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Ein Elfjähriger berührt die Sportfans im Herzen

Noah Steinert wird beim 11. Biebricher Schlossgespräch mit dem Fair Play Preis des Deutschen Sports ausgezeichnet und vom Publikum gefeiert. Sonderpreisträger Jürgen Klopp hält ein Plädoyer für Olympische Spiele in Deutschland, und die künstliche Intelligenz spielt auch in Wiesbaden eine wichtige Rolle.

DOSB Redaktion
DOSB Redaktion

23.05.2025

Menschen mit Urkunden lächeln in die Kamera
Die Preisträger: Jürgen Pfau (BFV), Kevin Jackson und Ralf Zinnow (Antenne Bayern), Noah Steinert und Jürgen Klopp (v. l. n. r.)

Jürgen Klopp in den Schatten zu stellen, das ist eine Herkules-Aufgabe. „The normal one“, wie sich die deutsche Fußballtrainer-Legende 2015 bei Amtsantritt in Liverpool selbstironisch bezeichnet hatte, ist es gewohnt, mit seiner Eloquenz und Präsenz alle zu überstrahlen. Am Donnerstagabend jedoch, da kam Herkules in Gestalt eines elfjährigen Jungen daher. Noah Steinert, Schüler aus Ilmenau in Thüringen, berührte die 130 Gäste, die anlässlich der Verleihung des Fair Play Preises des Deutschen Sports zum „Biebricher Schlossgespräch“ nach Wiesbaden gekommen waren, im Herzen. Als er mit seinem Freund Karl Sauerbrey auf der Bühne in der Rotunde des Schlosses die Momente schilderte, die ihn zum Hauptpreisträger des Abends gemacht hatten, konnte jeder nachvollziehen, was Laudatorin Michelle Kroppen zuvor in Worte gefasst hatte: „Du hast alle inspiriert, die von deiner Geschichte gehört haben. Du hast mich und viele andere ins Herz getroffen.“

Noah war am 29. Mai des vergangenen Jahres beim Sportfest der Staatlichen Grundschule „Thomas Müntzer“ in Ilmenau im Crosslauf um den Ententeich in der Führungsgruppe gelaufen, hatte dann aber in der zweiten von drei Runden auf seinen angeschlagenen Mitschüler Karl gewartet, um ihm ins Ziel zu helfen. Seine Siegchancen büßte Noah damit zwar ein. Die Herzen vieler Sportfans aber hat er mit seiner Aktion gewonnen. „Ein Grundschüler, der seinen sportlichen Erfolg unterordnet, um einem verletzten Freund zu helfen: Das ist eine zugleich bemerkenswerte wie berührende Geste, welche die Werte des Sports herausragend symbolisiert. Damit hat er schon in jungen Jahren ein vorbildliches Verhalten bewiesen“, sagte der Jury-Vorsitzende Prof. Dr. Manfred Lämmer, Vorstandsmitglied der Deutschen Olympischen Akademie (DOA), die gemeinsam mit dem Hessischen Ministerium für Familie, Senioren, Sport, Gesundheit und Pflege (HMFG) als Ausrichter des Abends fungierte.

Michelle Kroppen hält Laudatio auf Noah Steinert

Weil Noah, der in Begleitung seiner Eltern Jana und Christoph Steinert angereist war, leidenschaftlicher Bogenschütze bei der SG 1723 Langewiesen ist, freute er sich sehr darüber, dass ihn eine zweifache Olympiamedaillen-Gewinnerin aus seinem Sport ehrte. Dabei war schwer auszumachen, wer von beiden vorher aufgeregter war. „Ich habe noch nie eine Laudatio gehalten und mag es nicht, vor vielen Menschen zu sprechen“, sagte Michelle Kroppen, die dann aber so souverän ablieferte wie im vergangenen Jahr in Paris beim Silbergewinn im Mixed. „Manchmal zeigt sich wahre Größe nicht darin, als Erster ins Ziel zu laufen. Du hast deinen Erfolg hinten angestellt und Sportlichkeit gezeigt, wie wir sie uns wünschen“, sagte sie. Das Publikum dankte mit Sonderapplaus.

