Sport im Jugendstrafvollzug

In Malente kamen im Rahmen der Fachtagung „Sport im Jugendstrafvollzug“ insgesamt 50 Mitarbeitende aus Justizvollzugs- und Jugendstrafanstalten aus ganz Deutschland zusammen.

dsj-Voritzender Jan Holze (re.) zählte zu den interessierten Teilnehmern der Fachtagung. Foto: dsj
dsj-Voritzender Jan Holze (re.) zählte zu den interessierten Teilnehmern der Fachtagung. Foto: dsj

Wissenschaftliche Vorträge, die Vorstellung von gelungenen Praxisbeispielen und der Erfahrungsaustausch standen im Fokus der erstmals als Kooperationsprojekt durchgeführten Fachtagung der Deutschen Sportjugend (dsj) und der DFB-Stiftung Sepp Herberger. Eröffnet wurde die Veranstaltung im Uwe Seeler Fußball Park durch Dr. Sabine Sütterlin-Waack, Ministerin für Justiz, Europa, Verbraucherschutz und Gleichstellung des Landes Schleswig-Holstein.

„Der Sport ist im schleswig-holsteinischen Strafvollzug breit und gut aufgestellt und erfährt eine hohe Wertschätzung. Neben förderlichen gesundheitlichen Wirkungen leistet Sport als Teil der Vollzugsgestaltung seinen ganz eigenen Beitrag, möglichst viele Gefangene zu befähigen, nach ihrer Haftzeit in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen. Denn Sport in seiner feinsten Verhaltensform steht für das Fairplay im gesellschaftlichen Umgang miteinander“, betonte Sütterlin-Waack in ihrem Impuls-Vortrag. 
 
Für die wissenschaftlichen Beiträge konnten Prof. Dr. Nils Neuber von der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster und Prof. Dr. Michael Kubink, Justizvollzugsbeauftragter des Landes Nordrhein-Westfalen, gewonnen werden. Neuber ging in seinem Vortrag auf die im Sport angelegten Bildungspotenziale ein und bestärkte die Vollzugsbediensteten darin, über den Sport zum informellen Lernen der jungen Inhaftierten beizutragen. Kubink erörterte die mit Migration verbundenen Herausforderungen und Chancen im Strafvollzug. Er gab einen Überblick über die aktuelle Situation in Nordrhein-Westfalen und stellte das Modell der „Integrationsbeauftragten“ vor. 

Impulse für die Weiterentwicklung der Sportangebote im Jugendstrafvollzug

In den bundesdeutschen Haftanstalten haben Sportangebote seit Jahrzehnten eine besondere Bedeutung in der Freizeitgestaltung, aber auch im individuellen Vollzugsplan und der Zugangsdiagnostik. Zahlreiche Sportvereine engagieren sich im Rahmen von Kooperationen mit Justizvollzugseinrichtungen, JVA-Teams nehmen beispielsweise im Fußball, Tischtennis und Basketball am organisierten Spielbetrieb der Sportfachverbände teil. „Die bundesweite Fachtagung hat einmal mehr die Notwendigkeit einer systematischen und vernetzten Arbeit zur Entwicklung von Sport, Spiel und Bewegung für den Strafvollzug unter Beweis gestellt. Wir müssen das Medium Sport noch stärker in den Vollzugsalltag integrieren und uns über die reine Freizeitbeschäftigung hinaus auch für die verstärkte Einbindung von Sport in die Diagnose und Behandlung einsetzen“, betonte Jan Holze, der 1. Vorsitzende der dsj. „Dies erfordert die Bereitstellung der erforderlichen Ressourcen, um das Personal entsprechend zu qualifizieren und auch dafür freizustellen“, forderte Holze. 

Die dsj sieht sich als Impulsgeberin für die Weiterentwicklung der Sportangebote im Jugendstrafvollzug. Bereits 1970 bildete sie eine ad-hoc-Kommission „Resozialisierung“, die sich später zur Arbeitsgruppe „Sport im Jugendstrafvollzug“ transformierte. Nach dem Bundestag des Deutschen Sportbundes 1972 in Berlin fand schließlich eine Öffnung nach dem Motto „Sport für Alle“ – auch für sozial Benachteiligte – statt. Mit den bundesweiten Fachtagungen und der Veröffentlichung themenbezogener Publikationen konnte so über Jahrzehnte hinweg der Dialog zwischen Sport und Justiz aufrechterhalten werden.

