Podiumsdiskussion der Friedrich-Ebert-Stiftung über Doping und Korruption im Sport

Mit der Fußball-Europameisterschaft in Österreich und der Schweiz sowie den Olympischen Spielen in Peking finden in diesem Jahr zwei sportliche Großereignisse statt, die Milliarden Menschen auf der ganzen Erde in ihren Bann ziehen werden.

Es geht offensichtlich auch sauber im Sport. Copyright: picture-alliance
Es geht offensichtlich auch sauber im Sport. Copyright: picture-alliance

Allerdings ist zu befürchten, das sich auch wieder Meldungen über Korruption und Doping im Sport unter die Schlagzeilen mischen. Diese Ereignisse sowie den „Fall Hildebrandt“ und den Skandal um den Landessportbund in Sachsen-Anhalt nahm die Friedrich-Ebert-Stiftung Sachsen-Anhalt zum Anlass, um in Zusammenarbeit mit der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und dem Rechnungsprüfungsamt der Stadt Halle in Halle (Saale) eine Podiumsdiskussion zum Thema „Geschmiert, gedopt, gekauft – Geht’s auch sauber im Sport?“ zu veranstalten. 

Zu Beginn machte Dr. Ringo Wagner vom Landesbüro Sachsen-Anhalt der Friedrich-Ebert-Stiftung deutlich, dass Doping, Korruption und Betrug im Sport grundsätzliche Probleme sind. Als Sportfunktionär habe er selbst erfahren, wie demokratische Spielregeln unterlaufen werden. Alle Ebenen – Kommune, Land und Bund – müssen deshalb zum Handeln angeregt werden. Die öffentliche Verwaltung des Sports sei genauso gefragt wie dessen Selbstverwaltung. Dr. Bernd Wiegand, Beigeordneter für Ordnung, Sicherheit, Umwelt, Gesundheit und Sport der Stadt Halle (Saale), ergänzte, dass sich die Sportler durch viel Selbstdisziplin und ein geordnetes Umfeld gegen Druck und Einflüsse von außen schützen müssten, um nicht der Versuchung des Dopings zu erliegen.

Verlust der Vorbildfunktion durch Doping 

Im Hauptvortrag analysierte Sylvia Schenk, die Vorsitzende von Transparency International Deutschland e.V., die Differenz zwischen Anspruch und Wirklichkeit des Olympischen Geistes und des Sports im Allgemeinen. Gleich zu Beginn betonte sie, dass es größtenteils durchaus sauber im Sport zugehe, die wenigen schwarzen Schafe allerdings das Image des Sports insgesamt geschädigt und somit zu einem Verlust der Vorbildfunktion geführt hätten. Sie warnte davor, nur auf die medienträchtigen Erfolge wie bei der EM und bei den Olympischen Spielen zu schauen, ohne die inhaltlichen Defizite zu berücksichtigen. Die Olympischen Spiele haben seit jeher einen hohen Anspruch, und die Olympische Charta verspricht „universell gültige ethische Prinzipien“ zu achten, zu denen auch der Verzicht auf Doping und andere Manipulationsmöglichkeiten gehören würde. Außerdem wollen die Spiele zum Aufbau einer „friedlichen und besseren Welt“ beitragen. Angesichts der Menschenrechtslage in China und der Tibetkrise erscheinen diese Ansprüche im Vorfeld vor den Spielen in Peking mehr als fragwürdig und verdeutlichen die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Man dürfe nicht den Fehler machen und gestiegene Einnahmen und Einschaltquoten mit gestiegenem Wert und Einfluss verwechseln. Das IOC verliere Potenzial, indem es seine Glaubwürdigkeit aufs Spiel setzt. Das Problem der Korruption spielt nicht nur im Sport, sondern auch in der Wirtschaft eine Rolle. Auf beiden Gebieten hat sich das Umfeld gewandelt, rechtliche Vorgaben haben sich geändert und durch eine Bewusstseinsveränderung haben sich in der Gesellschaft höhere Ansprüche durchgesetzt. Spielregeln der Wirtschaft wie compliance und good governance können auch auf den Sport übertragen werden, d.h. die Erfahrung, dass sich Ethik rechnet, könne Korruption verhindern. Der Sport muss reagieren, wenn er verhindern möchte, dass er in den Rückstand gerät. Der Ausstieg der Fernsehsender und Sponsoren im Radsport hat gezeigt, welche fatalen Folgen Manipulationen im Sport haben. Ähnliches könne aufgrund des Wettbetrugs beim Fußball oder durch die gesunkene Steuermoral vieler Vereine und Verbände passieren. 

