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Die persische Perspektive

Brückenbau mit Basketball: Der Film „The Iran Job“ setzt interkulturellen Dialog unterhaltsam in Szene. Über das bittersüße Projekt eines deutschstämmigen Regisseurs.

DOSB Redaktion
DOSB Redaktion

09.03.2013

Eine Aussage von Till Schauder fasst seinen Film schön zusammen, obwohl sie nach Gegenentwurf zu einem anderen klingt. „Kevin geht raus und guckt sich die Welt an“, sagt der deutsch-amerikanische Regisseur von „The Iran Job“ über seine Schlüsselfigur. Kevin Sheppard, Basketballprofi von den US Virgin Islands,  bleibt im Film tatsächlich nicht Zuhause, schon gar nicht allein. Im Gegenteil. Sein „Iran Job“ besteht darin, den Aufsteiger AS Shiraz in die Playoffs der Super League zu führen. Und weil er ein offener Mensch ist, wird aus dem sportlichen Abenteuer eine persönliche Entdeckungstour. Zwangsläufig lernt Sheppard persischen Basketball und persische Politik kennen; ungezwungen nähert er sich Kultur und Menschen des Landes.

„The Iran Job“, Ende Februar in deutschen Kinos angelaufen, erzählt von einer Saison (2008/2009) in der Karriere des damals 29-jährigen Kevin Sheppard. Zudem blendet er die prägenden politischen Ereignisse jener Zeit ein: in den USA (erste Wahl von Präsident Barack Obama) wie im Iran (Wahl 2009 und damit Grüne Revolution). „Wir wollten keinen klassischen Dokumentarfilm machen. Uns ging es darum, ein relativ breites Publikum anzusprechen“, sagt der in Seattle geborene, in Göttingen aufgewachsene Till Schauder über das Grundkonzept des Werks, das er mit seiner Frau und Co-Produzentin Sara Nodjoumi entwickelt hat, einer geborenen Iranerin.

Ein breites Publikum: Deshalb die Musik, vor allem wilder iranischer Rap. Deshalb die „recht zugängliche Machart“ (Schauder) mit vielen Rhythmuswechseln. Deshalb vor allem die sportliche Basis und ein Protagonist, der großen Sinn für Humor mit Neugierde und Menschengespür verbindet, ohne sich als politischer Botschafter zu verstehen. „Kevin geht dahin, um einen Job zu machen, nicht um die Welt zu verbessern“, sagt Schauder.

Basketball ist also einerseits das Medium im Film, das zum Beispiel die vertraulichen Gespräche ermöglicht, die Kevin Sheppard mit drei Iranerinnen über Politik und Frauenrechte führt. Es ist andererseits das Medium des Films, vom Produzentenpaar gewählt, um die Zielgruppe zu vergrößern: „Wenn man einen Film über kulturelle und religiöse Annäherung oder Menschenrechte ankündigt, klingt das eher dröge“, sagt Till Schauder. „In den USA habe ich den Film so beschrieben, dass da ein Amerikaner im Iran Basketball spielt. Das hat meistens gereicht, um Interesse zu wecken.“

Interkulturelle Überraschungen

Das öffentliche Echo - auch in Deutschland, viele große Medien berichteten über den Film und seine Entstehung  findet er „toll“. Im September 2012 waren in New York und Los Angeles erste Vorstellungen des zunächst per Crowdfunding finanzierten Streifens gelaufen – nach guten Kritiken und zwischenzeitlicher Erwähnung als Oscar-Kandidat startet er bald ein zweites Mal in den Staaten, diesmal in einem großen Verleih. Wo der Regisseur anwesend war, hörte er häufiger von Frauen, sie hätten nur ihren Mann ins Kino begleitet. „Sie waren sehr positiv überrascht, dass es auch um Frauenrechte ging, nicht nur um Sport.“ Nach einer Vorstellung im texanischen Houston kam ein früherer Bomberpilot auf Schauder zu. „Er sagte: ,Zum Glück habe ich den Film gesehen. Ich wollte mich schon für einen Krieg im Iran bereitmachen.'“

Was hat ein Projekt wie „The Iran Job“ mit Integration durch Sport in Deutschland zu tun? Ganz schön viel bei genauerem Hinsehen, über die Herkunft des Regisseurs hinaus. Es geht ja um Allgemeingültiges. Zum Beispiel darum, dass die Botschaft vom interkulturellen Austausch sinnvollerweise nicht nur die erreichen darf, die ihr sowieso folgen („Preaching to the converted“, sagt man laut Schauder in den USA: den Überzeugten predigen). Oder um die Aufforderung, Klischees zu dekodieren und sich klarzumachen, wie unersetzlich persönliche Erfahrung ist.

