromiss gefunden. Das Übereinkommen sieht vor, dass die von der Sportjugend bereits vergebenen und besetzten 40 Stellen für das kommende Jahr vom Landes-Ministerium finanziert werden. Im Gegenzug werde sich die Zahl der Stellen im Jahr 2010/2011 jedoch deutlich reduzieren. Die verschobene Staffelstabübergabe konnte am 28. August im Neubrandenburger Sport-Gymnasium nachgeholt werden.

Bindung an den organisierten Sport als strategisches Ziel

Das strategische Ziel aller Bemühungen rund um das FSJ ist kein Geheimnis. Bei diesem Instrumentarium verschmelzen auf wunderbare Weise „Personal- und Vereinsentwicklung“, hat Jaana Eichhorn im Laufe der Jahre beobachten können. Die Jugendlichen seien auf diesem Weg äußerst motiviert und durchgehend mit Enthusiasmus bei der Sache. Erst recht, wenn es sich sogar um den eigenen Verein handelt, der aufgrund solch glücklicher Umstände unterstützt werden kann. „Die jungen Leute fühlen sich im Sport wohl, weil sie sich dort auch persönlich weiterentwickeln können. Das Freiwillige Soziale Jahr im Sport ist eine gute Kombination von sinnvollem bürgerlichem Engagement und Persönlichkeitsentwicklung.“

Überdies kann es nachhaltige Effekte mit sich bringen. Es kann FSJler langfristig und im besten Fall ein Leben lang an den organisierten Sport binden. Diese enge Beziehung gelte sowohl in Bezug auf die Vereine als „Arbeitsstätten für ein Jahr“, als auch hinsichtlich der Sportjugend in den jeweiligen Bundesländern, über die sämtliche Seminare und Fortbildungsprogramme laufen. Die Sport-jugend in den einzelnen Bundesländern sei nicht nur für das gesamte Prozedere rund um das FSJ im Sport verantwortlich, sondern bemühe sich desgleichen auf vielfältige Weise um den Erfahrungsaustausch zwischen den einzelnen Jahrgängen der FSJler und den Vereinen. Zum Beispiel gebe es Eichhorn zufolge mittlerweile Stammtische, an denen über Sinn und Vorzug dieses speziellen Instrumentariums diskutiert wird. Das beliebteste Forum der Kosten-Nutzen-Analyse bleibe trotz allem die „Mund-zu-Mund-Propaganda“.


  • Immer mehr junge Menschen möchten ein Freiwilliges Soziales Jahr im Sport leisten.
    Immer mehr junge Menschen möchten ein Freiwilliges Soziales Jahr im Sport leisten.