Stifter des Fair Play Preises, der in der aktuellen Form seit 2011 verliehen wird und nicht dotiert ist, sind der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) und der Verband Deutscher Sportjournalisten (VDS), die jedes Jahr Personen oder Initiativen ehren, die Respekt, Freundschaft und Solidarität auf und neben dem Platz vorleben. Und weil auch aus dem vergangenen Jahr wieder eine Vielzahl an preiswürdigen Handlungen zur Auszeichnung vorgeschlagen war, entschied die elfköpfige Jury, neben dem Hauptpreis auch zwei Sonderpreise zu verleihen. Einen davon erhielt Jürgen Klopp (57) für seine Entscheidung, den englischen Traditionsverein FC Liverpool, mit dem er 2019 die Champions League und ein Jahr später die englische Meisterschaft sowie die Club-WM gewinnen konnte, trotz laufenden Vertrags nach der Saison 2023/24 aus freien Stücken zu verlassen, weil ihm die Energie für den zehrenden Job fehlte.

  • Jürgen Klopp lächelt

    Ich weiß nicht, ob ich mich damit besonders fair verhalten habe. Aber ich habe mich richtig verhalten. Man muss sich das aber auch leisten können.

    Jürgen Klopp
    Head of Global Soccer
    Red Bull

    „Ich weiß nicht, ob ich mich damit besonders fair verhalten habe. Aber ich habe mich richtig verhalten. Man muss sich das aber auch leisten können“, zog der Ausgezeichnete ein ehrliches Fazit seiner Ehrung. In seiner gewohnten, charmant-witzigen Art spazierte der neue Head of Global Soccer bei Red Bull, animiert durch die Fragen von ZDF-Redakteur Eike Schulz, der als Moderator durch den Abend führte, im Schnelldurchlauf durch seine Karriere, so dass bisweilen der Eindruck entstand, es gehe um einen Preis für sein Lebenswerk. Der langjährige Bundesligacoach (Mainz 05, Borussia Dortmund) bekannte freimütig, es sei „außergewöhnlich, dass ich mit dem Bisschen, was ich kann, so weit gekommen bin“, und dass er dem Abschied vom Trainerberuf keine Träne nachweine. „Mit 57 noch jeden dritten Tag an der Seitenlinie herumspringen, das ist ja auch nicht gesund“, sagte er.

    Für einen weiteren Gänsehautmoment sorgte Campino, Frontmann der „Toten Hosen“, Liverpool-Superfan und Freund der Familie Klopp, der in seiner Videobotschaft sagte: „Du bist der Beweis, dass ein echter Sportsmann Fairness und Respekt immer als Priorität haben sollte.“ Da tauschte selbst ein Schmeicheleien gewohnter Haudegen wie Jürgen Klopp sein markantes Strahlen, das jeder Werbekampagne der Zahnärzte-Innung bestens zu Gesicht stünde, kurzzeitig gegen ein berührtes Schlucken. Die von DOSB-Präsidiumsmitglied Kim Bui überreichte Auszeichnung soll Platz im Trophäenzimmer des Hauses finden, das Klopp gerade in Wiesbaden bauen lässt.

    Sonderpreis für Initiative „Bleibt's entspannt am Spielfeldrand!”

    Den zweiten Sonderpreis gab es für die Initiative „Bleibt’s entspannt am Spielfeldrand!“, mit der Antenne Bayern und der Bayerische Fußball-Verband nachhaltig das gesellschaftliche Bewusstsein für respektvolles Verhalten schärfen. In vielen Interviews sprachen die Radio-Moderator*innen mit Eltern, Schiedsrichter*innen oder Trainer*innen. Radiospots mit Unterstützung von Botschaftern wie Ex-Nationalspieler Philipp Lahm liefen mehrere Wochen täglich auf dem Sender, landesweit hängen an Tausenden Fußballplätzen Motive der Initiative. „Antenne Bayern und der BFV haben mit ihrer Initiative Türen geöffnet für ein entspanntes und faires Miteinander auf dem Fußballplatz“, lobte der VDS-Vorsitzende André Keil in seiner Laudatio.

