170 deutsche Behindertensportler gehen in Peking an den Start
Der Deutsche Behindertensportverband (DBS) hat sich in den letzten Monaten neu aufgestellt und nunmehr seine Umorganisationsmaßnahmen erfolgreich abschließen können.

27.06.2008

Das erklärte DBS-Präsident Karl Hermann Haack vor dem Sportausschuss des Deutschen Bundestages. „Mit Offenheit sind wir alle Probleme angegangen, die uns schwer zugesetzt haben. Wir wollten vermeiden, dass wir in eine ähnliche Talfahrt wie UNICEF Deutschland kommen. Das ist uns gelungen.“ Haack bedankte sich bei den Unterstützern des Reorganisierungskurses, vor allem bei den Sportpolitikern des Bundestages. Ohne deren tatkräftige Unterstützung hätte die neue Weichenstellung nicht in diesem Umfang vollzogen werden können, sagte er.
Haack stellte fest, dass die Gesamtmitgliederzahl des DBS erstmals seit Gründung im Jahr 1951 über die 400.000-Grenze gestiegen sei. Die statistischen Fakten sprächen für sich: Der Zuwachs von 36.407 neuen Mitgliedern – was ein Plus von 9,6 Prozent bedeutet – stelle einen neuen Rekord dar. 414.000 Mitglieder seien nunmehr in insgesamt 4.700 Vereinen und Behinderten-sportgemeinschaften organisiert.
Haack, Vizepräsident Dr. Karl Quade und Sportdirektor Frank-Thomas Hartleb waren in den Ausschuss gekommen, um das Paralympics-Projekt Peking vorzustellen. „Schwerpunkt unser Zielsetzung ist, dass wir die Leistungsfähigkeit von Menschen mit Behinderung demonstrieren wollen“, erläuterte Haack. „Es geht uns dabei um sportliche Leistungsfähigkeit und um soziale Kompetenz. Unsere Paralympics-Starter haben eine Vorbildfunktion für Menschen mit und ohne Behinderung. Überhaupt: Mit dem Sport gelingt die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.“
Rudern erstmals bei den Paralympics
170 deutsche Behindertensportler werden an den Paralympischen Spielen in Peking vom 6. bis 17. September teilnehmen. Das kündigte Vizepräsident Dr. Karl Quade in seinem Vortrag an. Die Nominierungskommission des Nationalen Paralympischen Komitees für Deutschland bestätigte inzwischen am 22. Juni in Hamburg die Mannschaftsstärke mit 103 Männern und 67 Frauen. Komplettiert wird das deutsche Team mit 104 Funktionsbegleitern, das sind Trainer, Ärzte und Betreuer. Insgesamt werden an den 13. Paralympischen Spielen voraussichtlich etwa 4.000 Aktive aus 150 Nationen an den Start gehen; hinzu kommen noch 2.000 Offizielle. Dabei stehen 20 Sportarten (erstmalig Rudern) mit 472 Entscheidungen auf dem Programm. 1.000 Dopingkontrollen sind in Peking geplant.
Für das deutsche Paralympics-Projekt steht ein Etat von 1,8 Millionen Euro zur Verfügung.
Dr. Quade: „Wir wollen die gute Entwicklung der Gesamtleistung von Athen fortsetzen.“ In Sydney 2000 hatte die deutsche Mannschaft noch Platz zehn der inoffiziellen Länderwertung belegt, vier Jahre später in Athen wurde Rang acht bilanziert. Langfristiges Ziel sei die Etablierung unter den Spitzennationen wie China, Großbritannien, USA, Australien und Ukraine.
88 Stunden Paralympics im öffentlich-rechtlichen Fernsehen
Dr. Quade, der als Chef de Mission deutscher Delegationsleiter sein wird, wies darauf hin, dass der deutsche Verband derzeit beim Internationalen Paralympischen Komitee (IPC) klären lasse, welche Abgrenzungen es zwischen Meinungsfreiheit einerseits und politischer Propaganda und Demonstration gebe. Geklärt werden solle dabei auch, ob Behindertensportler in den Wettkampfstätten Armbänder mit einer Menschenrechts-Positionierung tragen dürfen. „Es ist schwierig für einen Sportverband, zu dieser Thematik klar Stellung zu beziehen. Für Athleten wird es allerdings keinerlei Maulkorb geben. Wir möchten allerdings wissen, was erlaubt ist, damit wir in keine Falle tappen.“
Der Sportausschuss begrüßte Dr. Quades Mitteilung, dass die deutschen öffentlich-rechtlichen Fernsehkanäle von den Paralympics-Entscheidungen 88 Stunden übertragen wollen – sowohl in den frei empfangbaren Vollprogrammen als auch über die digitalen Kanäle. Vor vier Jahren noch hatten ARD und ZDF lediglich zehn Stunden Sendezeit von den Wettkämpfen in Athen eingeräumt.
Gastgeber China werde bei den 13. Paralympics wohl eindeutig dominieren, lautete die Einschätzung des Chefs de Mission: „Die Chinesen haben schon vor sieben Jahren mit der zielgerichteten Vorbereitung auf dieses internationale Sportereignis begonnen. Rekrutiert wurden mit einer zentral gesteuerten Selektion die besten Behindertensportler der Volksrepublik. Mit solchen Dimensionen können wir natürlich nicht mithalten.“ Im Reich der Mitte mit seinen 1,3 Millionen Einwohnern gebe es insgesamt 80 Millionen Behinderte.
Bundespräsident besucht die Sportler
Bundespräsident Dr. Horst Köhler habe seinen Besuch für den Zeitraum 6. bis 8. September konkret zugesagt, hieß es weiter. Eine Delegation des Sportausschusses werde wie gehabt anreisen. Die Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, Dr. Karin Evers-Meyer (SPD), und der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Dr. Christoph Bergner (CDU), seien weitere Ehrengäste. Die Einrichtung eines Paralympischen Clubs in Peking, tägliche Pressekonferenzen und die Herausgabe einer „Paralympics Zeitung“, die Schüler aus Berlin und Peking in Kooperation mit der Qualitätszeitung „Der Tagesspiegel“ produzieren werden, wurden als Projekte der Öffentlichkeitsarbeit vorgestellt.
Als Favoriten bezeichnete Dr. Quade die Basketball-Mannschaft der Damen, die bei der letzten WM 2006 die Bronzemedaille gewann, sowie Schwimmerin Kirsten Bruhn vom PSV Neumünster: 2004 sicherte sie sich je einmal Gold und Bronze und zweimal Silber und könnte diesmal durchaus fünf Medaillen gewinnen. Im Radsport sind Michael Teuber und Andrea Eskau hochfavorisiert, im Schießen will Manuela Schmermund an die Erfolge von Athen (je einmal Gold und Bronze) anschließen, während der weltbeste Behindertensegler Heiko Kröger aus Kiel ebenfalls starke Medaillenchancen hat.