Oscar Pistorius: Nach Mordanklage droht lebenslange Haft

Oscar Pistorius wird vor Gericht gestellt. Er soll seine Freundin vorsätzlich erschossen haben. Der Haftrichter erhob am Freitag in Südafrikas Hauptstadt Pretoria Anklage wegen Mordes.

Oscar Pistorius sagt am 15. Februar 2013 vor Gericht in Pretoria zum Vorwurf des Mordes an seiner Freundin Reewa Steenkamp aus. Foto: picture-alliance
Oscar Pistorius sagt am 15. Februar 2013 vor Gericht in Pretoria zum Vorwurf des Mordes an seiner Freundin Reewa Steenkamp aus. Foto: picture-alliance

Damit droht dem Sportstar, dem wahrscheinlich noch in diesem Jahr der Prozess gemacht wird, lebenslange Haft. In seiner ersten Stellungnahme seit dem Tod seiner Lebensgefährtin Reeva Steenkamp ließ Pistorius durch Familie und Manager erklären: "Ich weise diese Anklage aufs Schärfste zurück."

Der sechsmalige Paralympics-Gewinner, der bei der Verlesung der Mordanklage im Gerichtssaal in Tränen ausgebrochen war, soll in der Nacht zum Donnerstag in seinem Haus seine 29 Jahre alte Freundin mit einer Pistole des Kalibers 9 Millimeter erschossen haben. In seinem Statement erklärte der 26-Jährige, das Wichtigste sei es nun, "dass alle unsere Gedanken bei der Familie und den Freunden von Reeva Steenkamp sind."

An den nächsten Verhandlungstagen am Dienstag und Mittwoch soll entschieden werden, ob der als "Bladerunner" bekannt gewordene Pistorius gegen Kaution freikommt. Bis dahin bleibt Pistorius, dessen Werbeeinkünfte sich auf jährlich zwei Millionen Dollar (1,5 Mio. Euro) belaufen sollen, in Haft. "Die Verteidigung hat bis dahin Zeit, die Dinge zu untersuchen", sagte Richter Desmond Nair. Wie sehr der spektakuläre Fall um Südafrikas Nationalheld in der Öffentlichkeit des Landes wirkt, machte die Tatsache deutlich, dass sogar Südafrikas Präsident Jacob Zuma im Parlament dazu eine kurze Botschaft gab.

Nachdem am Vortag medizinische und forensische Untersuchungen bei dem behinderten Läuferstar erfolgt waren, wurde Oscar Pistorius am Freitagmorgen aus seiner Zelle in der Boschkop-Polizeistation in Pretoria zum Gericht gebracht. Er verhüllte dabei den Kopf mit dem dunklen Jackett des Anzugs. Wenig später saß er mit gesenktem Kopf auf der Anklagebank, hinter ihm Vater Henke, der ihm öfter einen aufmunternden Klaps auf den Rücken gab, sowie Bruder Carl und Schwester Aimee. Als nach 40 Minuten Vernehmung die Entscheidung über die Mordanklage fiel, schlug er die Hände vors Gesicht und weinte. Dann verließ er vor laufenden Kameras und vielen Schaulustigen unter silberfarbener Jacke verborgen das Gerichtsgebäude.

Laut südafrikanischen Zeitungen wurde Reeva Steenkamp durch die Tür des Badezimmers erschossen. Ein Nachbar erklärte der Zeitung IKT, die Tür habe Einschusslöcher aufgewiesen. Eine deutliche Parallele zum Fall des Boxers "Bubi" Scholz. Dieser hatte seine Ehefrau Helga am 22. Juli 1984 im Alkoholrausch durch die geschlossene Tür der Gästetoilette der gemeinsamen Wohnung erschossen. Scholz, der 2000 starb, wurde wegen fahrlässiger Tötung zu drei Jahren Haft verurteilt.

Die durch TV-Shows und Werbeauftritte im Fernsehen bekannte Reeva Steenkamp, die als examinierte Juristin kommende Woche in einer Schule in Johannesburg offenbar zum Thema Gewalt gegen Frauen reden wollte, wurde laut neuesten Berichten nicht nur an Kopf, Arm und Hand getroffen. Laut Polizeiaussagen trafen das Modell auch Schüsse in Brust und Becken.

Polizistin Denise Beuskens sagte einem TV-Sender: "Das ist nicht der erste Vorfall im Haus Pistorius." Der auch als "Adrenalin-Junkie" bekannte Athlet, der den Nervenkitzel liebt, einen superschnellen McLaren-Sportwagen fuhr und schon mit seinem Speedboot schwer verunglückt war, hatte 2009 bereits eine Nacht im Gefängnis verbracht. Er soll bei einer Party eine 19-Jährige tätlich angegriffen haben.

Andererseits lebte Pistorius in seinem von hoher Kriminalitätsrate gekennzeichneten Heimatland offenbar auch in Angst. Vergangenes Jahr hatte der Karbonstelzenläufer einer Zeitung berichtet, er schlafe aus Furcht vor Einbrechern mit Pistole, Maschinengewehr, Cricket- und Baseballschlägern. Im November hatte der 26-Jährige getwittert: "Wenn ich nach Hause komme und die Waschmaschine läuft, hört sich das an wie ein Eindringling in Kampfbereitschaft in der Speisekammer..."

Völlig konsterniert zeigten sich zwei deutsche Paralympics-Sieger. Heinrich Popow (Leverkusen), der 2012 in London über 100 m triumphiert hatte, meinte bei Sky Sport News HD: "Er ist so ein lieber Kerl, man wird von ihm mit Umarmungen begrüßt. Ich hoffe, dass es ein schreckliches Missverständnis ist. Wir müssen die Ermittlungen abwarten. Ich will das nicht wahrhaben."

Ähnlich hatte zuvor Woytek Czyz reagiert, der 2004 in Athen gleich dreimal gesiegt hatte. "Ich bin absolut geschockt. Keiner, der Oscar kennt, kann glauben, dass er wirklich jemanden umbringt."

Stelzenläufer Pistorius ist der erste amputierte Athlet, der sowohl an Paralympics als auch an Olympischen Spielen teilgenommen hat. Er gewann 2012 in London sein sechstes Paralympics-Gold.

(Quelle: SID)


  • Oscar Pistorius sagt am 15. Februar 2013 vor Gericht in Pretoria zum Vorwurf des Mordes an seiner Freundin Reewa Steenkamp aus. Foto: picture-alliance
    Oscar Pistorius sagt am 15. Februar 2013 vor Gericht in Pretoria zum Vorwurf des Mordes an seiner Freundin Reewa Steenkamp aus. Foto: picture-alliance
  • Der mehrfache Paralympics-Sieger Pistorius wird in seiner Heimat Südafrika wie ein Held verehrt. Foto: picture-alliance
    Der mehrfache Paralympics-Sieger Pistorius wird in seiner Heimat Südafrika wie ein Held verehrt. Foto: picture-alliance