Integration mit Kampfgeist – Judo macht stark

Aktive Autorenlesung von und mit Yvonne Wagner – Ein Modellprojekt aus Hessen als Kooperation des Hessischen Judoverbandes mit der Sportjugend Hessen, Programm „Integration durch Sport“.

Yvonne Wagner in Aktion bei den Übungen und während der Lesung. (Quelle: Y.Wagner)
Yvonne Wagner in Aktion bei den Übungen und während der Lesung. (Quelle: Y.Wagner)

Drei Schulklassen mit insgesamt über 70 Kindern – da muss man sich schon etwas einfallen lassen, um die Kids bei Laune zu halten. Yvonne Wagner, Autorin des Buchs „Kampfgeist! Judo macht stark“ und ehemaliges Mitglied der Judo-Nationalkaders, war sehr gespannt. Wie würden die Kids auf die aktive Autorenlesung an der Werner von Siemens - Schule in Maintal, reagieren. Würde sie mit ihren Techniken, die sie zum Teil schon kennen, noch Eindruck machen würde? Schließlich haben die Schüler aus den drei vierten Klassen mit ihrem Sportlehrer, dem Judoka Rainer Dötsch, schon früher einige Judoeinheiten absolviert. Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Kurz nach einem kleinen Aufwärmspiel wurde das Pendelspiel vorgestellt. Eine Übung mit der sich wunderbar prüfen lässt, ob man seinen Mitschülern vertrauen kann: Ein Kind steht in der Mitte zwischen zwei Partnern, die den Mittleren wiederum auffangen müssen, während sich dieser nach vorne und hinten fallen lässt. Natürlich muss der Mutige in der Mitte dabei seinen Körper fest spannen.

Die Übung ist ein voller Erfolg. Zwischen Spannung, Angst und Wagemut findet sich in allen Gruppen jede emotionale Facette. „Und was hat das Ganze mit Judo zu tun?“, frage Yvonne Wagner die Schüler, nachdem Sie geschildert haben, was sie gerade erlebten. Stille, Ahnungslosigkeit, Schulter zucken. Doch dann geht eine Hand hoch: „Beim Judo hat man auch einen Partner, dem man Vertrauen muss“, sagt eine Schülerin. Schon sind alle mitten im Thema: Verantwortung übernehmen und Vertrauen entwickeln, auch zu Mitschülern, die man nicht so sehr mag, auch zu Mitschülern, die sonst gar nicht so dazu gehören. Und hier greift bereits das Projekt „Integration durch Sport“ der Sportjugend Hessen, die, gemeinsam mit dem Hessischen Judoverband, die 90-minütige Autorenlesung pro Klasse größtenteils finanziert.

Nach diesen ersten gemeinsamen Erlebnissen beginnt die Lesung. Die Auseinandersetzung zwischen zwei Widersachern im Buch und der mutige Einsatz eines Freundes sorgen dafür, dass die Schüler aufmerksam lauschen: Der Kampf zwischen den beiden Gegnern endet unsanft für den Angeber Melvin, der von William mit einer Judotechnik zu Fall gebracht wird. Die Szene wird direkt nachgestellt. Alle Schüler dürfen sich von der Autorin „knallhart“ auf die Weichmatte werfen lassen. Das sorgt für Aufregung, denn auch hier müssen die Kids Vertrauen entwickeln, sich in fremde Hände begeben und der und die Andere muss mit diesem Vertrauen verantwortungsbewusst umgehen. Yvonne Wagner erklärt den Schülern dabei auch, wie es ihr geht und wie sehr sie es wertschätze, dass die Schüler sich trauen und sich auf die Übungen einlassen. Mancher wirkt verwundert, „interessant“, sagt der dunkelhaarige Junge neben ihr und wirkt nachdenklich. Für manchen ist diese Wertschätzung offenbar etwas Neues.

Nach jeder Praxiseinheit muss die Judo-Autorin neu entscheiden: Lese ich weiter vor? Oder üben wir noch ein bisschen Judo? Jede Gruppe ist unterschiedlich, kann sich verschieden konzentrieren, hat eine eigene Dynamik. Auch wollen sich nicht alle gleich werfen lassen. Dann erleben die Schüler, dass ihre Entscheidung akzeptiert wird und schließlich überwinden sich doch alle. Ein gutes Erlebnis für die Kinder - und für die ehemalige Spitzenjudoka. Diese Form der Autorenlesung ermöglicht es den Kindern, Judo einmal anders kennen zu lernen. Judo verbunden mit einer Geschichte, die ihre eigene sein könnte. Über Freundschaft, über Sport und über die erste Liebe. Die Lust am Lesen ist nach diesem Training immer geweckt, genauso auch der Spaß am Judo und das Interesse an den Werten des Sports.

„In meiner AG hatte ich danach auf einmal über 20 Kinder“, sagt Rainer Dötsch. Die zehn Jahre alte Isabelle habe geschwärmt, erzählt er, Judo sei so cool. „Mir hat es gefallen und den Kindern hat es das Judo näher gebracht. Es wurde Lust auf mehr gemacht und das ist doch die Hauptsache“, findet der Sportlehrer. Und zur Freude der Lehrer wurde auch das Buch bereits mehrfach „verschlungen“.

Und genau das ist die Chance, die Judovereine ergreifen können, um Kinder fürs Judo zu gewinnen. Vereine, die mit Schulen kooperieren, können sich beim Hessischen Judo Verband oder der Sportjugend Hessen melden und eine Lesung anfragen.


  • Yvonne Wagner in Aktion bei den Übungen und während der Lesung. (Quelle: Y.Wagner)
    Yvonne Wagner in Aktion bei den Übungen und während der Lesung. (Quelle: Y.Wagner)