"Prävention ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe", Interview mit Rolf Stuppardt

Rolf Stuppardt, Vorstands­vor­sitzen­der des Bun­des­ver­ban­des der Innungs­kran­ken­kassen (IKK), be­zieht Stellung zum Entwurf für das Prä­ventions­ge­setz, das Ende des letzten Jahres vom Bun­des­ge­sund­heits­minis­te­rium vorge­legt wurde. Unab­hän­gig davon, was am Ge­setzt­entwurf noch geändert werden wird, motiviert er den Deutschen Sport­bund, in seinem Enga­ge­ment für den Breiten­sport nicht nach­zu­lassen.

   Sehr geehrter Herr Stuppardt, Ende letzten Jahres hat das Bundesgesundheitsministerium einen Entwurf für das neue Präventionsgesetz vorgelegt. Wie bewerten Sie aus der Sicht der Krankenkassen dieses Gesetz?

 

Stuppardt: Im Grundsatz begrüßen die Spitzenverbände der Krankenkassen die mit dem Präventionsgesetz verbundene Intention von Bund und Ländern zur Stärkung von Prävention und Gesundheitsförderung. Allerdings müssen wir dem derzeitigen Entwurf attestieren, dass er die eigentliche Zielsetzung, wie größere Verständlichkeit, die Schaffung von flachen und transparenten Organisationsstrukturen und die Minimierung des bürokratischen Aufwandes nicht erreicht. Schlicht gesagt: Der Entwurf ist viel zu technisch und bürokratisch, um die Prävention zu stärken.

 

 

   Wird die Prävention entscheidend gestärkt? Welche Chancen bietet das Gesetz für Veränderungen?

 

Stuppardt: Allein die Diskussion über das Gesetz unter Beteiligung der betroffenen Ministerien hat der Öffentlichkeit gezeigt, dass Prävention eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist. Aber bekanntlich nützt Reden allein nichts. Prävention macht nur Sinn, wenn die Ergebnisse messbar sind. Daran wird sich auch das Gesetz messen lassen müssen.

 

"Schlicht gesagt: Der Entwurf ist viel zu technisch und bürokratisch, um die Prävention zu stärken."

 

   Das Gesetz sieht lediglich eine Finanzierung durch die Sozialversicherungsträger vor, was auch vom Deutschen Sportbund kritisiert wird. Wie stark fehlt Ihnen die Unterstützung der öffentlichen Hand?

 

Stuppardt: Prävention ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Der deutsche Sportbund hat dies ja bereits erkannt. Andere Verbände und Träger sehen diese Aufgabe noch nicht. Das birgt die Gefahr, dass es zu neuen sogenannten Verschiebebahnhöfen kommt. Das wäre fatal und für die GKV auch nicht mehr hinnehmbar. Deshalb ist die Offenlegung und Fortschreibung der steuerfinanzierten Prävention und Gesundheitsförderung, der Selbsthilfe durch Bund, Länder und Gemeinden sowie die finanzielle Einbeziehung von privater Kranken- und Pflegeversicherung und der Arbeitsförderung (Bundesagentur für Arbeit) unabdingbar. Darauf habe ich oft genug hingewiesen. Beim Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft hat man dies ja dann auch erkannt.

 

   Was muss aus Ihrer Sicht passieren, damit zukünftig die drei Handlungsebenen gut zusammen arbeiten können?

 

Stuppardt: Es muss ganz klar sein, wer über was zu entscheiden hat. Es kann auch nicht sein, dass z. B. durch falsche Finanzierungsstrukturen bereits bestehenden Projekten das Geld fehlt, dass auf der anderen Seite aber Gelder für unnötige Kampagnen verschleudert werden. Vor diesem Hintergrund halte ich die Finanzierungsaufteilung 20/40/40 für vollkommen unangemessen. Auf Bundesebene käme man mit 5 Prozent erst einmal aus. Die Landesebene bräuchte vielleicht 15 Prozent. Dann kämen wir auf Kassenebene mit den 80 Prozent hin. Vor allem, wenn man bedenkt, dass die Kassen im letzten Jahr schon ca. 70 Prozent der Mittel für bestehende – sehr erfolgreiche – Prävention ausgegeben haben.

 

   Gesunde Ernährung und ausreichend Bewegung sind zwei wichtige Säulen für eine vernünftige Prävention. Sind sie in der Vorlage ausreichend berücksichtigt?

 

Stuppardt: Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass Bewegung und Ernährung wichtige Komponenten für ein gesundes Leben sind. Das zeigt sich z. B. an der Reduzierung der Rate der Krebsneuerkrankungen durch die Steigerung des Obst- und Gemüseverzehrs. Der Entwurf des Präventionsgesetzes richtet sich aber nach sogenannten Settings aus. Wir haben uns auf Zielgruppen verständigt und müssen hier genau prüfen, mit welchen Maßnahmen wir die Betroffen zielgruppengenau "abholen". Sport und Ernährung werden dabei durchaus eine große Rolle spielen.

 

   Der Sport ist der größte Leistungsanbieter im Bereich Bewegung. Müsste der Deutsche Sportbund als Dachorganisation des Sports nicht in den beratenden Gremien der Präventionsstiftung - Kuratorium und wissenschaftlicher Beirat - einen Sitz erhalten, um die Bewegung entsprechend stärken zu können?

 

Stuppardt: Generell ist der Einsatz des Deutschen Sportbundes für den Breitensport sehr zu begrüßen. Er ist ja bereits seit Jahrzehnten sehr erfolgreich aktiv. Und ich finde das Engagement sehr gut und würde mir wünschen, dass der DSB nicht in seinen Bemühungen nachlässt. Daher könnte ich mir persönlich durchaus vorstellen, dass des DSB in unterstützenden Gremien der Präventionsstiftung vertreten ist. Aber eigentlich möchte ich bei der Frage von Besetzungen von Gremien das Pferd nicht von hinten aufzäumen. Lassen Sie uns also erst ein sinnvolles und zielführendes Präventionsgesetz auf den Weg bringen und dann über personelle Besetzungen von Gremien reden.