Box-Club Vogelheim setzt auf Migranten

31.03.2010
Beim Essener Box-Club Vogelheim wird nicht über die Qualifizierung von Menschen mit Migrationshintergrund gesprochen – sie wird praktiziert. Integration heißt hier Einbindung in die Vereinsorganisation und Vereinsführung. Der kleine Verein profitiert von dieser gewachsenen selbstverständlichen Philosophie.
„Wir haben uns das Thema Integration nicht selbst ausgesucht“, sagt Franz-Josef Stahlschmidt, 1. Vorsitzender und Trainer des Boxclubs Vogelheim. „Das ergibt sich einfach aus der Herkunft der Sportler.“ Von den etwa 70 hauptsächlich jugendlichen Mitgliedern, haben etwa 80 Prozent einen Migrationshintergrund. „Wir haben Sportler aus zehn verschiedenen Nationen“, fährt Franz-Josef Stahlschmidt fort. „Die kommen zum Beispiel aus der Türkei, aus Afghanistan, Russland und dem Libanon. Da muss man sich natürlich damit auseinandersetzen, wie man diese Menschen am besten zusammenbringt. Man kann das nicht einfach laufen lassen.“
In der geringen Mitgliederzahl des Boxclubs sieht Franz-Josef Stahlschmidt keinen Nachteil: „Das kann im Gegenteil nur gut für die Integrationsarbeit sein“, sagt er. „Wir können uns mehr Zeit nehmen für die einzelnen Mitglieder und enger mit ihnen zusammenarbeiten. Wenn ich eine Trainingsgruppe von über 30 Leuten habe, kann ich nicht auf jeden so eingehen, wie ich das gerne möchte. Je kleiner eine Gruppe, desto intensiver und besser ist das Training.“
„Es ist egal, wo jemand herkommt“
Beim Box-Club Vogelheim werden Sportler mit Migrationshintergrund in die Vereinsarbeit und -organisation eingebunden und entsprechend qualifiziert. „Es ist doch ganz egal, wo jemand herkommt“, sagt Franz-Josef Stahlschmidt. „Hauptsache, er kann etwas. Ich hatte hier einen Trainer aus Kroatien, davor einen aus Kasachstan. Momentan sind mit Alexander Schunkow und Alexander Müller zwei Trainer aus der Ukraine bei uns tätig.“ Schunkow ist seit etwa einem Jahr beim Box-Club. „Er war früher ein Kampfrichterkollege von mir“, sagt Franz-Josef Stahlschmidt. „Jetzt hilft er hier beim Training. Alexander Schunkow hat eine Trainerlizenz aus der Ukraine, wird aber auch in Deutschland eine machen. Sobald wieder Lehrgänge laufen, werden wir ihn dort hinschicken.“
Der zweite ukrainische Trainer, Alexander Müller, fing vor etwa acht Jahren als Kämpfer im Box-Club an. „Irgendwann hat er sich immer mehr ins Training eingebracht und seine Fähigkeiten und Kenntnisse an andere weitergegeben. Schließlich hat er so viel Spaß daran entwickelt, dass er den Trainerschein gemacht hat – erst die C-Lizenz vor etwa vier Jahren und die B-Lizenz im letzten Jahr.“ Diesen Weg will der Box-Club in Zukunft weiter beschreiten: „Menschen mit Migrationshintergrund das Vertrauen schenken, sie qualifizieren und in die Vereinsarbeit und – weiter noch – in die Vereinsführung einbeziehen“, erklärt Franz-Josef Stahlschmidt. „Mit Alexander Müller, der inzwischen bei uns Geschäftsführer ist, ist uns das gelungen.“
Weiterbildung ist natürlich nicht nur Sache der Migranten beim Essener Box-Club. „Ich selbst habe schon einmal bei der Qualifizierungsmaßnahme ‚Sport interkulturell’ mitgemacht“, berichtet Franz-Josef Stahlschmidt. „Das hat mich dahingehend sensibilisiert, mit den Leuten noch spezieller umzugehen. Heute betrachte ich alles etwas mehr aus der Perspektive des jeweiligen Sportlers. Nur weil es für mich völlig unproblematisch ist, mit ihm umzugehen, muss das umgekehrt nicht der Fall sein. Ich kann heute auch andere Kulturen besser verstehen.“ Auf den Umgangston beim Training hat das jedoch kaum Einfluss. „Der ist schon ein bisschen rauer bei uns“, erklärt Franz-Josef Stahlschmidt. „Das gilt für alle Nationalitäten. Aber das ist ganz normal beim Boxen.“ Trotzdem muss der Trainer Fingerspitzengefühl beweisen. „Es geht immer um ein gutes Verhältnis zwischen Lob und Korrektur – ich sage extra nicht Tadel“, fügt er hinzu und lacht.