Buntes Herzstück
Wie es der VFL Fontana Finthen aus Mainz geschafft hat, den Integrationspreis zu gewinnen

01.03.2012

Mainz. Einmal im Jahr feiert der VFL Fontana Finten den Tag der Integration. Wer hier nicht satt wird, macht etwas falsch. Die Spieler stellen Spezialitäten aus ihren Heimatländern vor – Bei rund 300 Spielern aus 34 verschiedenen Ländern bedeutet das eine kulinarische Weltreise. Harmonisches Miteinander und kulturelle Vielfalt ist die Leitidee des Fußballklubs aus dem Mainzer Stadtteil. Jugendleiter Winfried Schmitt hat dem Verein über zwei Jahrzehnte hinweg diesen sozialen Charakter verliehen. Der Lohn: Der VFL gewann am Freitag in Berlin den Integrationspreis des Deutschen Fußballbundes (DFB) und bekam dafür nach wohlwollenden Worten der Bundeskanzlerin Angela Merkel und DFB-Präsident Theo Zwanziger 40 000 Euro in Form eines Kleinbusses.
Es ist nicht die erste Auszeichnung für den Verein. Vor zwei Wochen wurde er mit dem „kleinen Stern des Sports in Silber“ geehrt, was Platz zwei bedeutet, auf der Suche nach dem Verein mit „herausragendem gesellschaftlichem Engagement“ in Rheinland Pfalz – bei 6300 Sportvereinen im Land. Solche Preise seien „eine sehr schöne Begleiterscheinung“, sagt Schmitt, „aber nicht Zweck unserer Arbeit“. Der Bewerbungsordner für den DFB war 196 Seiten dick. Der Leistungsgedanke spielt keine Rolle in Finthen. Sportlich bewegen sich die Mannschaften auf einem mittleren Niveau, spielen Bezirksliga und abwärts. „Wer sich bei uns engagieren will, muss Idealist sein“, sagt Schmitt. Es kann vorkommen, dass ein Trainer, der den Spagat zwischen Leistungsorientierung und Harmonie nicht schafft, aussortiert wird. Und es wird in der Jugend fast ausschließlich auf Spieler ausgetauscht, auch wenn es auf Kosten des Erfolgs geht. „Für mich ist soziale Arbeit wichtiger als der Leistungsgedanke“, sagt Schmitt. Wer hoch hinaus will, ist hier falsch. Mergim Ramadani zum Beispiel spielt in der A-Jugend. Er fühlt sich respektiert und ernst genommen. Der Verein will seinen Spielern demokratische Werte beibringen. Jeder Mannschaftskapitän wird gewählt, und Mergim ist als gewählter Jugendvertreter sogar Mitglied des Vorstandes. Im Alten Finthener Ortskern leben 700 Menschen. Mit der Ausweisung dreier Wohngebiete in den 70ern verdoppelte sich die Einwohnerzahl auf einen Schlag. 30 % der Einwohner sind Ausländer oder Deutsche mit Migrationshintergrund. Plattenbau und Sozialwohnungen prägen das Bild der Gebiete „Römerquell“ und „Katzenberg“. Beide haben sich zu sozialen Brennpunkten entwickelt, die Polizei ist kein seltener Gast. Noch immer fehlt dem Stadtteil ein Herz, ein Ort, wo sich Menschen begegnen können, wo Hautfarbe oder Nationalität egal sind. Fontana Finthen möchte so ein Ort sein Mit Fußball als Integrationsmotor.
Seit 34 Jahren ist Winfried Schmitt bereits Jugendtrainer. Vor langer Zeit habe er seine Mannschaft auf dem Platz in Halbkreis um sich versammelt und nicht mehr verstanden. Sie haben ihn und sich gegenseitig beleidigt und diskriminiert – alle in ihrer Sprache. „So konnte das nicht weitergehen“, sagt der Hauptschullehrer, „wir mussten etwas tun“. Gewaltprävention, Anti-Agressions-Training, Unterstützen beim schreiben von Bewerbungen. Der Verein hat Kontakte zu lokalen Unternehmen, vermittelt Praktika, hilft bei der Ausbildungssuche. Gemeinsam haben Spieler und Betreuer einen Verhaltenskodex erarbeitet, es geht um Respekt, so auch vor dem Gegner oder den Schiedsrichtern. Das Agressionspotential auf dem Fußballplatz geht inzwischen gegen Null, sagt Schmitt. Mergim wohnt in der „Römerquelle“. Er stammt aus dem Kosovo, seine Eltern kamen 1993 nach Deutschland, in der Heimat herrschte Bürgerkrieg. Mergim ist hier geboren und aufgewachsen, spricht genauso gut Deutsch wie Albanisch. „Ich komme mit den Leuten gut klar, egal ob Türke oder Jugoslave“, sagt er. In der Umkleidekabine wird Deutsch gesprochen. Jeder soll jeden verstehen, keine Grüppchenbildung und Lästereien. Das gilt auch nach dem Training. Integration hört nicht auf, wenn wir das Sportgelände verlassen“, findet Mergim.