„Doping in Deutschland“: Forscher präsentieren Zwischenergebnisse
Forscher der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster präsentierten am Dienstag (6. November) in Berlin Zwischenergebnisse des Forschungsprojekts „Doping in Deutschland von 1950 bis heute".

06.11.2012

Bei der Veranstaltung vor rund 100 Journalisten und Wissenschaftlern im Presse- und Informationsamt der Bundesregierung fehlten in der Reihe der präsentierenden Forscher die Wissenschaftler der Humboldt-Universität (HU) Berlin, die den zweiten Teil des Projekts übernommen hatten. Die Berliner Projektgruppe hatte sich im März 2012 aufgelöst und jetzt, so erklärte das Bundesinstitut für Sportwissenschaft (BISp) als Gastgeber, die aktive Teilnahme an der Ergebnispräsentation abgesagt. Unter Leitung von Professor Hanno Strang hatte sie in den vergangenen drei Jahren zu den Schwerpunkten „Stationen des Dopings in Deutschland“ und „Ethische und rechtliche Reflexion des Dopings in Deutschland“ geforscht.
Das Präsidium des DOSB hatte das Forschungsprojekt 2008 initiiert, um „eine vorbehaltlose, umfassende Aufklärung und Systematisierung des Phänomens Doping in Deutschland“ untersuchen zu lassen. Das BISp fördert und begleitet seit 2009 das Projekt. Die Ergebnisse des Forschungsprojektes, so erklärte das BISp, „sollen Aufklärung über das sich teilweise im Dunkelfeld befindende Phänomen und deren Einzelfälle in Gänze leisten und dieses in einen sozialgeschichtlichen Kontext der jeweiligen Zeit setzen. Die Beurteilung von Einzelfällen und Systemeffekten sollen als Grundlage für künftige Forschungen in der Dopingprävention dienen“.
BISp und DOSB bedauern Rückzug der Berliner Wissenschaftler
BISp-Direktor Jürgen Fischer und DOSB-Generaldirektor Michael Vesper bedauerten das Fehlen des Berliner Teils in diesem dritten Forschungsbericht nach den Zwischenberichten von 2010 und 2011. „Ein Endbericht kann deshalb als Gesamtbericht nicht erstellt werden. Das ist unbefriedigend“, sagte Fischer. Wie Vesper betonte er allerdings, DOSB und BISp seien „nicht nur daran interessiert, sondern fest gewillt, das Projekt zu Ende zu führen“. Es müsse nun analysiert werden, „ob Restforschungsbedarf besteht“. Zugleich bedeute ein neues Projekt aber auch neues Geld. Dennoch sagte Fischer: „Ich kann versichern, dieses Ding wird zu Ende geführt, und so, wie es geplant war.“ Man sei sich von Anfang an bewusst gewesen, dass dies ein problematisches, schwieriges Projekt sei, sagte Fischer. Doch ungeachtet der aktuellen Probleme sei es richtig gewesen, es anzugehen, mit dem Ziel einer ausgewogenen Gesamtbetrachtung beim Herausarbeiten aller Unterschiedlichkeiten in Ost und West.
Als Antwort auf die jüngste öffentliche Kritik an der Begleitung des Projekts durch das BISp verwies Fischer auf den gesetzlichen Rahmen des Datenschutzgesetzes und für die Archive des Bundes, denen auch die Forschung unterliege. „Persönlichskeitsrechte müssen beachtet werden. In diesem Sinne haben wir immer darauf hingewiesen, auf gesicherte Quellenlage zu achten“, sagte der BISp-Direktor. „Da darf man uns nicht Zensur vorwerfen.“
Bei der Archivarbeit seien die Forscher durch den DOSB sehr unterstützt worden, erklärte Fischer. Ebenso sei man bei vielen DOSB-Mitgliedsverbänden auf große Akzeptanz gestoßen, „bei anderen weniger“.
Vorwürfe, das Projekt sei aus Berliner Sicht an mangelnder Finanzierung gescheitert, wies Fischer zurück. „Das kann wirklich nicht der Grund für die Auflösung gewesen sein“, sagte er. „Wir haben dieses Projekt außer der Reihe in unseren Forschungsetat eingebaut und versucht zu finanzieren.“ Zunächst mit 450.000 Euro, jetzt seien es zwischen 525.000 und 550.000 Euro. „Wir wussten, dass es ein knapper Rahmen ist“, auch dies sei ein Projekt subsidiärer Forschung, „wie wir sie betreiben“, die ohne Eigenmittel der Universitäten nicht auskomme. „Ausschlaggebend war, dass beide Forschungsgruppen erklärt haben, mit diesen Mitteln zu forschen“, sagte Fischer und beklagte „viele Widersprüchlichkeiten im Gebaren der HU“. Auch die Vorsitzende des Projektbeirats, Professor Dorothee Alfermann, deren Gremium die Forscher wissenschaftlich begleitete, wies Kritik zurück: „Wir haben nicht versucht, die Berliner Projektgruppe auszubremsen, ganz im Gegenteil“, sagte sie.