Im Kontext mit Iran kann das etwa Marvin Willoughby bestätigen, deutscher Ex-Nationalspieler im Basketball und Gründer eines Integrationsprojekts in Hamburg-Wilhelmsburg (siehe Opens external link in new windowInterview). Der zweiwöchige Nationalmannschaftstrip nach Teheran im Jahr 2000 sei die aufregendste seiner vielen Basketballreisen gewesen, sagt er. Hier das Offizielle: kein Start des Fliegers, bevor nicht alle lange Hosen anhaben, und vor Ort eine „einschüchternde“ Liste mit Verhaltensregeln. Dort das Inoffizielle: „interessierte, begeisterte, super entspannte Menschen, vor allem wenn die Türen zu waren“. Der Sport als Basis für interkulturellen Dialog.

Stichwort Überraschung: Schauder erzählt, er habe sich im Iran zunächst als Deutscher vorgestellt, aus Angst vor „negativen Reaktionen“. Irgendwann, es war noch in der Regierungszeit von George Bush, sei ihm rausgerutscht, dass er auch Amerikaner ist: bei einer Demonstration zur Feier der Revolution von 1979. „Da waren junge Demonstranten mit Hisbollah-Insignien und Plakaten, auf denen ,Down with America' stand. Als ich mich verplappert hatte, haben Sie große Augen gemacht und gesagt, wir mögen zwar Euren Präsidenten nicht, aber wir mögen Amerikaner.“ Vor der Enthüllung seien die Leute freundlich gewesen, so Schauder weiter. „Danach waren sie richtig freundlich.“

Symbolfiguren im Taxi

Und was das Offizielle angeht: Die Macht von Mahmud Ahmadineschad sei weniger groß, als viele dächten und als es auch Kevin Sheppard im Film vermute. So sei der Präsident ein Verfechter des Zutritts von Frauen zu Sportveranstaltungen. Die scheinbar willkürlichen, oft kurzfristigen Verbote ihrer Anwesenheit auf den Tribünen ( von den Männern separiert) kämen meistens von den Religionsführern.

Politik, Gesellschaft, Religion: Das hängt nicht nur im Iran miteinander zusammen. In den USA nimmt Schauder neben der Integrations- auch die Islamdebatte als relativ gelassen war. „Seit dem 11. September gibt es auch dort immer mal Diskussionen, wenn eine Moschee gebaut werden soll. Aber im Alltag, im Verhältnis Mensch zu Mensch ist man es in den USA eher gewohnt, mit anderen Religionen umzugehen als in Deutschland.“ Er höre von Muslimen und speziell Iranern immer wieder, dass sie sich in klassischen Einwanderungsländern wie USA oder Australien nach wie vor einfacher integrierten als in Europa. „Sie sind dort eine der erfolgreichsten Einwanderungsgruppen mit hohen Einkommen, hoher Bildung und großer Präsenz in öffentlichen Institutionen.“ Iraner in Deutschland seien genauso gebildet, hätten aber offensichtlich nicht die gleichen  Möglichkeiten. „Ich merke das beim Taxifahren. Von zehn Fahrten in Deutschland sind fünf mit Iranern. In den USA bin ich noch nie mit einem Iraner gefahren. Die haben dort andere Berufe.“

Basketball, der Sport, der die Integration von Schwarz und Weiß in den USA vorantrieb, als Ausgangspunkt für einen Ost-West-Dialog: „The Iran Job“ ist ein unterhaltsam-informativer Film. Und ein bittersüßes Projekt. Der Dreh kam ohne offizielle Genehmigung zustande, Schauder landete im Iran auf einer Schwarzen Liste. Von Kevin Sheppards Freundinnen sind zwei ausgewandert, die dritte (Elaheh) wurde laut Schauder zweimal von der Geheimpolizei verhört, ihre Familie hat infolge des Films Ausreiseverbot. Kevin Sheppard selbst leitet heute eine Basketball-Liga für Jugendliche in seiner Heimat. Mitspielen darf nur, wer auch die Schule besucht.

(Quelle: DOSB / Text: Nicolas Richter)

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