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Befristete Arbeitsverträge für Trainer sind ein Problem

Am 9. April erwartet den deutschen Sport vor dem Arbeitsgericht in Darmstadt womöglich ein wegweisendes Urteil. Die arbeitsgerichtliche Auseinandersetzung zwischen Werner Goldmann und dem DLV reicht über den Einzelfall hinaus.

DOSB Redaktion
DOSB Redaktion

31.03.2009

In dem Rechtsstreit zwischen dem Berliner Werfertrainer Werner Goldmann und dem Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) geht es um weit mehr als um die Frage, ob der späte und präzise Nachweis von Goldmanns Verstrickungen in das Doping-System des DDR-Leistungssports gelingt. Kann der DLV ausreichend belastbares Material vorlegen, ist die Sache schnell erledigt. So viel war bei einem Gütetermin in Darmstadt Mitte Februar deutlich herauszuhören - und ebenfalls, dass der DLV als der bisherige Arbeitgeber mit dem Trainer bereits Gespräche über eine Abfindungsregelung geführt hat. Einigen sich beide Seiten bis zum 9. April, würde die mündliche Verhandlung entfallen.

Diese juristische Auseinandersetzung betrifft keineswegs nur die private berufliche Zukunft eines Erfolgstrainers, der von 1991 bis Ende 2008 ununterbrochen in Diensten des DLV stand. Sieben Mal hatte der DLV dem 59-Jährigen in den vergangenen 18 Jahren seinen Vertrag um zunächst jeweils ein Jahr und später um zwei oder vier Jahre verlängert. Nachdem ein früherer Athlet schwere Dopingvorwürfe gegen Goldmann in seiner Zeit als DDR-Trainer erhob, wurde sein Vertrag beim DLV auf Empfehlung der Anti-Doping-Kommission des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) nicht weiter verlängert. Parallel dazu sprach der Verband seinem langjährigen Angestellten zum 31. Dezember 2008 die außerordentliche Kündigung aus.

Rechtmäßigkeit befristeter Verträge als übergeordnetes Thema

Dieses Vorgehen, das 20 namhafte deutsche Athleten in einem „Offenen Brief“ kritisierten, hat nun zwei juristische Handlungsstränge zur Folge. Das Gericht wird einerseits zu prüfen haben, ob die Befristung der Anstellung rechtmäßig ist und andererseits, ob die vorsorgliche Kündigung Goldmanns arbeitsrechtlich wasserdicht ist. „Beide Elemente dieses Verfahrens dürfen nicht miteinander vermischt werden“, unterstreicht DOSB-Justitiar Hermann Latz. Möglicherweise könnte das Verfahren ungeahnte juristische und mithin sportpolitische Kreise ziehen. In welche Sphären er die Verhandlung zu lenken gedenkt, hatte der Vorsitzende Richter Sebastian Langendorf anlässlich des Gütetermins beiden Parteien deutlich vor Augen geführt. Einmal werde zu prüfen sein, inwieweit die Kündigung rechtens ist. Darüber hinausgehend und unmittelbar damit verflochten sei jedoch die übergeordnete Frage, inwieweit und unter welchen Voraussetzungen es im deutschen Leistungssport opportun und mit dem Arbeitsrecht vereinbar ist, Verträge von Trainern zeitlich zu befristen. „Die Rechtmäßigkeit befristeter Arbeitsverträge für Trainer, das ist die grundsätzliche Problematik, die sich hinter dieser Einzelklage verbirgt“, erklärte Langendorf den weitreichenden sportpolitischen Ansatz in dem Verfahren Goldmann vs. DLV.

Demnach könnte das Urteil in dem Prozess die Vertragssituation ganzer Heerscharen von Trainern in Diensten der Spitzenverbände des deutschen Sports berühren. Der Vorsitzende Richter ging sogar soweit, den arbeitsrechtlichen Radius im Goldmann-Prozess womöglich sogar bis hin zu den Vereinstrainern in den einzelnen Bundesligen zu ziehen und auch diesbezüglich zu fragen: Welche überzeugenden und gerichtsfesten Argumente und Gründe können Vereine, Teams und Verbände liefern, um Verträge für Trainer unantastbar und gerichtsfest zu befristen? Ein juristisch heikles wie weites Feld, auf das Goldmann in seinem Bemühen um persönliche Weiterbeschäftigung vermutlich unabsichtlich und ahnungslos zusteuerte.

