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"Der Sport muss mit einer Stimme sprechen" - Interview von NOK-Präsident Dr. Klaus Steinbach in den Stuttgarter Nachrichten

DOSB Redaktion
DOSB Redaktion

01.12.2005

In einem aktuellen Interview mit den Stuttgarter Nachrichten (Ausgabe 01. Dezember 2012) nimmt NOK-Chef Dr. Klaus Steinbach zur Fusion der Dachorganisationen DSB und NOK sowie aktuellen Fragen des Spitzensports Stellung.

 

Das Interview im Wortlaut:

 

Herr Steinbach, pflügen Sie als ehemaliger Weltklasse-Schwimmer noch regelmäßig durchs Wasser?

Sehr selten. Das ist zu zeitaufwändig. Aber ich treibe regelmäßig Sport. Ich laufe gern und fahre Rad. Vier-, fünfmal die Woche. Das brauche ich, um fit zu sein und belastungsfähig zu bleiben.

 

Wie viel Zeit investieren Sie ins Ehrenamt?

100 Tage im Jahr, plus die Wochenenden. Und im Grunde vergeht in meiner Klinik kein Tag, an dem ich nicht auf irgendeine Weise mit meiner Arbeit beim NOK zu tun habe.

 

Sie sind seit drei Jahren Präsident des Nationalen Olympischen Komitees – und es ging Schlag auf Schlag ...

... das kann man so sagen. Wir hatten die Olympiabewerbung von Leipzig und Rostock , wir hatten die Olympischen Sommerspiele in Athen, wir stecken mitten in der Vorbereitung für die Olympischen Winterspiele in Turin, und wir treiben die Fusion von NOK und Deutschem Sportbund weiter voran. Gleichzeitig gibt es in meiner Klinik Überlegungen für eine Fusion. Da kommt schon einiges zusammen.

 

Wie bekommen Sie das alles geregelt?

Das klappt nur mit einem guten Zeitmanagement, mit viel Verständnis auf Seiten meines Arbeitgebers, mit modernen Formen der Kommunikation mit meinem guten Team beim NOK in Frankfurt.

 

Viele Herausforderungen waren absehbar, andere entwickelten eine gewisse Eigendynamik.

Ja, aber damit habe ich von Anfang an gerechnet.

 

Zählt dazu auch der Ärger mit den Dopingopfern der ehemaligen DDR?

Natürlich. Die Problematik war mir bei meinem Amtsantritt bekannt, durch die Prozesse gegen die Täter und das Hilfegesetz für die Opfer.

 

Geht es um Geld oder um Moral?

Das kann man nicht so einfach trennen. Es gibt einen Prozess der Annäherung, wir werden Wege finden, die beide Seiten beschreiten können. Wir waren schon immer und sind auch weiter zu Gesprächen mit eventuellen Dopingopfern bereit, aber bitte ohne Journalisten und Juristen.

 

Zur Zeit sieht man sich vor Gericht wieder.

Vor Gericht geht es um einen einzigen Fall, um die Klage von Frau Karen König, einer früheren Schwimmerin. Es ist aber auch an der Zeit, sich einmal insgesamt zusammenzusetzen und miteinander zu reden. Ich hoffe, dass es nach Turin dazu Gelegenheit gibt, wir haben den Kontakt aufgenommen. Es geht eben nicht nur um materielle Entschädigungen, es geht auch um die Anerkennung der jeweiligen persönlichen Situation.

 

Man wirft dem NOK vor, das Geld des Ost-NOK im Zuge der Wiedervereinigung einkassiert zu haben.

Tatsache ist: Wir haben Restmittel – rund fünf Millionen Mark – der Deutschen Olympischen Gesellschaft der ehemaligen DDR übernommen. Mit diesem Geld wurden ausschließlich Projekte in den neuen Bundesländern finanziert. Das NOK hat sich in gar keiner Weise bereichert.

 

Mit anderen Worten: Das Geld ist weg.

Es ist wieder dort, wo es gesammelt wurde.

 

Was bedeutet, dass die Dopingopfer der ehemaligen DDR nicht mehr viel erwarten können.

Lassen Sie uns in Gesprächen ausloten, wie wir uns annähern können.

 

Zu den Tiefpunkten Ihrer Amtszeit zählt sicher das Aus für die deutsche Olympiabewerbung 2012.

