Medaillenspiegel

Mit den Olympischen Spielen taucht auch immer wieder der Mediallenspiegel auf. Aber ist er gerecht, fragt Autor Prof. Detlef Kuhlmann.

Die Medaillen der letzten Olympischen Winterspiele in Sotschi. Foto: picture-alliance
Die Medaillen der letzten Olympischen Winterspiele in Sotschi. Foto: picture-alliance

Alle Jahre wieder, genauer alle zwei Jahre im Wechsel gibt es Olympische Sommer- bzw. Winterspiele. In den Tagen der Spiele begleitet uns täglich ein aktueller Medaillenspiegel in den Medien: Alle Medaillen, die die Sportlerinnen und Sportler allein, zu zweit bzw. mit ihren Teams vor Ort gewinnen, werden in eine Nationenwertung eingepflegt und nach Wertigkeit fein sortiert: Gold, Silber, Bronze sprechen eine einfache Zahlensprache.

Der Medaillenspiegel ist umstritten. Gehört er abgeschafft? Der Medaillenspiegel passt nicht in die olympische Landschaft, so hat sich einst in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung während der Spiele in Sotschi 2014 Prof. Eike Emrich, Sportwissenschaftler an der Universität des Saarlandes in Saarbücken, positioniert. Der Spiegel sei „Symbol eines sekundären Wettbewerbs von denen, die Sport auf nationaler Ebene organisieren“. In der Tat: Der Medaillenspiegel ist keine Erfindung des IOC und gehört insofern auch nicht in die olympische Landschaft. Trotzdem ist er dessen Bestandteil. 

Der Medaillenspiegel addiert hervorragende Leistungen. Nichts anderes macht die Tabelle der Fußball-Bundesliga. Sie vergibt zwar keine Goldmedaillen an die Siegermannschaft eines Spiels und speist Verliererteams nicht mit Blech oder Bronze ab, sondern transformiert stattdessen Tore in Punkte mit serieller Aufrechung über die Saison. Umstritten sind solche Tabellen derzeit nicht. Sie sind konstitutives Moment eines weltweiten Spielbetriebs, ohne den dieser so nicht existieren könnte. Bei Olympischen Spielen ist das anders. Die Frage nach der Existenzberechtigung des Medaillenspiegels hat so gesehen ihre Berechtigung.

Aber es kommt noch eine andere Frage hinzu: Solange der Medaillenspiegel nicht abgeschafft ist, darf und muss nämlich gefragt werden, ob er in der vorliegenden Form gerecht ist. Ist das mal hinterfragt worden? Warum dominieren eigentlich die Goldmedaillen die Rangfolge? Die Bundesligatabelle ist da schon weiter: Sie schenkt dem Sieger drei Punkte, vergibt aber bei Unentschieden jeweils einen pro Team. An der Spitze steht die Mannschaft mit den meisten Punkten, nicht zwangsläufig die mit den meisten gewonnenen Spielen.

Dieses Vergabesystem ließe sich ganz leicht auf den Medaillenspiegel übertragen: drei Punkte für Gold, zwei für Silber und einen für Bronze. Ist das gerechter und im Sinne der Athletinnen und Athleten, die diese Medaillen erringen (sollen)? Man könnte sie ja mal fragen.

(Autor: Prof. Detlef Kuhlmann/* Der Kommentar ist dem Buch des Autors mit dem Titel „Querpässe zwischen Sport und Sportwissenschaft“ (Arete, Hildesheim 2014) entnommen. Das Buch enthält insgesamt 82 Kommentare aus der DOSB-PRESSE und diesen bisher noch nicht veröffentlichten.)

In jeder Ausgabe der DOSB-Presse, die wöchentlich erscheint, gibt es einen Kommentar zu aktuellen Themen des Sports, den wir hier als DOSB-Blog veröffentlichen. Diese mit Namen gezeichneten Beiträge geben nicht unbedingt die offizielle DOSB-Meinung wieder.


  • Die Medaillen der letzten Olympischen Winterspiele in Sotschi. Foto: picture-alliance
    Die Medaillen der letzten Olympischen Winterspiele in Sotschi. Foto: picture-alliance