Ganztagsschule: Der Sport sieht die Politik am Zug

Um die Herausforderungen der Ganztagsschulen meistern zu können, brauchen Vereine vor allen Dingen Geld. Deshalb sei jetzt wieder die Politik gefragt, sagt der LSB Rheinland-Pfalz.

Podiumsdiskussion der Veranstaltung zur "Ganztagsschule und Sportvereine". Foto: LSB Rheinland-Pfalz
Podiumsdiskussion der Veranstaltung zur "Ganztagsschule und Sportvereine". Foto: LSB Rheinland-Pfalz

Um die Zusammenarbeit zwischen Sportvereinen und Ganztagsschulen in Rheinland-Pfalz zu optimieren, forderte Günter Berg, Vizepräsident Bildung und Erziehung des Landessportbundes Rheinland-Pfalz, mehr Beratungsstellen speziell für Sportvereine. „Hier ist dringend Hilfe notwendig. Das muss der Staat leisten, das können die Vereine alleine nicht stemmen“, erklärte Berg auf der Podiumsdiskussion „Ganztagsschulen und Sportvereine – von Chancen, Risiken und Bedingungen“, die der Landessportbund gemeinsam mit dem Aktionsbündnis Schulsport in Mainz ausrichtete. 

Berg verwies vor 80 Teilnehmenden auf das Beispiel Nordrhein-Westfalen. Hier werden bis Ende des Jahres 58 halbe Stellen geschaffen, die die Zusammenarbeit von Schulen und Sportvereinen regelt. In Rheinland-Pfalz gibt es derzeit drei regionale Beratungsstellen – in Kaiserslautern, Bernkastel-Kues und Dienheim. Zu wenig, sagt Berg, um sich der Sorgen und Nöte der 6.300 Sportvereine im Land anzunehmen. 

Vereine in Gefahr

„Viele Vereine kämpfen um ihr Überleben“, warnte Berg. Nach einem langen Tag in der Schule fehlen vielen Kindern und Jugendlichen die Kraft und die Zeit, um anschließend noch ins Training zu gehen. „Viele Talente haben sich deswegen schon aus dem Verein abgemeldet“, bestätigte Winfried Schmidt, Jugendleiter beim Mainzer Fußballklub VfL Fontana Finthen. Zudem verschieben sich durch den Nachmittagsunterricht die Trainingszeiten der Jugendlichen immer weiter in den Abend und kollidieren mit denen der Erwachsenen. 

Auch Walter Desch sieht die Vereine in Gefahr: „Wir gehen kaputt und mit uns viele kleine Vereine“, sagte Desch, im Vorstand der Spvgg. Oberkülztal/Alterkülz und Präsident des Fußballverbandes Rheinland. Er sieht große Herausforderungen auf den Sport zukommen. „Die Schulen müssen sagen, was sie brauchen, wir müssen sagen, was wir leisten können. Aber wir brauchen vor allem Geld.“

Diese Forderung stellte auch Rainer Brechtken, der Präsident des Deutschen Turner-Bundes. „Wir können nicht den Übungsleiter im Schulsport alleine lassen. Wir brauchen mehr Professionalisierung.“ Ein erster Schritt ist in Rheinland-Pfalz die Übungsleiter-B-Ausbildung „Sport im Ganztag“, die der LSB seit 2008 anbietet. Mittlerweile haben mehr als 110 Teilnehmerinnen und Teilnehmer diese Zusatzqualifikation erworben. „Das ist aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein“, sagte Berg.

Für eine gezielte Strategie fehlen Fakten  

Was dem Sport zu einer gezielten Strategie für die Zukunft fehle, seien Fakten. „Wir können empirisch noch nicht sagen, welche Auswirkungen die Ganztagsschule auf die Sportvereinsentwicklung hat“, erklärte Lutz Thieme, Professor für Sportmanagement am RheinAhrCampus Remagen. „Die Diskussion auf der emotionalen Ebene bringt uns jetzt nicht mehr weiter. Wir brauchen dringend belastbare Daten.“

Dass die Ganztagsschule nicht nur ein Konfliktfeld für den organisierten Sport sein kann, wurde in Mainz ebenfalls deutlich. Auch die Kirchen und andere Kultur tragende Vereine sehen sich neuen Problemen und Herausforderungen ausgesetzt. Prälat Dietmar Giebelmann, Generalvikar des Bistums Mainz, äußerte eine düstere Zukunftsprognose: „Es wird irgendwann Vereine geben, die keine Kinder und Jugendlichen mehr haben.“ Auf derartige Szenarien gelte es, sich einzustellen. „Wir als Bistum und Schulträger sind in diesem System ohnehin Opfer und Täter zugleich“, räumte Giebelmann ein. 

Bei den Musikschulen im Land zeichnet sich derweil ein positiver Trend ab. „Nach Anfangsschwierigkeiten gehen wir nun in die Ganztagsschulen und bieten in Kooperationen unsere Kurse an“, berichtete Prof. Christoph-Hellmut Mahling, Vorsitzender des Landesmusikrates Rheinland-Pfalz. So weit wie der Sport sei die Musik aber noch lange nicht.

Karin Augustin sieht darin jedoch keinen Grund, sich mit dem Erreichten zufrieden zu geben. „Es muss sich noch viel bewegen“, bilanzierte die Präsidentin des Landessportbundes. „Die Jugend liegt uns schließlich am Herzen.“ Und Turner-Präsident Brechtken forderte den Sport und seine Vereine auf, das Heft noch mehr in die Hand zu nehmen. „Die Ganztagsschule wird kommen, wir müssen sie gestalten!“

(Quelle: LSB Rheinland-Pfalz/Jochen Dick)


  • Podiumsdiskussion der Veranstaltung zur "Ganztagsschule und Sportvereine". Foto: LSB Rheinland-Pfalz
    Podiumsdiskussion der Veranstaltung zur "Ganztagsschule und Sportvereine". Foto: LSB Rheinland-Pfalz