Vesper fordert Berliner Gruppe auf, zum Gesamtbericht beizutragen
„Wir sind nach wie vor überzeugt, dass es eine gute Idee war“, sagte DOSB-Generaldirektor Vesper. „Aber wir haben immer darauf hingewiesen, es muss am Ende etwas Ganzes dabei herauskommen. Wer einen Auftrag annimmt, muss ihn erfüllen.“ Das Interesse des DOSB an diesem Projekt sei, Strukturen und Zusammenhänge des Dopings und des Anti-Doping-Kampfes in Deutschland bewusst zu machen und daraus zu lernen. Fischer ergänzte, dass es nie Ziel der Studie gewesen sei, Handlungen Einzelner zu untersuchen und zu skandalisieren, es sei denn, sie könnten im Rahmen der zeitgeschichtlichen Bedeutung genannt werden.
Die Vorträge der Münsteraner Wissenschaftler nannte Vesper „interessant“, aber sie seien nur ein Teilaspekt, den man nicht isoliert betrachten sollte. „Es fehlt eben der andere Teil der Aufgabe, ohne den man diese Ergebnisse auch nicht richtig einordnen kann.“ Das DOSB-Präsidium wolle den im Frühjahr erwarteten Abschlussbericht zur Kenntnis nehmen und bewerten. Vesper: „Wir haben ein Forschungsprojekt angeregt, das muss von beiden Gruppen verantwortet werden.“
Doch schon jetzt, ergänzte Vesper, seien viele Konsequenzen gezogen worden. Dazu zählten die Anti-Doping-Berichte der Verbände oder das Deutsche Schiedsgericht, das immer mehr zur Institution des deutschen Sports geworden sei. Auch könne sich sehen lassen, was sich in der Prävention etwa in der Arbeit der Deutschen Sportjugend gemeinsam mit Professor Gerhard Treutlein entwickelt habe.
Unter der Leitung von Professor Michael Krüger forschen die Wissenschaftler der WWU zu den Themen „Verhältnis von Sport und Staat“ und „Öffentlicher Diskurs zum Doping in Deutschland“. Sie trugen in Berlin ihre Zwischenberichte zum Zeitraum 1990 bis heute vor.
Christian Becker beschrieb, wie unmittelbar vor und nach der staatlichen Vereinigung 1990 erste Enthüllungen in den Medien „eine ungebrochene Dopingmentalität im gesamtdeutschen Sport“ konstatiert hätten. Zudem hätten die Veröffentlichungen Maßnahmen des Anti-Dopings beschleunigt, etwa das System der Trainingskontrollen, die zum Teil schon geplant oder bereits auf den Weg gebracht worden seien. Festzuhalten sei zudem, „dass sich die Freiheit des Sports in Bezug auf den Staat über den Gegenstand ‚Doping‛ - allerdings nur schleichend – zu einer ‚eingeschränkten Autonomie‛ entwickelte“.
Professor Henk Erik Meier berichtete über „Doping als Reflexionsanlass“ über Vergangenheit und Zukunft des Spitzensports. Seine Untersuchung ausgesuchter überregionaler Zeitungen ergab, dass gesellschaftliche Leistungserwartung an den Spitzensport aufrechterhalten, gleichzeitig aber Dopingfreiheit gefordert wurde. Der Ausweg aus dem Dilemma, so Meier, „bestand und besteht folgerichtig nur in einer verbesserten Anti-Doping-Politik“.
Vor diesem Hintergrund der deutschlandpolitischen Erwartungen an die Sportverbände erscheine die Strategie der Sportfunktionäre, ostdeutsche Funktionäre, Mediziner und Trainer zu übernehmen, „zwar scheinheilig, aber rational und im Einklang mit den politischen und medialen Erwartungen“.
Professor Krüger lobt Zusammenarbeit mit DOSB
Mara Konjer erläuterte den „Dopingdiskurs der 1990er und 2000er Jahre“ in wöchentlich erscheinenden Medien, ehe Professor Krüger die Hintergründe der Gründung der Nationalen Anti-Doping Agentur (NADA) beleuchtete. Krüger lobte anschließend die Zusammenarbeit mit dem DOSB-Archiv „Gedächtnis des Sports“, das wichtige Hilfe geleistet habe. „Das war vorbildlich“, sagte der Sporthistoriker. „Aber eine wichtige Aufgabe des DOSB wäre es, seine Mitgliedsverbände zu überzeugen, saubere Archive zu führen, auf die man als Wissenschaftler zurückgreifen kann.“
Vor dieser Präsentation waren erste Zwischenergebnisse zu der Zeit nach dem 2. Weltkrieg bis Mitte der 1970er Jahre am 25. Oktober 2010 an der Universität Leipzig vorgestellt worden. Am 26. und 27. September 2011 folgte im Bundesinnenministerium in Berlin eine Präsentation der Zwischenergebnisse des anschließenden Zeitraums bis zur Deutschen Einheit. Die Erkenntnisse der beiden Teilprojekte, so teilte das BISp mit, seien bereits in zahlreiche wissenschaftliche Vorträge gemündet und in mehreren Fachzeitschriften publiziert worden. Weitere Artikel befän-den sich derzeit im Review-Verfahren
(Quelle: DOSB)