"Der Sport und die Demokratie"

Thomas Weikert, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), stellt die Demokratie in den Mittelpunkt seiner Rede im Rahmen des Parlamentarischen Abends des Sports in Berlin.

DOSB-Präsident Thomas Weikert während seiner Rede auf dem Parlamentarischen Abend des DOSB in Berlin. Foto: picture alliance / DOSB
DOSB-Präsident Thomas Weikert während seiner Rede auf dem Parlamentarischen Abend des DOSB in Berlin. Foto: picture alliance / DOSB

Sehr geehrte Damen und Herren, Liebe Frau Göring-Eckhardt, liebe Frau Özoguz, sie als Vize-Präsidentinnen des Deutschen Bundestags bei uns zu haben, ist eine besondere Freude.

Ministerinnen und Minister, Staatssekretärinnen und Staatssekretäre aus Bund und Ländern, Abgeordnete des Deutschen Bundestags, Abgeordnete der Landtage, Vertreterinnen und Vertreter des Sports, der Wirtschaft und der Medien. Liebe Athletinnen und Athleten, werte Sportfreunde, ich begrüße Sie alle ganz herzlich zu unserem Parlamentarischen Abend des DOSB 2024, in einem besonderen Jahr für den Sport und für unsere Demokratie.

Was haben wir uns da nur vorgenommen. Demokratie und Sport. Zwei Wörter, über die es seit mehr als 2000 Jahren unzählige Schriften gibt. Von bedeutenderen Menschen als ich es bin. Und nun habe ich 10 Minuten. Machen wir es zeitgemäß. Geben wir der Demokratie ein Gesicht. Und nennen sie nach einem ihrer frühen antiken Förderer - Solon. Und den Sport, den nennen wir - Passion. Beide sind ein Paar.

Sie sind wie die meisten Paare. Ihre Grundüberzeugungen gleichen sich, aber es gibt auch Meinungsverschiedenheiten. Beide leben gerne in Deutschland, wissen zum Beispiel die Meinungsfreiheit sehr zu schätzen. Die soziale Sicherheit. Unseren Rechtsstaat. Die vielen Vereine. Die vielen Ehrenamtlichen. Und vieles, vieles mehr. Solon ist ein wenig träge. Passion ist gesellig. Alles in allem ergänzen sie sich gut.

Sagt zum Beispiel jemand: „also, ich finde weder Karikaturen vom Propheten Mohammed noch von Jesus Christus gut.“ Dann sagt Solon: „Muss man aber tolerieren. So ist das nun mal in einer freien Gesellschaft. Art. 5 Grundgesetz. Kunstfreiheit.“ Dann sagt Passion: „Naja, Solon, dann komm mal mit zu mir in die Fußballmannschaft und sag das meinen Kollegen ins Gesicht.“ „Auch wieder wahr“, entgegnet Solon.

So ist das eben in der Wirklichkeit. Das eine ist die Theorie, das andere die Praxis. Da steht was geschrieben, schwarz auf weiß. Und trotzdem ist die Antwort auf manche Fragen nicht gewiss. Weil Menschen nun mal nicht einheitlich sind. Weil menschliches Leben Vielfalt bedeutet. Da muss man sich nur mal unsere 27 Millionen Mitglieder in rund 87.000 Sportvereinen vergegenwärtigen. Oder , meine Damen und Herren, gucken Sie sich Ihre Sitznachbarn an. Wir sehen schon unterschiedlich aus – oder? Könnten aber noch deutlich unterschiedlicher aussehen. Und denken auch anders. Zum Glück.

Es wäre befremdlich, wenn alle die gleiche Ansicht hätten oder haben müssten. Dann könnte sich eine Gesellschaft nicht entwickeln – dann wäre sie so gut wie tot. Wäre doch schlimm, wenn alle die gleiche Partei wählen würden, oder? Dann gäbe es nur eine Partei. Und es wäre schlimm, wenn alle Anhänger ein- und desselben Fußball-, Volleyball-, oder Rugby-Vereins wären. Dann gäbe es jeweils nur einen Verein. Es lebe die Vielfalt, liebe Anwesende!

