Der Stillstand der deutschen Sportinfrastruktur

Für eine nachhaltige Sportstättenentwicklung braucht es gut ausgestattete und langfristig angelegte Sportstättenförder- und Investitionsprogramme.

Der Sanierungsbedarf von Sportstätten in Deutschland beträgt mindestens 31 Milliarden Euro. Foto: LSB NRW
Der Sanierungsbedarf von Sportstätten in Deutschland beträgt mindestens 31 Milliarden Euro. Foto: LSB NRW

Lebendige Zentren, sozialer Zusammenhalt, Wachstum und nachhaltige Erneuerung - am 4. Mai 2024 fand der Tag der Städtebauförderung statt. An diesem Tag sollen Städte und Gemeinden auf ihre gewinnbringenden Projekte und Erfolge im Rahmen der Städtebauförderung aufmerksam machen. Aber was macht attraktive Quartiere, Städte und Gemeinden aus? Ganz klar müssen sich Menschen an ihrem Wohnort wohl fühlen. Und hierbei spielt der Sport eine ganz entscheidende Rolle und somit auch die hierfür notwendige Sportinfrastruktur. Sport in der Stadt fördert Gesundheit, Wohlbefinden, Gemeinschaft und Integration, leistet hervorragende Jugendarbeit, prägt das Stadtbild und die Identität und hat zuletzt einen wirtschaftlichen Einfluss. Insgesamt spielt Sport eine entscheidende Rolle im sozialen, kulturellen, wirtschaftlichen und gesundheitlichen Leben von Städten und Gemeinden und ihren Bewohner*innen. 

Aber wie steht es eigentlich um die Sportinfrastruktur in Deutschland? Sie befindet sich in einem alarmierenden Zustand, der (seit Jahren) dringendes Handeln erfordert. Der Sanierungsbedarf von Sportstätten in Deutschland beträgt mindestens 31 Milliarden Euro. In besonderer Weise sind Sporthallen und Bäder vom dramatischen Investitionsstau betroffen. Darüber hinaus sind weitere handlungsleitende Themenschwerpunkte der Klimaschutz und -anpassung von zukünftigen Sportstätten. Auf den Punkt gebracht: Viele Sportstätten sind marode, sanierungsbedürftig und nicht barrierefrei. Diese Situation ist besorgniserregend, da viele Sportstätten auf dem Stand von vor (über) 50 Jahren sind. 

Dieses Problem adressierte der damalige Innenminister Horst Seehofer bei der Mitgliederversammlung des DOSB im Jahr 2019. Er stellte Überlegungen zu einem möglichen „Goldenen Plan“ für Sportstätten vor. Wenig später setzte die Corona-Pandemie die Bundesrepublik lahm und somit erhielt auch diese erfolgsversprechende Idee einen K.o.-Schlag.  

Um auf diesen Missstand aufmerksam zu machen und endlich eine Verbesserung der Situation herbeizuführen, wurde der erste Deutsche Sportstättentag im Jahr 2021 ausgerichtet Diese Initiative wurde durch den Deutschen Olympischen Sportbund, den Deutschen Städtetag, den Deutschen Städte- und Gemeindebund, dem Bundesinstitut für Sportwissenschaft sowie der IAKS Deutschland ins Leben gerufen. Seitdem wurde gemeinsam in einer Allianz unterschiedlicher Interessensgruppen für eine Verbesserung der Sportinfrastruktur gekämpft - aber die Umsetzung seitens der Politik bleibt hinter den konkret gestellten Forderungen zurück.  

Im Frühjahr 2022 verschlimmerte sich die Situation aufgrund der Energiekrise und die Energiepreise stiegen an. Darüber hinaus erschwerte die extrem hohe Inflation in allen Bereichen der Gesellschaft die Situation. Diese Preissteigerung ist auch im Bausektor deutlich zu spüren. Erschwerend kommt der vorherrschende Fachkräftemangel hinzu. Perspektivisch ist nur die Dekarbonisierung der Sportstätteninfrastruktur eine Lösung aus dieser „Abwärtsspirale“. Dies ist nicht nur aus Kostengründen relevant, sondern auch um die ambitionierten Klimaschutzziele der Bundesregierung und der EU einhalten zu können. Dies alles hört sich leichter an als getan. Wo drückt also nun der (Turn-)Schuh?   

