Neues Niveau in der Zusammenarbeit

Die Bundeswehr und der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) stellen ab sofort auch die Trainer in den Mittelpunkt der Zusammenarbeit.

Auch Trainer haben ab sofort eine Zukunft bei der Bundeswehr. Foto: picture-alliance
Auch Trainer haben ab sofort eine Zukunft bei der Bundeswehr. Foto: picture-alliance

Exakt 40 Jahre nach Entstehung der ersten Sportfördergruppen unter dem Dach des Bundesheeres und dem Beginn der flächendeckenden, strategisch abgestimmten Förderung des bundesdeutschen Spitzensports durch das Bundesverteidigungsministerium wird in der gewachsenen, bewährten Kooperation ab sofort ein neues Kapitel aufgeschlagen. Stand bislang im Fokus aller Bemühungen, den Athleten und potentiellen Medaillenkandidaten optimale Trainingsmöglichkeiten einzuräumen, rücken im Rahmen der vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) gestarteten „Traineroffensive“ bei der Sportförderung der Bundeswehr fortan ebenso die Trainer als wichtigste Partner der Athleten im leistungssportlichen Alltag ins Zentrum. Die von beiden Seiten vereinbarte Neujustierung sieht vor, innerhalb des Kontingents bei den 15 Sportfördergruppen der Bundeswehr mit derzeit bis zu 824 Vollzeitstellen fortan insgesamt 50 Planstellen ausschließlich für Trainer vorzuhalten. Je 25 für Zeitsoldaten und 25 für Berufssoldaten. Die ersten Trainerverträge auf dem neuen Niveau wurden jüngst unterzeichnet.

Im Deutschen Ski-Verband (DSV) sprich: bei den deutschen Biathleten sind die neuen Regelungen bereits Praxis, indem die beiden frühere Weltklasse-Athleten Mark Kirchner und Ricco Groß als Leitender Disziplintrainer bei den Herren bzw. Disziplintrainer bei den Damen als Adjutanten von Bundestrainer Uwe Müssiggang gerade ihren „Dienst in Uniform“ angetreten haben. Dasselbe gilt für Vielseitigkeitsreiter Frank Ostholt, der nun mit demselben Status bei der Reiterlichen Vereinigung (FN) als sportfachlicher Leiter des Reitbereichs der Sportfördergruppe in Warendorf „bestallt“ ist. Auch Boris Henry, Disziplintrainer Speerwerfen beim Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) ist einer jener Betreuer, die von den neuen und auf die Bedürfnisse des Leistungssports zugeschnittenen beruflichen Perspektiven eines Bundeswehrtrainers profitieren wie ihre Schützlinge und die Spitzenverbände, für die sie an den Start gehen – mithin ein Vorteil für den gesamten deutschen Sport im Ringen mit der internationalen Konkurrenz um Podestplätze bei Olympischen Spielen, Welt- und Europameisterschaften.

Stellen für „50 Trainer in Uniform“ werden bei Verbänden sukzessive besetzt

„Diese Neuausrichtung unserer Förderung ist seit dem 1. Juli Realität. Natürlich können diese 50 Trainerstellen nicht alle auf einmal sofort besetzt werden, das wird sukzessive geschehen. Derzeit gibt es eine Reihe von Personalgesprächen zwischen DOSB, den Spitzenverbänden und uns. All das mündet zunächst in eine längere Liste mit geeigneten Kandidaten aus den Verbänden und dem jeweiligen Bedarf der Spitzenverbände“, schilderte Josef Nehren, der Leiter des Dezernats für Sportförderung beim Streitkräfte-Amt, das Prozedere. Wolfgang Kindinger aus dem Ressort Leistungssport des DOSB spricht von einem „Qualitätssprung“ in der Zusammenarbeit mit der Bundeswehr. „Wir können uns nur bedanken, dass es in dieser Weise nun auch eine Unterstützung für die Trainer gibt“, sagt der langjährige „Kontaktmann“ in Sachen Bundeswehrsportförderung, unmittelbar bevor er sich in den Ruhestand verabschiedet.