Richterlicher Verweis auf Goldmanns langjährige DLV-Karriere

Mit Nachdruck wies Sebastian Langendorf anlässlich des Gütetermins daraufhin, dass dem DLV Goldmanns Anabolika-Vergehen spätestens hätte bekannt sein müssen, als Mitte der 90er Jahren gegen ihn und andere DDR-Trainer staatsanwaltlich ermittelt wurde. Das Verfahren war damals gegen Zahlung eines geringfügigen Betrages eingestellt worden. Diese strafrechtlichen Ermittlungen seinerzeit hatten den Verband nicht davon abgehalten, mit Goldmann immer weiter zu verlängern und neue Verträge zu unterschreiben, stellte der Richter sachlich fest, während DLV-Anwalt Georg Engelbrecht entschuldigend erwiderte, die damaligen Ermittlungen hätten lediglich dem Tatbestand der Körperverletzung gegolten.

Darüber hinaus führte der Richter eine weitere Komponente an, die arbeitsrechtlich von Belang sein könnte. Durch die regelmäßigen Vertragsverlängerungen habe sich nach dem Mauerfall eine langjährige DLV-Karriere für Goldmann ergeben, wobei aus dieser Phase keinerlei Beanstandungen bekannt geworden sind. Für eine arbeitsrechtlich akzeptable Trennung kämen nur zwei Varianten in Betracht, schlug der Richter den Bogen zur mündlichen Verhandlung: Entweder kann Goldmann das Vergehen einer Körperverletzung durch Doping konkret nachgewiesen oder eine „Zerstörung des Vertrauensverhältnisses“ zwischen ihm und dem Verband glaubhaft gemacht werden. Nur wenn dem DLV dies gelingt, darf er sich Hoffungen machen, die juristische Bühne als Sieger zu verlassen.

Ungeachtet der grundsätzlichen Themen, die mit dem Verfahren berührt werden, hält DOSB-Justitiar Latz die Tragweite für begrenzt. Er kann sich nicht vorstellen, dass nun am Urteil des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 1999 gerüttelt wird. Damals hatten die Richter zwar den Spruch von 1986 gekippt, wonach „der Verschleißtatbestand eine Besonderheit im Sport“ sei. Anschließend reichte es nicht mehr aus, bei der Befristung von Verträgen allein darauf abzuheben, dass sich der betreffende Trainer nach einem gewissen Zeitraum verschleiße und „abnutze“. „An diesen Passus wurden nach dem Urteil von 1999, das bis heute als Grundlage gilt, viel strengere Maßstäbe angelegt“, erklärt Hermann Latz. Entsprechend sei das Tätigkeitsprofil arbeitsrechtlich immer sehr individuell zu betrachten, je nach den ganz konkret formulierten Aufgaben eines Trainers. Jemand, der nur zwei Spitzen-Eiskunstläufer trainiert, befinde sich beispielsweise in einer ganz anderen Situation als ein Nachwuchs-Trainer, der Talente naturgemäß nur kurze Zeit unter seinen Fittichen hat.

Ungewissheit bis zur mündlichen Verhandlung am 9. April bleibt

Ob überhaupt ein Urteil verkündet wird und ob der Spruch die seit zehn Jahren gültige und von den Gerichten akzeptierte Praxis verändern könnte, bleibt bis unmittelbar vor Verhandlungs-beginn am 9. April ungewiss. Bis dahin nämlich bleibt weiter Zeit für eine außergerichtliche Lösung. Der DLV hatte bereits signalisiert, mit Goldmann reden zu wollen. Bereits vor dem Gütetermin im Februar hatten beiden Seiten deswegen telefonisch Kontakt aufgenommen. Eine konkrete Summe wurde zwar noch nicht in den Raum gestellt, aber man werde sich „zusammen-setzen“, ließ DLV-Generalsekretär Frank Hensel wissen. Bisher schlägt der Coach von Diskus-Vizeweltmeister Robert Harting die Abfindungsvariante aus. „Mein Mandant ist mit Leib und Seele Trainer. Deshalb möchte er weiter als Trainer arbeiten und keine Geldlösung“, betonte Goldmanns Anwalt Reinhardt Kuznik die grundsätzliche Zielrichtung.
Gut möglich, dass beide Parteien in den nächsten Tagen doch noch zu einem Vergleich außerhalb der Gerichtsschranken finden. Sollte es dazu nicht kommen und Goldmann vor Gericht den Kürzeren ziehen, ist damit im Übrigen keineswegs gesagt, dass er Harting und andere DLV-Athleten nicht auf die Heim-Weltmeisterschaften im August in Berlin vorbereiten darf. Arbeitsrechtlich seien für diesen Fall durchaus Konstellationen denkbar, die Zusammenarbeit zwischen dem DLV und dem Trainer auf anderer Grundlage weiterzuführen. „Der Fantasie“, so der Vorsitzende Richter Sebastian Langendorf, „sind dabei keine Grenzen gesetzt.“

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