Die frühere Präsidentin des Bundes Deutscher Radfahrer sieht die Defizite des Sports in einer unzureichenden Demokratisierung auf allen Ebenen und in amateurhaften und verwobenen Strukturen. Die Komplexität der Dopingproblematik wird noch durch strukturelle Besonderheiten im Sport erschwert. Hier sei ein Umdenken notwendig, und auch die Ehrenamtlichen in den Vereinen müssten Verantwortung übernehmen. Oft werde das Ehrenamt idealisiert, was zu einer gefährlichen Selbstüberschätzung führen könne. Es dürfe sich auf keinen Fall eine Einstellung verfestigen, nach der „für den Sport“ alles erlaubt ist. Es sei außerdem falsch, das Thema Doping zu tabuisieren. Wir brauchen einen couragierten Umgang mit dem Thema, um erfolgreiche Präventions- und Aufklärungsarbeit leisten zu können. Für die Zukunft fordert Sylvia Schenk eine kritische Auseinandersetzung mit den vorhandenen Problemen. Nach dem Motto „Nur sauber hilft dem Sport“ müsse ein realistischer Umgang mit hohen Ansprüchen gefunden werden. Das Ehrenamt, dessen Engagement sie durchaus würdigte, müsse weiter professionalisiert und die Strukturen modernisiert werden. Transparenz und Kontrolle seien die Stichworte, mit denen man Korruption entgegentreten und bekämpfen könne.

Hoher Erwartungsdruck durch Sponsoren, Medien und Trainer 

Dr. Christoph Bergner, der für den Sport zuständige Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern, erklärte zunächst, dass die wachsenden Probleme bei der Dopingbekämpfung aus der Erfolgsgeschichte des Sports resultierten. Es gebe nur noch wenige Fernsehereignisse, die so spannend und interessant wie Sportübertragungen seien. Außerdem gebe es in der modernen Gesellschaft neben dem Sport kaum weitere Möglichkeiten, Helden zu verehren. Diese Massenwirksamkeit sowie moderne Kommunikationsmöglichkeiten und die Globalisierung tragen zur Kommerzialisierung des Wettkampf- und Spitzensports bei. Als Beispiel stellte er dem Etat der privaten Sponsoren von 3,5 Milliarden Euro die 17 Millionen Euro gegenüber, die der Stiftung Deutsche Sporthilfe zur Verfügung stehen. Hieraus wird deutlich, dass die Athleten auf private Sponsoren angewiesen sind, die ihr Image natürlich möglichst erfolgreich transportieren möchten. Der Erwartungsdruck durch Sponsoren, Medien und Trainer lasse Spitzenathleten zum Doping greifen, was durch medizinische und molekularbiologische Fortschritte immer leichter werde. Dr. Bergner fordert ein striktes Vorgehen gegen Doping, um zu verhindern, dass die Werte des Sports verloren gehen. Eine Freigabe von Dopingmitteln lehnt er entschieden ab: „Wenn wir Manipulationen zulassen, führt das zu einem Wettbewerb der Manipulatoren!“, und plötzlich stehen Pharmakonzerne und nicht mehr Athleten im Mittelpunkt. Um Doping effektiv zu bekämpfen, müssen Sport und staatliche Organe kooperieren. Durch mehr Selbstverantwortung und eigene Sanktionsmechanismen, wie Wettkampfsperren, könnte der Sport vieles regeln. 