Erklärtes und ehrgeiziges Ziel ist es, die Trainerstellen mit erfolgreichen und geeigneten Athleten aus den jeweiligen Sportarten zu besetzen und „niemanden von außen einzukaufen“, so Nehren. Und selbstverständlich solle es bei der Verteilung der Planstellen zwischen den einzelnen olympischen Sparten und Verbänden „ausgewogen und gerecht“ zugehen.

Dementsprechend wurden die Einstellungsbedingungen in aufwändigen und monatelangen Detailverhandlungen zwischen dem organisierten Sport und den Bundeswehrspezialisten so definiert, dass sie für die Ansprüche des Leistungssports maßgeschneidert sind. Die Spitzensportförderer des Streitkräfte-Amtes stehen ohnehin im ständigen Kontakt mit dem Ressort Leistungssport beim DOSB und den Experten aus den Fachverbänden. Ein halbes Dutzend Mal pro Jahr gibt es offizielle Arbeitstreffen (Personalplanungsgespräche), bei denen die Weichen für die nächsten Etappen gestellt werden und auch gezielt über einzelne Athleten und deren sportliche wie berufliche Perspektiven gesprochen wird.

Die Feinabstimmung für die „Amtshilfe“ bei der Förderung von Trainern sei Nehren zufolge „besonders schwierig“ gewesen, weil der passgenaue Zuschnitt für den Anteil an Berufssoldaten im Rahmen dieser 50 garantierten Stellen zwangsläufig mit einigen Abweichungen zu normalen Verfahrensabläufen und sogar mit Ausnahmeregelungen verbunden sei, die von Seiten des Verteidigungsministeriums genehmigt werden mussten. Die Ergebnisse der Verhandlungen, die auf Wunsch des Sports zum Thema „Traineroffensive“ vor zwei Jahren noch in der Ära des früheren Bundes-Verteidigungsministers Franz Josef Jung begannen, fallen für den deutschen Leistungssport sehr erfreulich aus. Sie entsprechen genau jenem Credo, mit dem Andreas Hahn, der Dezernent für Spitzensport beim Streitkräfte-Amt, die Zusammenarbeit zwischen Bundeswehr und DOSB grundsätzlich skizziert: „Wir machen Vieles mit, wenn es dem Ziel dient, Medaillen für Deutschland zu gewinnen.“

Berufliche Perspektive für Sportsoldaten, Quereinsteiger ohne Chance

Das gemeinsam erarbeitete Raster für Kandidaten, die eine Trainerlaufbahn unter dem Dach der Bundeswehr einschlagen können, ist präzise definiert. „Für Quereinsteiger ist das keine Option. Wir können ja keine Ungedienten plötzlich zu Berufssoldaten machen“, unterstreichen Josef Nehren und Andreas Hahn unisono. Für „Zivilisten“ kommen die 50 Trainerstellen nicht in Betracht. Das Personal dafür soll sich ausschließlich aus ehemaligen – oder noch aktiven – erfolgreichen Sportlerinnen und Sportlern rekrutieren, die schon als Aktive einer der Sportfördergruppen der  Bundeswehr angehörten und bis zum Abschluss ihrer Karriere die vom Dienstherrn vorgeschriebene Lehrgänge absolviert haben. „Das Reservoir wird sich überwiegend aus den von uns geförderten Athleten speisen, denen somit durch die Bundeswehr auch eine Berufsperspektive gegeben werden kann.“

Ein weiteres Kriterium: Die Kandidaten müssen nicht nur fachlich und menschlich geeignet sein, sondern sie müssen diesen Nachweis vor Beginn der Trainertätigkeit zugleich in Gestalt eines abgeschlossenen Studiums zum Diplom-Trainer an der Trainerakademie in Köln offiziell nachweisen. Diese Qualifikation sei laut Hahn und Nehren „unabdingbare Voraussetzung“ und ebenso, dass die 50 Bundeswehrtrainer von ihren Verbänden nicht lokal oder regional eingesetzt werden, sondern in einer Position auf übergeordneter nationaler Ebene arbeiten sollen. „Was natürlich automatisch heißt, dass es sich um Trainer mit Bundesaufgaben handeln muss.“