Wir haben kurz nach dem Aus für Leipzig und Rostock gemeinsam mit dem DSB-Präsidenten ein Zehn-Punkte-Papier erstellt, in dem die Rahmenbedingungen für künftige Bewerbungen festgelegt wurden.

 

Der große Städte-Wettkampf findet nicht mehr statt?

Das Präsidium wird künftig der Mitgliederversammlung eine Stadt vorschlagen. Dann kann das Gremium sagen: Ja oder nein. Die Erfahrung lehrt: Der Wettbewerb aus fünf Städten birgt die Gefahr, dass nicht der im internationalen Wettbewerb wirklich aussichtsreichste Kandidat dem IOC vorgeschlagen wird.

 

Und wann nimmt Deutschland den nächsten Anlauf?

Die ersten Gespräche gab es schon. Wir werden im Frühsommer 2006 den nächsten Schritt tun und klare Rahmenbedingungen festzurren.

 

Dann haben nur noch Hamburg, Berlin und München eine Chance.

Nun ja, wir haben beim letzten Mal am Tag des Ausscheidens von Leipzig die bittere Erkenntnis gewonnen, dass eine Bewerberstadt für die Sommerspiele nach Vorstellungen des IOC mindestens 1,5 Millionen Einwohner groß sein sollte. Da gibt es in Deutschland nicht viele Möglichkeiten.

 

Sie sind auch angetreten mit dem Auftrag, dem deutschen Spitzensport mehr Geltung in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu verschaffen.

In den nächsten Wochen wird hoffentlich klar, wie wichtig ein Deutscher Olympischer Sportbund, das Ergebnis unserer geplanten Fusion, werden kann. Wir wollen ein neues Dach bauen – mit starker olympischer Prägung. Von den 27 Millionen Menschen in deutschen Sportvereinen sind 22 Millionen in Clubs mit olympischen Sportarten.

 

Noch ist die Fusion im deutschen Spitzensport nicht beschlossene Sache. Die Zustimmung der NOK-Mitglieder steht auf wackeligen Beinen.

Wir brauchen 75 Prozent aller Stimmen in der Mitgliederversammlung. Dafür benötigen wir gute Argumente. Jeder muss erkennen können, dass die neue Organisation des deutschen Spitzensportes ein größeres Zukunftspotenzial hat als die bisherige Struktur mit NOK und DSB. Das versuchen wir überzeugend zu vermitteln.

 

Haben Sie Ambitionen, im künftigen DOSB eine Spitzenposition einzunehmen?

Ich habe zum Glück einen sehr interessanten Beruf, außerdem ein Privatleben, das mich ausfüllt. Aber ich habe natürlich auch den Ehrgeiz, für den deutschen Sport etwas Zukunftsfähiges mitzugestalten. Wenn die Fusion gelingt, beginnt doch erst die gewaltige Aufgabe der Modernisierung der Sportstrukturen.

 

Wenn die Fusion am 10. Dezember klappt, beginnt sofort die Personaldiskussion. Es geht um Macht und Ämter. Lässt sich ein öffentliches Pokern vermeiden?

Ich denke ja. Ein Kandidat, der Präsident des künftigen DOSB werden will, kann sehr wohl eine Art Schattenkabinett präsentieren, mit dem er gerne zusammenarbeiten würde. Das steht jedem frei. Dann wird über ihn und seine Mannschaft abgestimmt.

 

Wie definieren sich die Aufgaben des künftigen DOSB-Präsidiums?

Es wird voraussichtlich aus elf Personen bestehen. Es hat Kontroll- und Lenkungsfunktion und es hat die Richtlinienkompetenz in der sportpolitischen Ausrichtung. Aber klar ist auch, dass wir das Hauptamt in Zukunft stärken wollen. Dort sitzt die Kompetenz, dort arbeiten gute Leute täglich an der Weiterentwicklung des deutschen Sports.

 

Was erwarten Sie vom künftigen DOSB?

Vor allem die Stärkung der gesellschaftlichen Wahrnehmung des Sports und seiner sozialen Komponenten. Die Schaffung von wirksamen Rahmenbedingungen für den Spitzensport und seine Athleten. Stärkung der Vereinskultur und des Breitensports. Der Sport muss künftig mit einer Stimme sprechen, die stark und kompetent ist. Ich erwarte mir durch die neue Struktur aber auch zusätzliche Unterstützung aus Politik und Wirtschaft.

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