Der besondere gesellschaftliche Stellenwert des Sports muss angesichts der wachsenden mannigfaltigen Herausforderungen unserer Zeit in der bundesweiten Sportpolitik seinen Ausdruck finden. Auch wenn die verfassungsmäßige Zuständigkeit, z.B. bei der Sportstättenförderung, bei den Ländern liegt, ist der Bund hier in der Verantwortung. Sport muss von der Bundes- und Landespolitik horizontal wie vertikal als Querschnittsaufgabe verstanden werden. Dies wirft die Frage auf, wie viel der Sport und seine Bedeutung für die Gesellschaft der Bundesregierung wirklich wert sind?! 

Im aktuellen Koalitionsvertrag „Mehr Fortschritt wagen“ wurde durch das Vorhaben einen „Entwicklungsplan Sport“ zu erarbeiten und die ReStart-Kampagne positive Signale gesetzt. Die Ereignisse überschlugen sich als das Bundesverfassungsgericht im Herbst 2023 eine Haushaltssperre verhängte, die zu massiven Kürzungen in vielen Bereichen führte. Natürlich wieder einmal einschließlich des Sports - immer wieder das gleiche Spiel. Das Bundesförderprogramm „Sanierung kommunaler Einrichtungen in den Bereichen Sport, Jugend und Kultur (SJK)" war sogar von der Einstellung bedroht, wurde jedoch schließlich mit einem Budget von 200 Millionen Euro für den Haushalt 2024 ausgestattet. Und das obwohl im vergangenen Jahr etwa die doppelte Fördersumme eingestellt wurde. Ein noch schlimmeres Szenario traf Ende 2022 das Förderprogramm „Investitionspakt Sportstätten“, welches vorzeitig beendet wurde. Sportfreianlagen, wie z.B. Leichtathletikanlagen bzw. Fußballplätze sind aktuell sogar von Bundesfördermitteln komplett ausgeschlossen - unfassbar. Wie sollen sich nun also Bürger*innen in ihren Städten wohl fühlen, Kinder und Jugendliche die Chance bekommen, sich ausreichend zu bewegen, weg von der Couch und dem Fernseher zu kommen, wenn der Bund nicht einmal umfassende Förderprogramme für Sportinfrastruktur bereitstellt? 

Um es kurz zu machen: Für eine nachhaltige Sportstättenentwicklung braucht es gut ausgestattete und langfristig angelegte Sportstättenförder- und Investitionsprogramme. Und diese müssen natürlich ganzheitlich in der Stadtentwicklung integriert und mitberücksichtigt werden. 

Die letzten Monate haben gezeigt, dass vor allem Kürzungen im Bereich der Sportstättenentwicklung vorgenommen werden, jedoch seitens der Bundesregierung keine ernsthafte Verbesserung in Aussicht gestellt wird, diese prekäre Situation nachhaltig zu lösen. Auch wenn dies schwarz auf weiß im Koalitionsvertrag festgehalten wurde. 

Es bleibt abzuwarten, ob diese Versprechungen aus dem Koalitionsvertrag tatsächlich auch (noch) umgesetzt werden oder es doch nur wieder bei Lippenbekenntnissen bleibt. Angesichts dieser Entwicklungen war der 2. Deutsche Sportstättentag Ende Oktober 2023 ein weiterer Schritt, um auf die dringende Notwendigkeit einer Sportstättenentwicklung aufmerksam zu machen. Die hier geführte Diskussion der Teilnehmenden machte nochmals deutlich, dass Sportstätten zwingend nachhaltig weiterentwickelt werden müssen, um einen zukünftigen Sportbetrieb sicherzustellen und darüber hinaus die Stadtentwicklung weiterzuentwickeln. 

Der gemeinsame Apell lautet: Mit finanziellen Ressourcen dem Stillstand der deutschen Sportinfrastruktur ein Ende bereiten. 

(Autor*innen: Christian Siegel, Ressortleiter „Sportstätten und Umwelt“  und Maike Weitzmann, Referentin „Sportstätten und Umwelt“)


  • Der Sanierungsbedarf von Sportstätten in Deutschland beträgt mindestens 31 Milliarden Euro. Foto: LSB NRW
    Marode Sporthalle Foto: LSB NRW