Mit dem erklärten Ziel, mittels des neuen Instruments erfolgreichen Athleten für die Trainerlaufbahn zu begeistern, sie zu motivieren und ihnen „eine berufliche Perspektive und eine berufliche Lebensaufgabe“ zu ermöglichen, sind zwangsläufig besondere Konsequenzen verbunden. Schreibt die militärischen Gesetze der Bundeswehr zwingend vor, dass Soldaten nur im Alter zwischen 23 und 27 Jahren in eine Laufbahn als Zeit- oder Berufssoldat überwechseln dürfen, so musste dieser Passus für den Leistungssport novelliert werden. Warum. liegt auf der Hand. In den allermeisten Sportarten und Disziplinen befinden sich Athleten mit Mitte 20 im besten Alter und sind noch mehr oder weniger weit vom Ende ihrer leistungssportlichen Karriere und vom potenziellen Sprung „auf die andere Seite“ ins Trainerfach entfernt. Weiteres wichtiges Zugeständnis, das von Seiten des Dienstherrn gemacht wurde. Ab sofort darf von den geförderten Bundeswehrsportlern jedes Jahr nicht mehr – wie bisher – nur ein einziger pro Jahrgang die Laufbahn als Zeit- oder Berufssoldat einschlagen. Diese Vorschrift wurde ganz im Sinne der „Traineroffensive“ gelockert, so dass nun pro Jahr gegebenenfalls auch einer größeren Personenzahl dieser Schritt zum lang und länger Dienenden erlaubt ist.

„Wischiwaschi-Quote“ hat ausgedient und wir durch eine Konstante ersetzt

Mit den neuen Vereinbarungen hat das jahrelange „Wischiwaschi“, wie Josef Nehren die zuletzt nicht näher definierte Quote für Trainer in der Sportförderung der Bundeswehr bezeichnet, endlich ausgedient. Von den Planstellen in den Sportförderkompanien – derzeit sind es rund 800 – waren stets etwa sechs Prozent so genannten Funktionsträgern wie Trainern und Physiotherapeuten vorbehalten. Derzeit sind es etwa 45 Stelen, die von „Nichtathleten“ besetzt werden. Mit dem Neuansatz werden in Bezug auf diese Größe nun klare Verhältnisse geschaffen. Die 50 Stellen für Trainer werden verlässlich und garantiert zum Gesamtkontingent gehören, „egal in welcher Größenordnung es sich demnächst darstellt“ versichern Josef Nehren und Andreas Hahn.

Damit berühren die beiden Experten aus dem Streitkräfte-Amt in Bonn zwei Aspekte. Erstens wird das Gesamtkontingent der Planstellen nicht um jene 50 Trainerstellen erhöht, sondern im Gegenzug werden die Spitzenverbände diese für Trainer vorgehaltenen Plätze bei ihren Sportlerinnen und Sportlern gewissermaßen einsparen müssen. Zweitens ist keineswegs sicher, ob es nach 2012 bei den derzeit insgesamt 824 Plätzen bleibt. Mit Blick auf die Olympischen Wettbewerbe von Vancouver 2010 und London 2012 hatte die Bundeswehr entschieden, dass die ursprünglich 704 Förderplätze bei Bedarf auf bis zu 824 aufgestockt werden können. Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages genehmigte für diese 120 zusätzlichen Stellen mehr als drei Millionen Euro pro Jahr, so dass der jährliche Gesamtetat der Bundeswehrsportförderung auf rund 29 Millionen Euro anstieg. Diese Obergrenze soll jedoch bis Ende 2012 wieder auf 744 Förderplätze zurückgeführt werden.

Es könnte noch weitere Änderungen geben, deren Ausmaß im Zuge der anstehenden Entscheidung über die Wehrpflicht und durch die beabsichtigte Strukturreform in der Bundeswehr noch nicht absehbar ist, wirft Josef Nehren bereits einen Blick voraus. Einfluss werde in jedem Fall haben, wie das Internationale Olympische Komitee (IOC) Anfang Juli nächsten Jahres auf die Bewerbung Münchens für die Ausrichtung der Olympischen Winterspiele 2018 reagiert. Bekommt die bayrische Metropole den Zuschlag, würde damit die Verhandlungsposition des Sports deutlich gestärkt. Egal, wie das künftige Gesamtkontingent aussieht, ob es bei 824 Vollzeitstellen bleibt oder diese Zahl verringert werden muss. „Fakt ist“, versichert Andreas Hahn, „dass die vereinbarten 50 Trainerstellen in jedem Fall erhalten bleiben werden. Das wird eine konstante Größe sein, egal wie sich die Zahl x in unseren Fördergruppen für die Athleten entwickelt.“

