BISp will mit acht Forschungsfeldern den Spitzensport begleiten
Das Wissenschaftliche Verbundssystem Leistungssport (WVL) muss in den kommenden Jahren ausgebaut, und über eine Neuprofilierung soll eine Effizienzsteigerung der wissenschaftlichen Unterstützung für den Spitzensport angestrebt werden.

17.12.2008

Das war der festgestellte Konsens der Besprechung im Sportausschuss des Deutschen Bundestages am 3. Dezember. Der Direktor des Bundesinstituts für Sportwissenschaft (BISp), Jürgen Fischer, berichtete: Das langfristige strategische Forschungsprogramm für das WVL mit der Zielstellung 2016 enthalte nunmehr acht Forschungsfelder, „die aller Voraussicht nach zum 1. Januar 2009 beauftragt werden“. „Wir lösen uns langsam vom Gießkannenprinzip vergangener Jahrzehnte“, führte Fischer weiter aus. Ziel für 2009 sei es, die „Schnittstellen“ noch exakter zu definieren.
BISp-Referent Dr. Karl Quade stellte Details von acht Forschungsprojekten vor: Stärkung der trainingsmethodischen Fortschritte für Training und Wettkampf in Form einer Qualitätssteigerung; Verletzungsvermeidung und Prävention vor Überbeanspruchung; die Optimierung des Ernährungs- und Gesundheitsstatus von Aktiven; Verbesserung der Trainerqualität; stärkere Akzentuierung des Nachwuchsleistungssports im Verhältnis Trainer zum Athleten; konkrete Umsetzung von Trainings- und Wettkampftechnologie zum Beispiel über HiTech-Sporttextilien; Wissensmanagement im Direktionsbereich Leistungssport; Projekt Doping in Deutschland.
Prof. Joachim Mester von der Deutschen Sporthochschule in Köln führte aus, dass in der Leistungsentwicklung der deutschen Olympiamannschaft zwischen Barcelona 1992 und Peking 2008 dieses faktische Resultat zu verzeichnen ist: Die Zahl der Medaillen habe sich „exakt halbiert, und das hat es bei keiner anderen Nation gegeben“. Wenn der Trend so anhalte, werde Deutschland bei Olympia 2012 in London lediglich 31 Medaillen gewinnen. „Wir haben es noch nicht geschafft, diesen Abwärtstrend aufzuheben“, sagte Prof. Mester. Auswege aus der Talsohle seien zum Beispiel: Es müssten sorgfältiger als bisher die internationalen wissenschaftlichen Diskussionen aufgenommen, verarbeitet und Konsequenzen gezogen werden. So gelte für die „Laktatdiskussion“, dass seit acht Jahren hierüber umfangreich erörtert werde: „Aber in Deutschland werden diese Diskussionen viel zu spät zur Kenntnis genommen.“
Erhebliche Widerstände in der deutschen Sportwissenschaft gibt es nach Prof. Mesters Einschätzung gegen eine basierte Grundlagen- und Anwendungsforschung in Deutschland. „Grundlagenorientierte Anwendungsforschung wird als praxisfremd disqualifiziert“, führte er aus. Zudem gebe es vielerorts Vorbehalte gegen eine interdisziplinäre Forschung. „Deutschland verfügt über außerordentliche Ressourcen, etwa in der Technologie oder in der Ausstattung von Sportstätten. Wir haben es nicht geschafft, das in die Waagschale zu werfen“, unterstrich der international renommierte Trainingswissenschaftler.
DOSB-Leistungssportdirektor Bernhard Schwank sagte in seinem Statement vor den Sportpolitikern im Paul-Löbe-Haus, seit Barcelona gebe es einen „Abwärtstrend, den wir auch in Peking nicht aufhalten konnten“. „Von einer Trendwende kann nicht die Rede sein“, erklärte er wörtlich. IAT und FES, die beiden Forschungsinstitute in Leipzig und Berlin, wirkten im Strategieausschuss „ganz entscheidend“ mit. Überdies habe das DOSB-Präsidium beschlossen, nunmehr das Dopingprojekt zu starten, mit dem die pharmazeutische Manipulation im bundesdeutschen Spitzensport seit den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts aufgearbeitet und analysiert werden soll. Im Anschluss daran wies der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Dr. Christoph Bergner, darauf hin, dieses Projekt, aber auch die sieben anderen Vorhaben dürften „keine Elfenbeinforschung“ sein. Die konkrete Anwendung, die Wirksamkeit für den Alltag des Spitzensports in Deutschland, müsse garantiert sein.
Der Abgeordnete Winfried Hermann von den Bündnisgrünen forderte, dass auch sozialwissen-schaftliche Forschungen zur Unterstützung des Spitzensports nötig seien. Klaus Riegert von der Union unterstrich, es gelte in einer „manchmal leistungsfeindlichen Gesellschaft“ Impulse durch den Sport herauszustellen. Und Detlef Parr, Sportsprecher der Freien Demokraten, unterstrich: Gerade im Spitzensport gebe es an den Universitäten des Landes „verstreutes Wissen“; und überhaupt sollten Querdenker erheblich mehr Chancen als bisher bekommen, weil „Stromlinienförmlichkeit“ die Entwicklungsperspektiven nicht weitertrage.
Der Vorstandsvorsitzende der Nationalen Anti-Doping-Agentur, Armin Baumert, Geschäftsführer Dr. Göttrik Wewer und NADA-Juristin Anja Berninger stellten am Ende der Ausschusssitzung den neuen Welt-Antidoping-Code vor, der ab 1. Januar 2009 in Kraft treten wird und eine Anpassung des NADA-Codes erforderlich gemacht hat. Neben den neuen „whereabouts“ und den graduellen Veränderungen bei Sanktionen wurde deutlich gemacht: Die NADA werde zukünftig Doping-verstöße „zentral feststellen“. Daneben werde es das „Recht auf administrative Kontrolle durch den DOSB“ geben. Armin Baumert stellte heraus, die NADA sei bei allen Bemühungen, einen stringenten Antidopingkurs zu fahren, „nach Peking noch sicherer mit unserer Kritik an den globalen Entwicklungen“.
Der neue NADA-Geschäftsführer Dr. Wewer akzentuierte: „Unser Partner ist der saubere Athlet, und das muss auch so sein.“ Auf die Anregung des Vorsitzenden des Sportausschusses, Dr. Peter Danckert (SPD), das Internationale Olympische Komitee (IOC) dürfe nicht aus seiner Verpflichtung erlassen werden, dass alle Nationale Olympischen Komitees zwingend unab-hängige Nationale Antidoping-Organisationen zu schaffen haben: „Wir beteiligen uns an dem Chor, der das fordert, gerne.“ Zur Finanzierung der NADA hätten die Bundesländer „noch nicht einmal 300.000 Euro“ gegeben, unterstrich der Jurist, der ehemaliger beamteter Staatssekretär im Bundesinnenministerium war. Auf der Vorstandssitzung am 8. Januar 2009 in Bonn würden die aktuellen Ist-Zahlen der Dopingverstöße in Deutschland bekannt gegeben.