Sexueller Kindesmissbrauch: Bilanzbericht veröffentlicht

Die Unabhängige Kommission für sexuellen Kindesmissbrauch hat in der vorigen Woche (3. April) den Bilanzbericht ihrer ersten Laufzeit veröffentlicht.

Peer Briken, Aufarbeitungskommission, Brigitte Tilmann, Aufarbeitungskommission, Hjördis E. Wirth, Betroffenenrat, und Sabine Andresen, Vorsitzende der Kommission (v.l.), stellen den Bilanzbericht zu sexuellem Kindesmissbrauch vor. Foto: picture-alliance
Peer Briken, Aufarbeitungskommission, Brigitte Tilmann, Aufarbeitungskommission, Hjördis E. Wirth, Betroffenenrat, und Sabine Andresen, Vorsitzende der Kommission (v.l.), stellen den Bilanzbericht zu sexuellem Kindesmissbrauch vor. Foto: picture-alliance

Das teilte die Kommission in einer Meldung mit.

Der Bericht besteht aus zwei Bänden. Band I beinhaltet neben der Dokumentation der Arbeit der Kommission auch Ergebnisse, Schlussfolgerungen und Empfehlungen. In Band II erzählen Betroffene in eigenen Worten von ihrer Vergangenheit, ihren Wünschen und Hoffnungen. Die 30 Berichte, so erklärte die Kommissison, führten "eindrücklich vor Augen, was sexuelle Gewalt in Kindheit und Jugend, das lange Schweigen und der Kampf um Gerechtigkeit für das Leben von Betroffenen bedeuten".

Auch der Sport wird im Bericht angesprochen. Auf Seite 74 kündigt die Kommission an: „Anlässlich des Themenschwerpunkts sexueller Kindesmissbrauch im Sport folgt im Mai 2019 ein weiterer Aufruf an Betroffene. Dieser richtet sich vor allem an Menschen, die in ihrer Kindheit oder Jugend sexueller Gewalt im Breitensport ausgesetzt waren. Für die Motive der Aufrufkampagne wurden verschiedene populäre Sportarten ausgewählt, die mit den für sie markanten Elementen wie Sportgeräte oder Sportkleidung dargestellt werden. Der Aufruf soll überwiegend in Medien verbreitet werden, in denen sich an Sport interessierte Menschen informieren – aber auch dort, wo sich diese Personengruppe in ihrer Freizeit aufhält wie in Fitnessstudios, Schwimmbädern, bei Sportveranstaltungen oder in Sportvereinen.“

Sabine Andresen, die Vorsitzende der Kommission, sagte: „Aus den Berichten der Betroffenen geht vor allem hervor, wie häufig das nahe Umfeld und die gesamte Gesellschaft versagt und Kinder nicht geschützt haben. Dafür muss Verantwortung übernommen werden. Es geht darum, heute Kinder und Jugendliche zu ihren Rechten zu verhelfen und sie zu schützen. Und es geht um die Anerkennung der Rechte heute erwachsener Betroffener und um eine gute Versorgung.“

Weiter heißt es in der Meldung der Kommission: „Gesamtgesellschaftliche Verantwortung über-nehmen bedeutet, sich den Erkenntnissen über Ursachen und Folgen sexuellen Kindesmissbrauchs zu stellen. Die Kommission konnte auf der Basis von vertraulichen Anhörungen und Berichten betroffener Menschen vielfältige Widerstände gegen eine Auseinandersetzung mit sexuellem Kindesmissbrauch identifizieren. Darüber hinaus berichteten Betroffene über das Schweigen der Anderen, die Folgen und die Bewältigung  im Erwachsenenalter, den Umgang im sozialen Umfeld und in Behörden und über Probleme in der Strafjustiz.

Seit Mai 2016 haben sich knapp 1700 Betroffene bei der Kommission gemeldet. Es wurden rund 900 vertrauliche Anhörungen durchgeführt und 300 schriftliche Berichte ausgewertet. Der Kommission berichteten Betroffene von sexueller Gewalt u.a. in der Familie, im sozialen Umfeld, in der Schule, in Heimen, in rituellen und organisierten Kontexten, in der Klinik, im Pfarrhaus, in der Kirche, bei den Zeugen Jehovas, beim Sport, durch Fremdtäter, in Chören und in weiteren Freizeiteinrichtungen.

Die Kommission veranstaltete drei öffentliche Hearings, in denen Betroffene vor rund 200 Gästen zu den Schwerpunkten Familie, DDR sowie evangelische und katholische Kirche ihre Geschichte erzählten. Sie veröffentlichte eine Expertise und eine Fallstudie zu sexuellem Kindesmissbrauch in der DDR, eine weitere Fallstudie zu den Kirchen, ein Empfehlungspapier für kindgerechte und betroffenensensible Strafverfahren sowie einen Zwischenbericht. Zudem tauschte sich die Kommission in sieben Werkstattgesprächen mit rund 60 Expertinnen und Experten zu verschiedenen Schwerpunktthemen aus.

Die Unabhängige Kommission zu Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs arbeitet ehrenamtlich und hat im Mai 2016 ihre Arbeit aufgenommen. Diese war vorerst auf drei Jahre begrenzt und wurde bis Ende 2023 verlängert. Damit hat die Kommission die Möglichkeit, sexuellen Kindesmissbrauch in weiteren Bereichen zu untersuchen. Erste Schwerpunkte der zweiten Laufzeit sind sexueller Kindesmissbrauch im Sport, an Menschen mit Behinderung und bei der sogenannten Pädosexuellenbewegung. Bis zum Herbst 2019 wird die Kommission Eckpunkte für eine gelingende Aufarbeitung erarbeiten, die Institutionen eine Orientierung geben sollen, eine Aufarbeitung bestmöglich zu beginnen und durchzuführen.“

Der Bilanzbericht steht mit Band I und II als PDF zum Download zur Verfügung.

(Quelle: Unabhängige Kommission sexuellen Kindesmissbrauchs)


  • Peer Briken, Aufarbeitungskommission, Brigitte Tilmann, Aufarbeitungskommission, Hjördis E. Wirth, Betroffenenrat, und Sabine Andresen, Vorsitzende der Kommission (v.l.), stellen den Bilanzbericht zu sexuellem Kindesmissbrauch vor. Foto: picture-alliance
    Peer Briken, Aufarbeitungskommission, Brigitte Tilmann, Aufarbeitungskommission, Hjördis E. Wirth, Betroffenenrat, und Sabine Andresen, Vorsitzende der Kommission (v.l.), stellen den Bilanzbericht zu sexuellem Kindesmissbrauch vor. Foto: picture-alliance