Gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus

Im Vorfeld des EM-Qualifikationsspiels der deutschen Fußball-Nationalmannschaft gegen Polen fand in Warschau ein Symposium zur historischen Beziehung beider Länder statt.

Die historischen Beziehungen im Fußball sowie die aktuellen Entwicklungen der Fankulturen waren wichtige Themen des Symposiums im Vorfeld des EM-Qualifikationsspiels. Foto: picture-alliance
Die historischen Beziehungen im Fußball sowie die aktuellen Entwicklungen der Fankulturen waren wichtige Themen des Symposiums im Vorfeld des EM-Qualifikationsspiels. Foto: picture-alliance

Leitendes Thema des Treffens in der Deutschen Botschaft in Warschau waren die historischen Beziehungen zwischen beiden Ländern, die ihren Niederschlag  eben auch im Fußball fanden und aktuelle Entwicklungen in den Fankulturen.

Politische Verantwortung des Sports

Bei der Begrüßung der Teilnehmer hob der Botschafter Rolf Nikel auf die völkerverbindende Kraft des Sports ab und betonte die politische Verantwortung, die sich für den organisierten Fußballsport aus seiner gewachsenen gesellschaftlichen Rolle ergibt. Wolfgang Niersbach, der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes nahm diese Vorlage auf und akzentuierte u. a. die Unterstützung des DFB für die Ziele des Fußball-Gedenkwerks  „!Nie wieder“, das sich in Deutschland und Europa gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus im Fußball aufstellt und das in Warschau Mitveranstalter und federführend in der Organisation war.

Der Vertreter der polnischen Fußballverbandes, der Sportdirektor Stefan Majewski, der in Deutschland als Mentor von Miro Klose einen guten Namen hat, nahm diese Einschätzungen in seinem freundlichen Grußwort auf, bevor Thomas Urban, der langjährige Korrespondent der Süddeutschen Zeitung in Warschau,  zum eigentlichen Thema überleitete und auf die engen Beziehungen zwischen dem deutschen und dem polnischen Fußball hinwies, die schon seit den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts existierten und jetzt von den Podolskis und Kloses demonstriert wird.

Eine von Urban und anderen entworfene Ausstellung zu den „Weißen Adlern“ und den „Schwarzen Adlern“, also zu polnischen und deutschen Fußballern im Schatten der großen Politik, flankierte und illustrierte in der Botschaft seine Thesen. Das anschließende Podium, das auf das zweite Leitthema der Veranstaltung bezogen war, versuchte die gestellten kritischen Ansprüche gegenüber den Fankulturen einzulösen und der deutsche Sporthistoriker Rudolf Oswald lieferte dafür reichlich historisches Material.

Rechtsextreme Tendenzen bei deutschen und polnischen Fans

Unter den beiden verbandsangestellten Fankoordinatoren, dem Polen Dariusz Łapinski und dem Deutschen Michael Gabriel schien dagegen Einverständnis zu herrschen, die Fanszene in einem ungetrübt positiven Licht darzustellen. Auch der Vertreter von "Nigdy Więcej“ (Nie wieder) in Polen, Jacek Purski, blieb trotz gegenteiliger Ankündigungen seltsam zahnlos. Dabei stehen die Namen der Städte Aachen, Dortmund, Braunschweig, Kaiserslautern, Nürnberg usw. doch schon beim sportinteressierten Laien für bedenkliche gewalttätige und rechtsextreme Tendenzen unter deutschen Fans.

In Polen ist die Gewaltbereitschaft der Fans von Legia Warschau notorisch und die Ultras von Wisła Krakau kündigten jüngst in einer großen polnischen Tageszeitung einen Krieg an, „bei dem es Tote gibt“. Die wichtigsten Diskutanten waren deshalb auf dem Podium der polnische Sportjournalist Stefan Szczepłek sowie der Moderator, der kenntnisreiche und kritische Marcel Reif, für den Legia Warschau keine Unbekannte ist. Erst die Nachfragen und Informationen dieser beiden unabhängigen Geister machte das Podium zu einem Ereignis.

Verdienstvolle europäische Gedenkbewegung "!Nie wieder"

Als Fazit einer Veranstaltung, die mit einem Empfang zu Ende ging, bleibt positiv wie klar von allen Beteiligten aufgezeigt wurde, dass es jenseits von Helene Fischer eine adäquatere, kultivierte Begleitmusik zum Fußball gibt. Dem unverzichtbaren deutschen Zweig der schon jetzt verdienstvollen europäischen Gedenkbewegung  „!Nie wieder“ sei aber für die Zukunft ins Stammbuch geschrieben, dass  einen großen Löffel braucht, wer mit mächtigen Verbänden aus einem Töpfchen isst und dass man nie das Salz in der Suppe vergessen sollte. Außerdem ist Distanz ist eine wichtige Voraussetzung zivilgesellschaftlicher Bemühungen.

Dem in letzter Zeit sportlich so erfolgreichen Deutschen Fußball-Bund, der in Warschau auch durch Reinhard Rauball, den Chef der Profiligen vertreten war, muss jedoch gerade aus der Distanz des Berichterstatters positiv konzidiert werden, dass er offensichtlich seine gesellschaftliche Verantwortung engagiert wahrnimmt und bereit ist, sich auch Diskussionsveranstaltungen und Initiativen mit durchaus „riskanten“ Themen außerhalb des engen sportlichen Felds zu stellen. Dies gilt aber auch für die Deutsche Botschaft in Warschau, die das ungewöhnliche Kulturprojekt großzügig unterstützt hat. Bei der historischen Niederlage des Weltmeisters im Warschauer Stadion hinterließen übrigens Hools aus Zwickau in Polen ihre Visitenkarte in Form vandalisierter Toiletten. Einige Augenzeugen berichten auch vom Hitlergruß. Sie kommentierten damit auf Ihre Art den Warschauer Dialog vom Vortag. 

Mit Namen gezeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die offizielle DOSB-Meinung wieder.

(Quelle: DOSB-Presse, Ausgabe 42/Diethelm Blecking)


  • Die historischen Beziehungen im Fußball sowie die aktuellen Entwicklungen der Fankulturen waren wichtige Themen des Symposiums im Vorfeld des EM-Qualifikationsspiels. Foto: picture-alliance
    Die historischen Beziehungen im Fußball sowie die aktuellen Entwicklungen der Fankulturen waren wichtige Themen des Symposiums im Vorfeld des EM-Qualifikationsspiels. Foto: picture-alliance