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Die Feuerwehr - neuer Helfer des Leistungssports

Atemmaske, C-Rohr und Sprungtuch heißen die neuesten Gehilfen des deutschen Spitzensports. Nach Bundeswehr, Bundespolizei, Zoll und Landespolizei gehört nun auch die Feuerwehr zu den „Förderern in Uniform“.

DOSB Redaktion
DOSB Redaktion

02.07.2008

Vom Brandmeister zum Weltmeister heißt die Motto der jüngsten Version staatlicher Sportförderung. Dank der Landesfeuerwehrschule im brandenburgischen Eisenhütten-stadt können Athleten nun leistungssportliche Ambitionen und Ausbildung im Brand- und Katastrophenschutz einschließlich gesicherter Berufsperspektive miteinander verbinden. „Die Feuerwehr kannte ich bisher nur von roten Autos, die blaues Licht auf dem Dach haben und unheimlich viel Lärm machen“, gesteht Gewichtheberin Yvonne Kranz vom AC Suhl. „Ich bin heilfroh, dass sich diese Perspektiv-Variante für mich ergeben hat“ Die 24-Jährige hat wie die beiden Ringer Mirko Englich (Witten) und Nico Schmidt (Frankfurt/Oder) bereits die ersten drei Monate ihrer Ausbildung beendet. In aller Ruhe durfte sich das Trio anschließend auf die olympischen Qualifikationswettkämpfe vorbereiten. Für den Bobfahrer Lucas Kuske (Potsdam) indes, der Vierte im Bunde der ersten deutschen Feuerwehrsportler, hat die Schweiß treibende praktische Ausbildung an der Landes-Feuerwehrschule im äußersten Osten der Republik erst nach dem Ende der Wintersaison begonnen.  

Die guten Aussichten auf eine gesicherte berufliche Zukunft scheinen sich bereits auf die sportlichen Leistungen ausgewirkt zu haben. Englich, der griechisch-römisch- Spezialist, holte jüngst im finnischen Tampere EM-Silber. Yvonne Kranz gewann Mitte April in Lignano bei Venedig EM-Bronze. Das Peking-Ticket hatte Englich anschließende bei Qualifikations-Turnier lösen können, während für die Hantelfrau trotz EM-Medaille der olympische Traum zunächst einmal geplatzt ist. Der Bundesverband Deutscher Gewichtheber (BVDG) darf nur eine Athletin zu den Olympischen Spielen entsenden und hat der 19-jährigen Julia Rohde aus Görlitz den Vorzug gegeben. Dessen ungeachtet hält sich die fünf Jahre ältere Heberin bis zur letzten Nominierungs-runde des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) für das Team Peking am 15. Juli in Bereitschaft. „Julia könnte sich ja verletzten, obwohl das niemand hoffen will“, sagt die Thüringerin. 

Nächste große Ausbildungsetappe im nacholympischen Jahr 

Der erste Feuerwehr-Athletin sowie ihre Kollegen, die beiden Ringer, werden im Oktober wieder ihr ständiges Domizil in Eisenhüttenstadt nehmen. Bis weit ins nacholympische Jahr hinein, so der Plan, werden sie bis zum September 2009 die zweite große Etappe auf dem Weg zum haupt-beruflichen Brand- und Katastrophenschützer absolvieren. Um dafür gut gerüstet zu sein, paukt Yvonne Kranz derzeit einmal pro Woche mehrere Stunden Theorie. Denn geschenkt wurde und wird den Athleten im Rahmen des neuartigen, auf den Spitzensport zugeschnittenen Ausbildungs-profils nichts. „Den Eignungstest müssen die Athleten genau so bestehen wie unsere anderen Anwärter. Ziel und Sinn der Sache ist es schließlich, dass sie nach ihrer Karriere tatsächlich in diesem Beruf arbeiten“, betont Schulleiter Norbert Zoschke. Entsprechend wichtig sei es, eine innere Beziehung zum Berufsbild des Brand- und Katastrophenschützers mitzubringen, erläutert Yvonne Kraft. Das sei sinnvoll und hilfreich. Als gelernte Sozialbetreuerin verfügt die starke Frau über besonders gute psychologische Voraussetzungen mit, um später im Berufsalltag unter Überwindung eigener Ängste anderen Menschen zu helfen und Leben zu retten. Bei der Aufnahmeprüfung galt es zum Beispiel, eine 30 Meter hohe Drehleiter empor zu steigen. Angst vor großen Höhen oder der Bekämpfung lodernder Flammen im Wald durfte das von der Feuerwehr geförderte Sportler-Quartett beim Einstieg ins neue berufliche Umfeld keinesfalls aufkommen lassen.  