Perspektive für die Zeit nach der Haft

Der Deutsche Fußball-Bund engagiert sich seit dem Jahr 1977 mit seiner Sepp-Herberger-Stiftung im Bereich der Resozialisierung von Strafgefangenen. „Weltmeister-Trainer Sepp Herberger startete mit seinem Besuch in der JVA Bruchsal im Dezember 1970 selbst dieses Engagement und verfügte, dass sich die Stiftung in diesem Kontext engagiert“, berichtete Stiftungsgeschäftsführer Tobias Wrzesinski. „Mit der Initiative ‚Anstoß für ein neues Leben‘ engagieren wir uns heute insbesondere im Jugendstrafvollzug“, so Wrzesinski weiter. 

Aktuell beteiligen sich 22 Justizeinrichtungen aus zehn Bundesländern an der gemeinsamen Aktion der Stiftung und der Bundesagentur für Arbeit. Im Doppelpass mit starken Partner*innen aus dem Justizbereich und den DFB-Landesverbänden wird ein Netzwerk gebildet, um mit den strafgefangenen Jugendlichen während der Inhaftierung eine Perspektive für die Zeit nach der Haft zu erarbeiten. 

Die europäische Fußballunion UEFA zeichnete Anfang September die Anstoß-Initiative als Europas bestes Breitenfußballprojekt aus. „Das vielfältige Engagement des DFB und seiner Sepp-Herberger-Stiftung im Bereich des Strafvollzugs ist europaweit einmalig. Ich würde mir wünschen, dass sich auch weitere UEFA-Mitgliedsverbände diesem leuchtenden Beispiel anschließen“, unterstrich UEFA-Mitarbeiterin Monica Namy in Malente.

Vize-Weltmeister Dremmler: "Sport kann nach der Inhaftierung eine wichtige Brücke sein"

Seit Jahrzehnten ist es gute Tradition, dass prominente Fußball-Persönlichkeiten sich im Sinne Herbergers für inhaftierte Menschen einsetzen. Die Fachtagung begleitete der 27-fache Nationalspieler und Vize-Weltmeister Wolfgang Dremmler, der sich als Botschafter und Kuratoriumsmitglied für Deutschlands älteste Fußball-Stiftung engagiert. „Wir sollten gerade die jugendlichen Straftäter im Lichte ihrer eigenen Lebensgeschichte betrachten und ihnen nach der Haftzeit eine zweite Chance geben“, so Dremmler.  „Dabei kann der Sport nach der Inhaftierung eine wichtige Brücke sein und dabei helfen, frühere Verhaltensmuster hinter sich zu lassen und vor allem in Sportvereinen Halt zu finden.“

Ein wesentlicher Schwerpunkt der Tagung war der Erfahrungsaustausch. Im Rahmen einer Projektbörse informierten sich die Teilnehmenden über aktuelle Entwicklungen. Welche Rolle spielen Trendsportarten? Welche Möglichkeiten eröffnet der virtuelle Sport? Wie kann der Sport beim Umgang mit traumatisierten Jugendlichen helfen? Diskutiert wurde anhand von Best-Practice-Beispielen auch die Durchführung von Schiedsrichter*innen- und Trainer*innen-Ausbildungen in Haftanstalten. Hier gibt es bundesweit gelungene Beispiele, die die integrative Kraft des Sports und das gelungene Miteinander zwischen Sport- und Justizeinrichtungen bestätigen. Zum Abschluss der Tagung erarbeiteten die Teilnehmenden Handlungsempfehlungen zur Qualitätsentwicklung der Sportangebote im Jugendstrafvollzug.  

(Quelle: dsj)


  • dsj-Voritzender Jan Holze (re.) zählte zu den interessierten Teilnehmern der Fachtagung. Foto: dsj
    dsj-Voritzender Jan Holze (re.) zählte zu den interessierten Teilnehmern der Fachtagung. Foto: dsj