Ohne gemeinsame Grundüberzeugungen geht es aber auch nicht. Wenn wir nicht gleiche Vorstellungen von Fairness hätten, dann wären auch Gesetze hilflos. Weil Gesetze von einer freien Gesellschaft getragen werden müssen. Die Frage was war zuerst, die Henne oder das Ei, lässt sich immer noch nicht beantworten. Klar ist dagegen, dass es nicht zuerst den Begriff Demokratie gab. Sondern erst das Gefühl dafür, dass alle Menschen die gleichen Rechte haben sollen. Gut so. Aber ein Selbstläufer ist das nicht. Viele von ihnen dürften

vom Fußball-Kreisoberligisten Eintracht Gladau gehört haben. Die anderen hören es jetzt. Der Fußballverband Sachsen-Anhalt hatte ihn vom Spielbetrieb ausgeschlossen. Weil sich rechtsextreme Strukturen um einen bekannten Neonazi gebildet hätten. Das Gericht des Fußball-Landesverbandes urteilte allerdings anders. Eintracht Gladau darf wieder spielen. Es habe keine Beweise gegeben, führte der Richter aus. Die bloße Gesinnung von Spielern sei nicht entscheidend für einen Ausschluss. Solon sagt dazu: „Dann ist ja alles klar. Ein fairer Prozess. Keine Beweise. Freispruch, natürlich. So ist das in einem Rechtsstaat.“ „Ja“, sagt Passion , zögerlich. „Natürlich. Aber ist es damit getan? Heißt das, alles läuft weiter wie bisher? Müssen wir nicht weiterhin ein Auge auf diesen Verein werfen? Und auf andere auch? Und wer macht das? Du?“ Nein, natürlich wirft die Demokratie keinen Blick auf sowas. Das müssen schon wir Bürgerinnen und Bürger machen. Hinsehen. Einschreiten. Sich als Zeuge melden. Und vor Gericht aussagen, ohne sich einschüchtern zu lassen. Wir alle sind gefragt.

So wie wir alle gefragt sind, Flagge zu zeigen, für die Werte unserer Gesellschaft, für ein gleichberechtigtes Miteinander. So wie es der TTC Förste macht. Ein Tischtennisverein in Niedersachsen. Der Verein verzichtet auf Trikotsponsoring. Zugunsten eines Slogans, der lautet: „Nicht in meinem Namen. Wir gegen Rassismus“. Diese Aktion wurde belohnt durch den 4. Platz beim Bundesentscheid „Sterne des Sports“. Es handelt sich dabei um die bedeutendste Auszeichnung für das gesellschaftliche Engagement von Sportvereinen in unserem Land. Ausgerichtet durch unseren Deutschen Olympischen Sportbund.

Mir ist das eine Herzensangelegenheit. Denn es bringt die Menschen in Vereinen dazu, zu überlegen: Was kann ich selber tun? Dafür gibt es ein kleines Preisgeld. Und das finde ich gut so. Ich halte es mit dem Spruch: „Tue Gutes und profitiere selbst davon.“ Dass sollte auch beim Ehrenamt stärker gelten. Wo sich Menschen engagieren, um zum Beispiel bei Jugendspielen zu schiedsrichtern. Das ist eine verdammt anspruchsvolle und zugleich sehr wichtige gesellschaftliche Aufgabe. Die für Fairness, Anstand und gleiche Maßstäbe für alle sorgt.

Ich bin daher dafür, die Pauschalen für Ehrenamtliche regelmäßig anzuheben. Und halte es auch für eine gute Idee, dafür Rentenpunkte zu vergeben. Denn wir brauchen dieses Engagement. Wir können gar nicht genug davon bekommen. Und deshalb sollten wir es fördern. So gilt es im Haushalt des BMFSFJ den Bereich „Jugend und Sport“ im Kinder- und Jugendplan des Bundes besser auszustatten und die Freiwilligendienste brauchen dringend die überjährige Planungssicherheit, die auch für 2025 wieder nicht gegeben ist. 

In einer Rede beklagte der ehemalige Bundespräsident Johannes Rau 2004, dass wir in Deutschland so wenig Vertrauen in unser eigenes Land setzen. Dass wir ständig rumnörgeln, uns schlecht machen. Erstaunlich. Zwei Jahre später war das Sommermärchen der Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland. Da waren wir im kollektiven Freudentaumel, stolz auf uns, und dass obwohl wir nicht mal Weltmeister geworden sind.

Wenn ich darüber nachdenke, scheint die Rede erst jetzt, 20 Jahre später, so richtig zuzutreffen. Aber worauf ich hinauswill ist Folgendes: Vertrauen ist keine Einbahnstraße. Es ist ja richtig, dass wir Bürgerinnen und Bürger unserem Land vertrauen sollten, der Verwaltung, den Gerichten, und meistens, auch der Regierung. Aber auch diese Institutionen müssen den Bürgerinnen und Bürgern vertrauen.