Normalerweise absolviert man den Sprung vom Anwärter zum Brandmeister in Eisenhüttenstadt binnen eines Jahres. Für die Athleten wird die Ausbildung gestreckt. Anschließend können sie als „Beamte auf Widerruf“ ihren Sport mit der Rückendeckung ihres staatlichen Arbeitgebers ausüben. Insgesamt soll die Zahl der Feuerwehrsportler in Brandenburg künftig auf maximal 15 steigen, die Anmeldungen von vier weiteren Kandidaten für 2008 liegen bereits vor. „Zur Ausbildung gehören unterschiedliche Module. Damit können wir flexibel auf die konkrete Situation der Spitzensportler reagieren“, schildert der Schulleiter, wie im Rahmen des Unterrichts auf die speziellen Bedürfnisse von Saisonplanung bis Trainingslager und Wettkampfreise reagiert werden kann.  

Angebot der Feuerwehr für Kader-Athleten aus dem ganzen Bundesgebiet 

„Das Angebot bei der Feuerwehr steht natürlich nicht nur für Kader-Athleten aus Brandenburg oder aus den neuen Bundesländern, sondern für Sportler aus dem gesamten Bundesgebiet“, unterstreicht Klaus-Peter Kossow. Der Laufbahnberater am Olympiastützpunkt Frankfurt (Oder) bearbeitet die Anträge und koordiniert für Kranz, Englich und Co. die Anforderungen zwischen Leistungssport und beruflicher Qualifikation. Im 25 Kilometer von Eisenhüttenstadt entfernten Sportkomplex an der Oder finden die Brandmeister in spe vor oder nach dem Unterricht optimale Trainingsbedingungen vor. „Gerade für uns Ringer ist das der ideale Standort mit sehr guten Trainern und starken Trainingspartnern“, schwärmt Mirko Englich. Der 29 Jahre alte Vize-Europameister war von der neuesten Fördervariante dank zweier Vorteile schnell überzeugt. „Wir haben hier in Frankfurt ein erstklassiges Leistungszentrum und beruflich winkt mir bei der Feuerwehr die Perspektive einer Beamtenlaufbahn.“ 

Wenn er zuhause im Ruhrpott von seinem neuen Leben als Feuerwehrsportler berichtet, „dann sagen Viele sofort: Das ist eine tolle Sache“, schildert Englich die Reaktionen. Ein Nachteil für ihn sei lediglich, dass die Schule nahe der polnischen Grenze geografisch etwas abseits steht. Für Englich lagen in der Ausbildungsphase rund 600 Kilometer zwischen Eisenhüttenstadt und seiner Familie mit den beiden Söhnen. „Das ist schon happig, doch da muss man eben durch“, sagt der WM-Fünfte von 2005, während für Yvonne Kranz die Entfernung ins Thüringische kein Problem darstellt. „Das ist schon okay. Wenn ich nach Hause fahre, dann kann ich gleich bei meiner Mutter in Erfurt Station machen.“ 

„Eisenhüttenstädter Modell“ könnte Schule machen 

Mit dem Engagement der Feuerwehr steigt die Zahl der Spitzensportler in Uniform im Bundes-gebiet auf ein Rekordhoch von rund 1.050. Zu den 15 Stellen in Eisenhüttenstadt kommen insgesamt 744 Stellen bei der Bundeswehr, aktuell etwa 150 Stellen bei der Bundespolizei, 42 Stellen beim Zoll sowie zusammen fast einhundert Stellen bei den Polizei-Sportfördergruppen in Thüringen (51), Hessen (34), Niedersachsen (9) und Rheinland-Pfalz (4). Die Zahl könnte sogar noch weiter nach oben schnellen, wenn das „Eisenhüttenstädter Modell“ für andere Bundesländer als Beispiel dient. Weil die Berufsausbildung in Sachen Brand- und Katastrophenschutz zwischen Schleswig-Holstein und Bayern auf Landesebene organisiert ist und keine zentrale Schule existiert, bleibt es jedem Land selbst überlassen, mit der Feuerwehrschule das Brandenburger Novum zu kopieren.

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