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„Auf solidere Füße gestellt“ - Dr. Peter Spitzenpfeil im Interview

Die Reform gibt dem Deutschen Sportabzeichen eine klare Struktur und macht es transparent und nachvollziehbar.

DOSB Redaktion
DOSB Redaktion

23.05.2012

Das Deutsche Sportabzeichen wird 2013 einhundert Jahre alt. Im Jubiläumsjahr präsentiert sich der Deutsche Sportorden im frischen Gewand und in reformierter Form. Den umfassenden Entwicklungsprozess begleiten der Sportwissenschaftler Dr. Peter Spitzenpfeil und sein Team von der TU München seit 2009. Im Interview erklärt Dr. Spitzenpfeil, warum der Reformprozess notwendig war und was sich mit dem reformierten Sportabzeichen verbessert.

Herr Dr. Spitzenpfeil, das Deutsche Sportabzeichen wurde mit Blick auf das 100-jährige Jubiläum einem umfassenden Reformprozess unterzogen. Was ist das Besondere an diesem Sportorden, und wie wird die Reform dieses Besondere künftig noch deutlicher unterstreichen?

Das Besondere des Deutschen Sportabzeichens ist, dass es sich an alle Bevölkerungsgruppen richtet, unabhängig von Alter und Geschlecht, und nicht nur die erreichen will, die ein Fitnessstudio besuchen oder Mitglied eines Vereins sind. Nicht umsonst ist das Deutsche Sportabzeichen die wichtigste und erfolgreichste Auszeichnung außerhalb des Wettkampfsports. Diesen breiten Ansatz galt es im Rahmen der Reform zu erhalten. Das bedeutete unter anderem, dass die Prüfungen nach wie vor keine aufwändigen Geräte oder speziellen Orte voraussetzen, sondern mit der Grundausstattung einer Leichtathletikanlage oder Sporthalle auskommen.

Die Anpassung des Leistungskatalogs des Deutschen Sportabzeichens stützt sich im Wesentlichen auf die Ergebnisse bereits vorliegender Daten und eigener sportwissenschaftlicher Untersuchungen. Was gab den Ausschlag für diese Anpassungen?

Während seiner hundert Jahre haben sich beim Deutschen Sportabzeichen Anforderungen und Richtmaße entwickelt, die zum Teil nicht mehr fachlich begründbar waren und keiner klaren Systematik folgten. Es gab Anforderungen, denen in manchen Bereichen relativ leicht, in anderen wiederum nur schwer zu genügen war. Aus wissenschaftlicher Sicht war eine Überarbeitung des Leistungskataloges unausweichlich und seit langem überfällig. Wir haben versucht, den Katalog auf solide Füße zu stellen. Das bedeutet nicht, dass jetzt alles perfekt und in Stein gemeißelt ist, aber wir haben eine begründbare Systematik und nachvollziehbare und fundierte Leistungsanforderungen geschaffen. Darüber hinaus ist es jetzt möglich, die Leistungsanforderung entsprechend der Entwicklung der körperlichen Leistungsfähigkeit über die Altersphasen hinweg abzubilden.

Wie sind Sie bei der Reformierung des Leistungskatalogs vorgegangen?

Die Basis der Anpassung war die Orientierung an den motorischen Grundfähigkeiten Kraft, Ausdauer und Schnelligkeit. Die Beweglichkeit haben wir ausgeklammert, weil sie nur sehr sportartspezifisch zu definieren ist. Dafür haben wir die Koordination neu mit aufgenommen – ein Bereich der im jetzigen Leistungskatalog nicht vertreten ist. Unsere sportwissenschaftliche Aufgabe war es unter anderem, die Disziplinen dieser Grundstruktur unterzuordnen, etwa den 3.000-Meter-Lauf der Ausdauer. Das neue Sportabzeichen soll übersichtlicher sein und eine klare Struktur aufweisen. Deshalb haben wir viele kleine Unterdisziplinen gestrichen – und in diesen Prozess sehr intensiv die Fachverbände und Prüfer einbezogen. Es war uns ganz wichtig, die Meinung der Basis zu berücksichtigen.

Ein wichtiger Aspekt ist die Erweiterung des Altersklassen-Spektrums. Welche Vorteile bietet diese Initiative?

Zu Beginn der Untersuchungen haben wir Prüfer nach ihren Erwartungen an den Reformprozess gefragt. Fast alle forderten, die Altersskala nach oben und unten zu erweitern. Denn es gibt immer mehr fitte ältere Menschen, die Lust auf das Sportabzeichen haben. Gleichzeitig sollte auch der Grundschulbereich komplett mit eingebunden werden. Das entspricht einer Absicht, die sich mit dem Deutschen Sportabzeichen verbindet, nämlich die Motivation für lebenslanges Sporttreiben zu stärken und dafür auch ein altersübergreifendes Instrument zu haben. Tatsächlich kann jetzt der Opa mit dem Enkel gemeinsam das Sportabzeichen ablegen – was dem Gesamtkonzept einen ganz besonderen Charme verleiht. Das ist unter anderem durch die Differenzierung der Leistungen im Hinblick auf das Lebensalter möglich. Die Leistungsfähigkeit eines Achtjährigen entspricht in manchen Bereichen etwa der eines 75-Jährigen. Beide können sich also beim 30-Meter-Lauf einen richtigen Vergleichskampf liefern.

Mit der Reform wird das Deutschen Sportabzeichen wieder eindeutiger als Leistungssportabzeichen positioniert. Die Sportlerinnen und Sportler bekommen entsprechend ihrer jeweils jährlich erbrachten Leistung ein Abzeichen in Bronze, Silber oder Gold. Sie können also jedes Mal ein anderes Abzeichen erhalten. Gibt es sportwissenschaftliche Gründe, die für diese Staffelung sprechen?

Umfragen, die wir im Vorfeld des Prozesses durchgeführt haben, zeigten, dass die Sportler durch das Deutsche Sportabzeichen nicht in dem Umfang zum Training motiviert werden, wie wir uns das wünschen. Das soll die Dreistufigkeit ändern: Bei dem überarbeiteten Leistungskatalog hat man mit einem relativ überschaubaren Trainingsaufwand gute Chancen, Bronze zu erreichen. Unsere Hoffnung ist, dass dieser Sportler motiviert wird, das nächste Mal Silber oder gar Gold zu schaffen und entsprechend zu trainieren. Vielleicht tritt er dazu sogar in einen Verein ein. Denn wir möchten mit dem Reformprozess die breite Masse ansprechen und gleichzeitig die Vereine stärken.

Von der Theorie in die Praxis – haben Sie selbst sich schon einmal den Prüfungen für das Deutsche Sportabzeichen gestellt?

Natürlich – und zwar nicht nur ich, sondern unsere ganze Arbeitsgruppe an der TU München.

Quelle: wirkhaus

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