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DOSB-Präsident und IOC-Vizepräsident Thomas Bach im Interview

Im Interview mit dem Sportinformationsdienst (sid) spricht DOSB-Präsident und IOC-Vizepräsident Thomas Bach über Olympia 2008 und die Zurückhaltung des Sports in der Diskussion um Menschenrechte und Tibet-Frage.

DOSB Redaktion
DOSB Redaktion

18.04.2008

sid: Hat der Fackellauf durch die vielen Proteste seine friedliche Symbolik verloren?

Thomas Bach: Nein, denn das Feuer ist ein olympisches Symbol und kein staatliches Hoheitszeichen Chinas. Es soll insbesondere  stehen für den friedlichen Wettstreit aller Nationen der Welt. Es gelingt nur dem Sport und nur den Olympischen Spielen, alle 205 Nationen dieser Erde an einem Ort zu diesem friedlichen Wettstreit zu versammeln. Dazu soll die Fackel einladen. Deshalb werde ich auch am Eröffnungstag der Olympischen Spiele in Peking gemeinsam mit anderen Mitgliedern der IOC-Exekutive die Fackel tragen. Sie hat für mich als Olympiasieger ebenso wie für viele andere olympische Athleten, die sie während des Fackellaufs tragen, eine besondere emotionale Bedeutung.

sid: Haben die Debatten der vergangenen Wochen in Deutschland am Image der Spiele gekratzt?

Bach: Die Tatsache, dass die Olympischen Spiele in Peking stattfinden, hat dazu geführt, dass über Politik und Menschenrechte in China in einem Ausmaß diskutiert wird, wie dies nie zuvor der Fall war. Das sollte Olympia eher positiv zugerechnet werden. Als der DOSB im Mai 2007 ein Papier zur Lage der Menschenrechte in China herausgegeben hat, in dem wir klar auf Mängel hingewiesen und Verbesserungen angemahnt haben, hat das niemand zum Thema gemacht. Die Fußball-WM der Frauen hat in China stattgefunden. Damals haben wir den großartigen WM-Sieg unserer Mannschaft zurecht gefeiert, eine öffentliche Diskussion über Menschenrechte hat nicht stattgefunden. Schon dadurch wird deutlich, wie sehr die Olympischen Spiele die Scheinwerfer auf ein Land richten und durch Dialog hoffentlich zur weiteren Öffnung beitragen können.

sid: Welche Auswirkungen sehen sie für die Athleten?

Bach: Zunächst haben sie sich sehr erfreut gezeigt über das klare und rechtzeitige Wort des DOSB für eine Teilnahme. So wie es unser gewählter Aktivensprecher Christian Breuer gesagt hat: Die Athleten wollten nicht, wie von manchem gefordert, als ´Poker-Karte´ politisch instrumentalisiert werden. Der DOSB hat bei seinem Teilnahmebeschluss gleichzeitig betont, dass die Sportler ihre Meinung frei äußern können; dazu wird auch innerhalb der Regeln der Olympischen Charta ausreichend Gelegenheit sein, z.B. bei Pressekonferenzen, in Statements und Diskussionen.

sid: Wie groß ist der Druck auf Athleten, sich zu äußern?

Bach: Sie wissen, dass das Recht zur Meinungsäußerung auch das Recht mit einschließt, sich nicht zu äußern. Für sie ist es auch wichtig, sich auf die Wettkämpfe konzentriert vorbereiten zu können. Der DOSB hat deshalb auch sein Konzept einer großen öffentlichen Verabschiedung der Olympiamannschaft am Brandenburger Tor in Berlin geändert. Wir wollen eine Veranstaltung, bei der die Athleten im Mittelpunkt stehen und die nicht durch politische Auseinanderssetzungen überlagert wird.

sid: Weshalb lädt das IOC nicht den Dalai Lama als Ehrengast zur Eröffnungsfeier ein?

Bach: Das IOC ist keine Weltregierung, es hat kein Mandat für eine politische Vermittlerrolle. Das kann allein Aufgabe der Vereinten Nationen sein. Eine Einladung an den Dalai Lama wäre eine politische Demonstration, die das IOC eindeutig überfordern würde.

sid: Sie wurden in den vergangenen Tagen persönlich angegriffen. Unter anderem wurden Ihnen Verflechtungen zwischen anwaltlichem Beruf und sportlichen Ehrenämtern unterstellt. Bedauern Sie manchmal ihr doppeltes Engagement?

Bach: Nein, überhaupt nicht. Dafür liegt mir der Sport seit meiner eigenen Zeit als Athlet viel zu sehr am Herzen. Die Unterstellungen treffen mich aber schon, weil ich sehr auf eine strikte Trennung achte. So habe ich meine beruflichen Tätigkeiten sowohl der Ethikkommission des IOC als auch der Findungskommission des DOSB vor meiner Wahl zum Präsidenten offen gelegt. Dazu habe ich selbst die für einen deutschen Sportverband einmalige Ernennung eines Corporate-Governance-Beauftragten des DOSB initiiert und auch ihm diese Informationen übermittelt.

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