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„Das ist doch kein Start nicht...“

Hans Himmel hatte als junger Sportler eher mit ungewöhnlichen Dialekten zu kämpfen – und mit Hürden anderer Art.

DOSB Redaktion
DOSB Redaktion

22.10.2013

    Eigentlich kann man Hans Himmel als Weltenbummler bezeichnen. Geboren in Schlesien, die Kindheit in Bayern verbracht, groß geworden in Cuxhaven und schließlich als Rentner in Berlin gelandet. Mit 72 Jahren hat er viel von Deutschland gesehen und verschiedene Kulturen erlebt. Auch sprachlich gab es viele Unterschiede  – doch beim Sport fühlte sich Hans Himmel überall zuhause.

    Dass sich die Deutschen in der Vor- und Nachkriegszeit zu helfen wussten, wenn es um den Selbstbau von Sportgeräten oder Turnhallen ging, ist bekannt. So entstanden vielerorts Gemeinschaften, die später zu Sportvereinen wurde. Aber was tun, wenn es so eine Gemeinschaft nicht gibt? Hans Himmel wuchs in einem kleinen Ort auf, wo er keine Gleichgesinnten fand. Er wusste sich aber dennoch zu helfen. „Schon als Junge hatte ich einen ausgeprägten Drang zum Laufen. Also rannte ich immer um das Feld hinter unserem Haus. Und weil ich wissen wollte, wie schnell ich bin, mussten meine Eltern am Feldrand stehen und mit der Armbanduhr die Zeit nehmen“, erinnert sich Hans Himmel.

    Ein Vorbild mit Lederseil

    Mit 12 Jahren, im Jahr 1953, trat er zum ersten Mal in einen richtigen Sportverein ein, und dort erkannten die Trainer sofort, dass Hans Himmel ein besonderes Talent hatte: Laufen. Und zwar schnell. Vier Jahre später wurde er Mitglied im Cuxhavener Sport-Verein e.V. und war fortan Schützling von Sepp Obermaier. Er begleitete Hans Himmel viele Jahre als Trainer. „Wie man ja schon am Namen hört, kam Herr Obermaier aus Bayern. Bei uns oben im Norden fiel er natürlich schon allein wegen seines Dialektes sofort auf. Zum Beispiel hatte er die Angewohnheit der doppelten Verneinung. Er sagte immer: 'Das ist kein Start nicht'. Darüber haben wir uns köstlich amüsiert. Aber Trainer Obermaier war dennoch eine große Respektsperson für uns, und ich persönlich habe ihm viel zu verdanken“, erzählt Hans Himmel.

    Eben von diesem Sepp Obermaier hörte er als Jugendlicher vom Deutschen Sportabzeichen. Beim Trainieren für die Disziplinen merkte Hans Himmel aber plötzlich, dass es nicht reicht, nur schnell laufen zu können. Vor allem die Disziplinen, bei denen Koordination gefragt war, lagen ihm nicht auf Anhieb. „Beim Kugelstoßen und Seilspringen hatte ich so meine Probleme, da war Üben angesagt“, so Hans Himmel. „Beim Seilspringen war unser Trainer Obermaier eine wahre Koryphäe. Er hatte ein Lederseil, das peitschte so schnell über den Boden, wenn er sprang, dass man es kaum sehen konnte“, erzählt Hans Himmel heute. In den Genuss, mit diesem Seil zu springen, kam Hans Himmel zwar nie. Aber auch mit den üblichen Springseilen zahlte sich das Training aus.

    Eine Erfolgsgeschichte in Zahlen

    Der erste Eintrag im Sportabzeichen-Urkundenheft von Hans Himmel stammt vom 2. September 1959. Seither hat er kein Jahr ausgelassen. 55 Mal in Folge hat der gelernte Kaufmann die Bedingungen erfolgreich erfüllt und die Ergebnisse akribisch festgehalten. „Das ist sicher so eine Art Berufskrankheit“, schmunzelt Hans Himmel. „Ich habe eine Tabelle, in der sind alle Ergebnisse inklusive des Datums der Prüfung bis zum heutigen Tag eingetragen.“

    Dieser Tabelle kann man übrigens auch entnehmen, dass bei Hans Himmel die Leistungen keine traditionelle Abwärtskurve ergeben – vor allem nicht in den Laufdisziplinen über Kurzstrecken. „Ich bin im Alter von 32 Jahren noch die 4x100 Meter-Staffel mit 18-Jährigen gelaufen. 1973 wurden wir sogar Dritte bei den Niedersächsischen Landesmeisterschaften“, erzählt er stolz.

    Die Geschichte von Hemd und Hose

    Auch heute, mit 72 Jahren, zählt Hans Himmel keineswegs zum so genannten alten Eisen. Dass neben der Sportlichkeit auch eine gewisse Eitelkeit dafür verantwortlich ist, streitet er gar nicht ab. „In den 60er Jahren traf ich mich immer ein Mal im Jahr mit einem alten Freund, der damals zur Marine gegangen war. Und jedes Mal, wenn wir uns sahen, war er dicker geworden. Als er dann sogar das Hemd nur noch über der Hose trug, weil es nicht mehr über den Bauch in den Bund reichte, wusste ich, dass ich so nicht aussehen wollte“, lacht Hans Himmel. Und so half ihm dieses Bild gepaart mit der eigenen Motivation bis heute, den Sport als Leidenschaft und Jungbrunnen zu erkennen. 2008, mit 66 Jahren, wurde Hans Himmel sogar Zweiter bei den Deutschen Seniorenmeisterschaften über 300 Meter Hürden.

    Eine ganz besondere Auszeichnung und Ehre wurde dem 72-Jährigen am 14. September 2013 im Garten von Schloss Bellevue zuteil. Bundespräsident Joachim Gauck überreichte ihm in seinem Amtssitz höchstpersönlich die Urkunde und das 55. Deutsche Sportabzeichen. „Es war wirklich ein besonderes Ereignis für mich. Ich war schon sehr überrascht über die Einladung und ebenso erfreut, unserem Staatsoberhaupt die Hand zu schütteln“, erzählt Hans Himmel. Begleitet wurde er zu der Veranstaltung im Rahmen der Sportabzeichen-Tour des Deutschen Olympischen Sportbundes von seiner Ehefrau. „Sie selbst macht wenig Sport und sagt immer, ich sei sportsüchtig“, schmunzelt er. Und vielleicht liegt Frau Himmel ja da gar nicht so falsch...

    (Quelle: wirkhaus)




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