Passion sagt dazu: „Stimmt. Wo Du’s sagst. Daher die viele Bürokratie. Die Kontrolle. Die Gängelei. Man vertraut uns nicht. Auch bei uns im Sport.“

Angesichts der Herausforderungen vor denen wir als Gesellschaft stehen und für deren Bewältigung wir die positiven Kräfte des Sports und der gesamten Zivilgesellschaft dringend nötig haben, ist das mindestens unklug. Ein paternalistisches Staatsverständnis von Politik und Verwaltung gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern, auch gegenüber dem Sport, ist sogar ein Irrweg. Vielmehr sollten sich Politik und Verwaltung als Ermöglicher verstehen und dieser Funktion auch in der Aufstellung der öffentlichen Haushalte nachkommen!  

„Und jetzt noch mal Butter bei de Fische“, fordert Passion. „Olympia steht vor der Tür. Das Fest der Völkerverständigung. Dennoch mehren sich rassistische Vorfälle. „Genau“, assistiert Solon: „Was macht denn der DOSB ganz konkret?“ Kann ich Euch sagen und wir haben da eine klare Haltung: So laden wir keine Abgeordneten der AfD zu unseren Veranstaltungen ein. Deren Vorstellung von Gesellschaft und Sport widersprechen zu fundamental unseren Werten. In aller Konsequenz stellen wir ihnen auch keine Akkreditierung für die Olympischen Spiele oder das Deutsche Haus in Paris zur Verfügung.

Und da ist zum Anderen unsere Zusammenarbeit mit der Generalstaatsanwaltschaft Hessen beim Thema Hate-Speech. Es geht darum, besser zu erfassen, welche Äußerungen, welche Taten sind strafbar. Wir wollen zum einen unser eigenes Bewusstsein schärfen. Und setzen zudem auf Abschreckung. Und wir werden die Athletinnen und Athleten von Team D in Paris vor Hasspostings schützen. Dank Künstlicher Intelligenz können wir bestimmte Posts herausfiltern. Die kommen dann erst gar nicht bei denen an, für die sie gedacht sind. Bei den Strafverfolgungsbehörden aber schon. Die können diese Postings als Beweismittel sichern. Das ist nicht zu unterschätzen. Denn es kommt auch auf die mentale Gesundheit an. Und Hass und Hetze schaden der Gesundheit.

In diesem Sinne möchte ich uns alle ermuntern, darauf zu hören, was uns der Sport sagt. Und auf dieser Basis starten wir hier, heute Abend, eine Kommunikations-Kampagne als Beitrag zum Schutz unserer Lebenswelt:

  • Dass niemand von uns ohne die anderen kann.
  • Dass wir im Teamsport nicht allein unsere Ziele erreichen können.
  • Dass wir in Einzelwettbewerben auf unsere Konkurrenten angewiesen sind, ohne die es keinen Wettbewerb gäbe.
  • Dass wir das Publikum brauchen, das uns anspornt.
  • Dass wir diejenigen brauchen, die Regeln durchsetzen, die von Menschlichkeit durchdrungen sind.
  • Dass jede und jeder von uns gleiche Rechte hat.

Und um das zu leben, liebe Anwesende, brauchen wir beide.

Den Sport und die Demokratie. 

(Quelle: DOSB – es gilt das gesprochene Wort)

 

 

 


  • DOSB-Präsident Thomas Weikert während seiner Rede auf dem Parlamentarischen Abend des DOSB in Berlin. Foto: picture alliance / DOSB
    DOSB-Präsident Thomas Weikert während seiner Rede auf dem Parlamentarischen Abend des DOSB in Berlin. Foto: picture alliance / DOSB
  • DOSB-Präsident Thomas Weikert am Rednerpult. Foto: picture alliance / DOSB
    DOSB-Präsident Thomas Weikert am Rednerpult. Foto: picture alliance / DOSB
  • DOSB-Präsident Thomas Weikert (rechts) mit der Vize-Präsidentin des deutschen Bundestages, Katrin Göring-Eckardt. Foto: picture alliance / DOSB
    DOSB-Präsident Thomas Weikert (rechts) mit der Vize-Präsidentin des deutschen Bundestages, Katrin Göring-Eckardt. Foto: picture alliance / DOSB