DOSB antwortet auf Offenen Brief zum Fall Goldmann
DOSB-Präsident Thomas Bach und DOSB-Generaldirektor Michael Vesper haben in einem Schreiben an die Athletinnen und Athleten auf den Offenen Brief geantwortet, mit dem die Sportler am 12. Januar 2009 im Fall des Trainers Werner Goldmann Stellung bezogen hatten.

28.01.2009

Bach und Vesper erläuterten in dem Schreiben die Vorgehensweise der vom DOSB eingesetzten Unabhängigen Kommission zur Überprüfung von Trainern/innen und Offiziellen mit Dopingver-gangenheit im Fall des Leichtathletiktrainers Werner Goldmann. Die Kommission unter Vorsitz des Bundesverfassungsrichters a.D. Dr. Udo Steiner hatte empfohlen, Goldmann wegen Verstrickung in das Doping-System der DDR nicht weiterzubeschäftigen. Bach und Vesper verwiesen darauf, dass die Kommission möglicherweise anders geurteilt hätte, wenn Goldmann seine Doping-Verstrickung gegenüber der Kommission eingestanden und zugleich bedauert hätte: “Sie hat ihm mehrere Brücken gebaut, über die Herr Goldmann aber leider nicht gehen wollte.”
Bach und Vesper machten deutlich, dass es keine allgemeine Amnestie für Fehlverhalten im Zusammenhang mit Doping geben könne, weil man diesen Teil der Geschichte des deutschen Sports nicht einfach ausblenden könne: “Wir wollen und wir müssen uns ihr stellen. Ebenso richtig ist aber, dass niemand ein Leben lang für sein damaliges Fehlverhalten in Sachen Doping büßen muss.” Jeder verdiene eine zweite Chance, die durch Eingeständnis, Bedauern und glaubwürdiges Verhalten ermöglicht werde.
Das von Dr. Bach und Dr. Vesper unterzeichnete Schreiben des DOSB vom 23. Januar 2009 im Wortlaut:
Liebe Sportlerinnen und Sportler,
wir bedanken uns für Ihren offenen Brief vom 12. Januar 2009, mit dem Sie Ihren Trainer Werner Goldmann unterstützen und verlangen, einen Schlussstrich unter die Aufarbeitung der Doping-Vergangenheit des Spitzensports in der ehemaligen DDR zu ziehen. Wir können Ihre Haltung in Teilen durchaus verstehen, aber in den von Ihnen vorgeschlagenen Konsequenzen nicht nachvollziehen.
Zwar nicht ausdrücklich, aber doch indirekt gehen Sie in Ihrem Schreiben davon aus, dass Herr Goldmann tatsächlich während seiner Trainertätigkeit in der ehemaligen DDR seinen Athleten Dopingmittel, die berühmten „blauen Pillen“ Oral-Turinabol, verabreicht hat. Sie entschuldigen das damit, dass er in dem damaligen, von der Staatsführung gesteuerten DDR-Sportsystem keine andere Chance hatte.
Hätte Herr Goldmann selbst doch den Mut gehabt, dies gegenüber der von uns eingesetzten Unabhängigen Kommission einzugestehen und zugleich zu bedauern! Die Kommission unter Vorsitz des ehemaligen Bundesverfassungsrichters Prof. Dr. Udo Steiner (weitere Mitglieder: Heide Ecker-Rosendahl und Steffen Reiche, MdB) wäre dann möglicherweise zu einem anderen Ergebnis gekommen. Sie hat ihm mehrere Brücken gebaut, über die Herr Goldmann aber leider nicht gehen wollte.
Unsere Haltung ist ganz klar: Einen Schlussstrich oder eine allgemeine „Amnestie“ kann es nicht geben, weil wir diesen Teil der Geschichte des deutschen Sports nicht einfach ausblenden können. Wir wollen und wir müssen uns ihr stellen. Ebenso richtig ist aber, dass niemand ein Leben lang für sein damaliges Fehlverhalten in Sachen Doping büßen muss. Jeder verdient eine zweite Chance - allerdings unter der dreifachen Bedingung, dass er seine Taten eingesteht, statt sie schönzureden, diese Taten aufrichtig bedauert, vor allem auch deswegen, weil sie bei den betroffenen Athletinnen und Athleten zu teilweise schweren Gesundheitsschädigungen geführt haben, und in den fast zwei Jahrzehnten, die seit der Wende vergangen sind, glaubwürdig einen anderen Weg eingeschlagen hat.
Sie werfen uns vor, von Herrn Goldmann die Unterzeichnung einer „Ehrenerklärung“ verlangt zu haben, „von der man weiß, dass sie nicht erfüllt werden kann“. Uns in die Schuhe schieben zu wollen, dass jemand wahrheitswidrig eine Erklärung unterzeichnet, ist wirklich hanebüchen. Wir haben niemanden gezwungen zu lügen. Wer die vorgelegte Erklärung nicht guten Gewissens zu unterschreiben in der Lage war, konnte sich an uns wenden und dem Urteil unserer Kommission stellen. Im Fall von Stasi-Verstrickungen ist das übrigens vielfach geschehen. Auch da herrscht keine bornierte „Kopf-ab-Mentalität“, sondern die Bereitschaft, sich mit jedem Einzelfall ernsthaft und unter Abwägung aller Argumente auseinanderzusetzen.
Dass Werner Goldman diesen konstruktiven Weg nicht gegangen ist, bedauern wir sehr. Unabhängig von seinem Fall kommt es uns darauf an, deutlich zu machen, dass wir uns der Aufarbeitung der Sportgeschichte beider Teile Deutschlands nicht entziehen können und wollen. Mag sein, dass das früher hätte geschehen müssen - den DOSB gibt es erst seit zweieinhalb Jahren. Das entbindet uns aber nicht von dieser Aufgabe. Darum haben wir, um nur zwei Maßnahmen zu nennen, gleich nach unserer Gründung die Entschädigung der DDR-Dopingopfer vorangetrieben und jetzt das Forschungsprojekt „Doping in Deutschland“ in Auftrag gegeben, das auf diese Fragen Antworten geben soll. Wir laden Sie ein, sich an dieser Arbeit zu beteiligen.
Lassen Sie uns abschließend betonen: Nicht nur Ihnen, auch uns liegen Ihre Trainingsbedingungen am Herzen. Wir wollen, dass Sie sich optimal auf die Leichtathletik-Weltmeisterschaft im August und die Olympischen Spiele in London 2012 vorbereiten können und geben Ihnen gemeinsam mit Ihrem Verband gerne jede nur mögliche Unterstützung.