Neujustierungen begleiten Kooperation zwischen Sport und Bundeswehr seit jeher

Mit dieser Zusicherung erlebt die bewährte Kooperation zwischen Sport und Bundeswehr einmal mehr eine zeitgemäße Neujustierung. Einer der Pioniere der Bundeswehrsportförderung war Segler Willy Kuhweide, der bei den Olympischen Spielen 1964 in Tokio die Goldmedaille in der Finn-Dinghi-Klasse  gewann. Der gebürtige Berliner war einer der ersten vier Bundeswehrsoldaten, die bei Olympischen Spielen teilgenommen hatten. Neben dem ehemaligen Fähnrich gingen bei den Sommerspielen 1964 Oberleutnant Hinrich John (110 Meter Hürden), Oberleutnant Hans Kaupmannsennecke (Schießen) und Leutnant Wolfgang Schillkowski (Hochsprung) an den Start. Dieses Quartett bildete gewissermaßen die Vorausabteilung.

Offiziell schlug die Geburtstunde der Spitzensportförderung durch die Bundeswehr erst vier Jahre später. Im Jahr 1968 rief der Deutsche Bundestag die Regierung auf, „zur Förderung bundeswehrangehöriger Spitzensportler bei der Bundeswehr Fördergruppen einzurichten, die so weit wie möglich an Leistungszentren der Sportverbände angelehnt werden sollen“. Diese Forderung lieferte den Grundstein für eine Erfolgsgeschichte besonderer Art. Fortan entwickelte sich die Bundeswehr zu einem der größten und „unverzichtbaren Förderer des Hochleistungssports in der Bundesrepublik Deutschland“, wie DOSB-Präsident Thomas Bach wiederholt äußerte. Sie gewährleistet optimale Rahmenbedingungen für die leistungssportliche und berufliche Laufbahn der geförderten Spitzensportlerinnen und Spitzensportler.

Zwar wurden schon ab 1957 seit Inkrafttreten der Allgemeinen Wehrpflicht Spitzensportler zum Grundwehrdienst einberufen. Die Förderung wurde damals jedoch nicht zentral gesteuert und hing hauptsächlich vom Gutdünken der Vorgesetzten ab. Absprachen oder Kooperationen zwischen der Bundeswehr und Dachverband des deutschen Sports gab es seinerzeit noch nicht. Ansätze in diese Richtung gab es erst ab 1962 nach Gespräche zwischen dem ehemaligen DSB-Präsidenten Willi Daume und dem damaligen Verteidigungsminister Franz-Josef Strauß. Durch den Beschluss des Deutschen Bundestages sechs Jahre später stand der Sportförderung bundeswehrangehöriger Spitzensportler nichts mehr im Weg. Ab 1970 entstanden die ersten Sportlehrkompanien, Sportfördergruppen sowie Sportgruppen des Heeres.

Im März 1971 folgte ein weiterer Meilenstein. Durch einen Erlass des Verteidigungsministers und späteren Bundeskanzlers Helmut Schmidt wurde festgelegt, wie weit militärische Spitzensportler unterstützt werden können. In der Folgezeit wurden Spitzensportler jedoch weiter nur zum Grundwehrdienst einberufen. Erst ab 1977 wurden dann auch Planstellen über den Grundwehrdienst hinaus bereitgestellt und damit eine neue Qualität begründet. Von diesem Zeitpunkt an konnten sich Spitzensportler als Zeit- und Berufssoldaten für eine längere Dauer verpflichten. Von nun an gilt dies ebenfalls für Trainer, gewissermaßen adäquat zu deren Bedeutung als wichtigste Bezugsperson für Athleten auf ihrem Weg in die Weltspitze und zu internationalen Meriten.


  • Auch Trainer haben ab sofort eine Zukunft bei der Bundeswehr. Foto: picture-alliance
    Auch Trainer haben ab sofort eine Zukunft bei der Bundeswehr. Foto: picture-alliance