Auf staatlicher Seite besteht die Möglichkeit, Verstöße gegen das Arzneigesetz strafrechtlich zu verfolgen sowie als Förderer compliance zu fordern und bei Doping die Mittel zurückzuziehen, wie zuletzt beim Deutschen Eishockey-Bund aufgrund des Falls Florian Busch geschehen. Weitere Kämpfer gegen Doping sind auf internationaler Ebene die WADA (Welt Anti Doping Agentur) und auf nationaler Ebene die NADA (Nationale Anti Doping Agentur), deren Etat von 8,2 Millionen Euro laut Dr. Bergner für eine umfassende Dopingprüfung und –prävention unzureichend sei. Abschließend plädierte der Staatssekretär für eine entschlossene Auseinandersetzung mit dem Thema und umfassende Prävention.

Höchstleistungen auch ohne Doping möglich 

Andreas Hajek, der mehrfache Weltmeister und zweifache Olympiasieger im Doppelvierer 1992 in Barcelona und 1996 in Atlanta, berichtete aus der Sicht eines Leistungssportlers. Nach seiner 25jährigen Karriere als erfolgreicher Ruderer weiß er: „Höchstleistungen sind auch ohne Doping möglich.“ Allerdings seien Talent, ein gut funktionierendes Umfeld, wozu auch die finanzielle Absicherung gehört, und Ehrgeiz unverzichtbare Vorraussetzungen für den Erfolg. Auch er bemängelte die zunehmende Kommerzialisierung der Olympischen Spiele einerseits und die mangelnden finanziellen Fördermittel andererseits. Für ein optimales Training mit 20 bis 30 Stunden wöchentlicher Trainingszeit fehlten die Grundbedingungen, aber dennoch fordern Medien und Öffentlichkeit Medaillen. Er betonte, dass ohne die Stiftung Deutsche Sporthilfe, die Sportler leistungsbezogen fördert, viele Leistungen überhaupt nicht möglich wären. Dennoch würde er sich mehr Mittel für den sauberen Sport wünschen, auch wenn in der Konsequenz Verstöße mit harten Strafen wie lebenslangen Sperren geahndet werden würden. Persönlich distanzierte sich der Olympiasieger vom Doping: Er habe „15 Jahre hartes Training für den ersten Olympiasieg“ investiert. 

In der anschließenden Diskussion waren sich alle Teilnehmer einig, dass der Sport weiterhin öffentlich gefördert werden sollte. Dr. Bergner betonte, dass ansonsten nur noch bestimmte, gut vermarktbare Sportarten gesponsert werden und somit viele andere Sportarten ins Hintertreffen geraten. Auch das Thema „Freizeitdoping“, d.h. der Missbrauch von Anabolika in Fitnessstudios, wurde angesprochen, allerdings musste der Staatssekretär zugeben, dass sich das Kontrollsystem nur für den Spitzensport finanzieren lasse und im Breitensport vor allem auf Prävention gesetzt werde. 

Ein weiterer Diskussionspunkt war die Art und Weise der Dopingkontrollen. Inwiefern stellen regelmäßige Kontrollen und eine 24-Stunden-Verfügbarkeitspflicht Eingriffe in den Schutzbereich der Persönlichkeit dar? Andreas Hajek gab zu, dass die Kontrollen überall zu allen Tages- und Nachtzeiten zwar einerseits störend gewesen seien, aber andererseits einen Beitrag zur verlässlichen Überprüfung und zur Überführung von Dopingsündern geleistet hätten. Auch über die Berufsausbildung und die Möglichkeiten der Sportler nach ihrer aktiven Karriere wurde diskutiert. Ein Programm in Sachsen-Anhalt, in dem Firmen gefördert wurden, die jungen Sportlern, die viel Zeit in ihr Training investierten, eine Ausbildungsverlängerung gewährten, wurde eingestellt. Da Erfolge ohne Doping intensives Training voraussetzten, müssen mehr „duale Karrieren“ gefördert werden, die eine Vereinbarung von Profisport und Berufsausbildung zulassen und jungen Sportlern eine Perspektive bieten.


  • Es geht offensichtlich auch sauber im Sport. Copyright: picture-alliance
    Es geht offensichtlich auch sauber im Sport. Copyright: picture-alliance