Vorsitzender der Medizinischen Kommission des IOC in der Nordischen Botschaft

Weltweit wird im Spitzensport trotz der Fortschritte im Dopingkontrollsystem weiterhin unentdeckbar betrügerisch manipuliert. Das erklärte der Vorsitzende der Medizinischen Kommission des IOC, Prof. Arne Ljungqvist aus Schweden.

Der Vorsitzende der Medizinischen Kommission des IOC, Prof. Arne Ljungqvist. Copyright: picture-alliance
Der Vorsitzende der Medizinischen Kommission des IOC, Prof. Arne Ljungqvist. Copyright: picture-alliance

„Ich bin doch nicht naiv, dass ich davor die Augen verschließe“, sagte der 76 Jahre alte Sportmediziner und langjährige Vizepräsident des Internationalen Leichtathletik-Verbandes IAAF auf einem Diskussionsforum in den Nordischen Botschaften in Berlin. „Sehr viele Top-Athleten wenden ganz gezielt Dopingpräparate an. Das wissenschaftliche Umfeld der kriminellen Dopingszene hat hochentwickelte, raffinierte Programme entwickelt.“ 

Das IOC und die internationalen Fachverbände seien für die Wettkampfkontrollen bei den Olympischen Spielen in Peking „gut vorbereitet“, erläuterte Ljungqvist. Vorgesehen seien 3.770 Urinkontrollen und 735 Blutproben. Dennoch gebe es bei den „unüberschaubaren Dopinganwendungen“ geschlossene Kontrollfenster. So vereitelten Maskierungsmittel die Betrugsaufdeckung. Das Wachstumshormon HGH sowie Hämoglobin-, Insulin- und Gendoping seien noch undetektierbar. Ljungqvist: „Weltweit gibt es eine systematische Pro-Dopingforschung in Kleinstlabors, die den internationalen Sport vor große Probleme stellt.“ 

Der Sportmediziner, der als Aktiver 1952 am Hochsprung-Finale der Olympischen Spiele in Helsinki teilgenommen hatte, warnte vor den Risiken des potentiellen Gendopings. „Wir wissen, dass Athleten bereit sind, diese gesundheitlichen Risiken einzugehen.“ Die Anwendungsforschung für medizinisch indizierte Gentherapien sei allerdings über Tierversuche noch nicht hinaus. Ein Testprogramm für das Dopingkontrollsystem habe die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA), deren Vizepräsident Ljungqvist seit Januar 2008 ist, bisher nicht entwickeln können: „Wissenschaft funktioniert nun einmal nicht so, dass man ihr vorgeben kann: Bis Freitag ist ein umfassendes Detektierprogramm vorzulegen.“ 

„Das Dopingproblem mit seinen internationalen Vernetzungen kann der Sport nicht allein lösen“, erklärte Ljungqvist. „Wir brauchen in allen Ländern staatliche Rechtsnormen, die Polizei und Behörden Befugnisse im Kampf gegen diese Kriminalitätsform geben.“ Daneben seien staatliche Institutionen aufgerufen, die Produktion von Arzneimitteln zu regulieren und zu überwachen. Pharmazeutische Betriebe sollten bei Entwicklung neuer Medikamente zur Heilung von Krankheiten den möglichen Missbrauchscharakter im Sport offen legen, forderte er. 

Ljungqvist war auf Einladung der Nordischen Botschaften nach Berlin gekommen. Bei der Veranstaltung „No Limit – Doping im olympischen Jahr der Ratte“ stellte die Berliner Literaturwissenschaftlerin und ehemalige Sprint-Weltrekordlerin Ines Geipel ihr neues Buch „Wie viel Doping verträgt die Gesellschaft“ vor. Die schwedische Botschafterin nahm an dem Forum teil.


  • Der Vorsitzende der Medizinischen Kommission des IOC, Prof. Arne Ljungqvist. Copyright: picture-alliance
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