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„Vom Muskelkater hatten viele Teilnehmerinnen noch nie gehört“
DOSB-Netzwerkprojekt „Bewegung und Gesundheit – mehr Migrantinnen in den Sport“: Vier Fragen an Carola Mertens, Referentin beim LSV Baden-Württemberg.
DOSB PRESSE: Drei Kurse im Rahmen des DOSB-Projekts sind in Ihrem Einzugsbereich bereits zu Ende gegangen. Wie fällt das erste Fazit aus?
CAROLA MERTENS: Was die abgelaufenen Kurse betrifft, so ist die Bilanz etwas gemischt. Für den Fitnesskurs bei der Sport- und Kulturgemeinschaft Gablenberg hatten sich sechs Frauen angemeldet. Tatsächlich waren jeweils nur ein, zwei von ihnen in der Trainingshalle erschienen, so dass wir wegen der geringen Beteiligung auf ein Zusatzangebot aus dem Gesundheits- oder Bildungsbereich verzichtet haben, wie es normalerweise bei diesem DOSB-Projekt dazu gehört. Nicht ganz so glücklich war ich ebenfalls mit dem Gymmix-Kurs beim Turnerbund Cannstatt, an dem zwar im Durchschnitt ein halbes Dutzend Frauen teilgenommen haben. Dort fehlte mir etwas die Konstanz. Der Kreis der Teilnehmerinnen war zu wechselhaft und nicht stabil. Die Kunst ist wahrscheinlich, ein sportliches Angebot optimal mit einem Zusatzangebot zu kombinieren, wie es bei dem Aquafitness-Kurs in Verbindung mit „Mama lernt Deutsch“ der Fall war. Dort waren 41 Frauen angemeldet, pro Angebot waren hier zwischen 20 und 25 Frauen anwesend. In der Hauptsache waren es Frauen aus der Türkei, aus Marokko und aus Pakistan. Gerade für Frauen aus muslimischen Familien ist dieses Angebot in Stuttgart neben unserem Angebot in Untertürkheim die einzige Möglichkeit, um baden zu gehen.
DOSB PRESSE: Vor diesem Hintergrund wäre es umso wichtiger, dass so ein Angebot weitergeführt werden könnte.
MERTENS: Deswegen hatten wir uns sofort um eine Weiterführung des ersten Kurses bemüht. Weil die Frauen im ersten Kurs immer ihre Kinder mitbrachten, weil sie keine adäquate Kinderbetreuung gefunden haben, wurde das Angebot etwas modifiziert. Wir bieten jetzt ein Angebot an, bei dem die Mütter gemeinsam mit ihren Kindern schwimmen können. Dieses Angebot ist bisher einzigartig in Stuttgart, da das Angebot in Untertürkheim erst ab 16 Jahren ist. An diesem Angebot nehmen insgesamt 25 Teilnehmerinnen teil – genug, dass das kleine Lehrschwimmbecken aus allen Nähten platzt. Im Rahmen des DOSB-Projektes läuft dieses Angebot noch bis zu den Weihnachtsferien, anschließend soll es beim Turnerbund Cannstatt als reguläres Vereinsangebot weitergeführt werden. Wir hoffen, dass möglichst viele der Teilnehmerinnen dann Mitglied werden und dieser Abteilung die Treue halten. (Anmerkung: Nicht nur in dieser Abteilung: Wir erklären den Migrantinnen auch, dass – sobald sie und ihre Kinder Vereinsmitglieder sind – sie alle Vereinsangebote von Mutter-Kind-Turnen über Fußball bis hin zu speziellen Frauengymnastikkursen ohne zusätzliche Gebühren nutzen können). Genau das ist ja die Idee des Projektes: Über gezielte Angebote die Migrantinnen zunächst an den Sport heranzuführen und anschließend zu versuchen, sie in die Vereine zu integrieren. Ähnlich verhält es sich beim Turnerbund Untertürkheim, wo wir beim Anfängerschwimmen 90 Frauen auf der Warteliste haben. Pro Übungseinheit nehmen, kombiniert mit einer anschließenden Gesundheitsberatung von der Ärztlichen Gesellschaft zur Gesundheitsförderung der Frau direkt im Hallenbad, 30 Frauen teil, hauptsächlich Musliminnen aus dem Libanon, aus Tunesien, Jordanien, Syrien, dem Irak oder Ägypten, aber auch Frauen aus Griechenland, Thailand, China oder Russland. Im einzigen Hallenbad vor Ort konnten wir jetzt Schwimmzeiten ergattern, um diesen Kurs über sein Ende am 17. Dezember zunächst bis Mai weiterzuführen. Anschließend hoffen wir auf eine Fortsetzung, wobei wir noch klären müssen, ob die Finanzierung dann über die Kommune, den Verein oder vielleicht über den Sportkreis möglich ist.
DOSB PRESSE: Wie sieht es in den anderen acht Kursen aus, die bei Ihnen aktuell innerhalb des Projektes „Mehr Migrantinnen in den Sport“ stattfinden?
CAROLA MERTENS: Diese Kurse laufen alle gut. Daran nehmen insgesamt etwa 200 Frauen und Mädchen teil und noch weit mehr hatten sich angemeldet oder stehen – wie gesagt—beim Schwimmen sogar auf einer Warteliste. Sehr erfolgreich ist zum Beispiel das Angebot Fitness & Tanz des MTV Stuttgart. Dabei trainieren knapp 20 Frauen gemeinsam mit bis zu zehn Kindern. Erst gibt es 45 Minuten Informationen rund um den Computer, dann gehen alle gemeinsam in die Turnhalle und bewegen sich eine Stunde lang. Bei einigen Einheiten, die ich dort selbst gegeben oder besucht habe, merkte man sehr deutlich, dass die Frauen in diesem Rahmen das erste Mal mit dem Sport in Kontakt kamen. Die meisten Teilnehmerinnen hatten sich vorher noch nie bewegt und manche fragen dann schon mal, was das für Schmerzen sind, die sie da verspüren. Vom Muskelkater hatten viele der Teilnehmerinnen zuvor noch nie etwas gehört.
DOSB PRESSE: Was gab den Ausschlag, dass der Landessportverband Baden-Württemberg als Partner des DOSB das Projekt in Kooperation mit dem Sportkreis Stuttgart und dem dort angesiedelten Programm Gemeinschaftserlebnis Sport umsetzt?
CAROLA MERTENS: Das liegt wohl in erster Linie darin, dass der Sportkreis Stuttgart mit seinem Programm „Gemeinschaftserlebnis Sport“ schon reichlich Erfahrung gesammelt hat, die nun in das DOSB-Projekt einfließen können. Das Gemeinschaftserlebnis Sport ist schon seit 14 Jahren an der Schnittstelle Sport und Soziales aktiv und bietet dort Kindern und Jugendlichen vor allem mit Migrationshintergrund offene Sportprojekt außerhalb der Vereine an. Entsprechend gab es hier für das Projekt `Bewegung und Gesundheit – mehr Migrantinnen in den Sport´ in der ganz praktischen Arbeit schon Anknüpfungspunkte und ein gut funktionierendes Netzwerk.
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