    • Daniel Memmert blickt in die Kamera

      Ich glaube, dass Menschen nicht alles erkennen können, was in Daten steckt. Deshalb brauchen wir die KI, weil sie Dinge erkennt, die Menschen nicht sehen. Das kann zum Beispiel im Scouting sehr hilfreich sein.

      Daniel Memmert
      Geschäftsführender Leiter und Professor
      Institut für Trainingswissenschaft und Sportinformatik der Deutschen Sporthochschule Köln

      Zusätzlich zu den drei Preisträgern sprach die Jury zwei Belobigungen aus: Zum einen an den Sportschützen Florian Peter, der beim Weltcupfinale in München einen Zeitfehler meldete, wodurch ihm ein Treffer abgezogen wurde und er letztlich das Podium als Vierter verpasste. Zum anderen an den Tennisclub Dettingen, der in einem ständigen Austausch mit seinen jungen Mitgliedern die Vereinsangebote weiterentwickelt, um sie im Sinne der UN-Kinderrechtskonvention mit den Belangen von Kindern und Jugendlichen zu vereinbaren.

      Vorangegangen war den Preisverleihungen das 11. Biebricher Schlossgespräch, das sich des Themas „Sport und Künstliche Intelligenz“ annahm. In einer Keynote versuchte sich Daniel Memmert, geschäftsführender Leiter und Professor am Institut für Trainingswissenschaft und Sportinformatik der Deutschen Sporthochschule Köln, an der Aufgabe, sein gesamtes Wissen in 15 Minuten zu pressen, was dazu führte, dass eine gehörige Portion menschlicher Intelligenz notwendig war, um die Ausführungen zur Anwendung künstlicher Intelligenz bei der Verwertung von Trecking-Daten im Sport umfänglich zu verstehen. Memmerts Kernaussage: „Ich glaube, dass Menschen nicht alles erkennen können, was in Daten steckt. Deshalb brauchen wir die KI, weil sie Dinge erkennt, die Menschen nicht sehen. Das kann zum Beispiel im Scouting sehr hilfreich sein. Die gewachsene Datenmenge führt im Gegensatz zur vorherrschenden Meinung dazu, dass man nicht weniger, sondern mehr Menschen braucht, die damit arbeiten. Es werden durch die KI also keine Jobs vernichtet, sondern geschaffen.“

      Klopp rät: Nicht nur auf Daten verlassen

      Jürgen Klopp lauschte den Ausführungen Memmerts nicht nur gespannt, er kommentierte sie auch in der ihm eigenen Art. „Das, was der Professor hier vorgestellt hat, war zu großen Teilen Bestandteil meiner Arbeit. Ich wusste gar nicht, dass das was mit KI zu tun hat, für mich war das immer Datenanalyse.“ Sein dringender Rat: Sich nicht nur auf Daten zu verlassen, sondern auch die menschliche Seite des Sports stets einzubeziehen. „Dieser Wahnsinn, dass Jugendlichen mit 17 gesagt wird, dass aus ihnen nichts werden wird, muss aufhören. Manche Menschen brauchen mehr Zeit zur Entwicklung“, sagte er. Und weil ein PR-Profi wie er die gebotenen Bühnen eben zu bespielen weiß, folgte noch ein leidenschaftliches Plädoyer für Olympische und Paralympische Spiele in Deutschland. „Wenn es eine Chance gibt, die Spiele nach Deutschland zu holen, wüsste ich keinen Grund, warum man es nicht unbedingt versuchen sollte!“

      Die Strahlkraft des Jürgen Klopp wurde spätestens deutlich, als sich nach Abschluss des offiziellen Programms eine Schlange an Menschen bildete, die sich mit ihm fotografieren wollten. Auch Noah Steinert, der am Tag nach der Ehrung per Sondergenehmigung schulfrei hatte, bekam ein Foto, dazu ein halbes Dutzend Autogramme, weil er natürlich auch in diesem Moment an seine Freunde gedacht hatte. „Wir haben jetzt einen kleinen Star“, sagte Michael Gohritz, Bürgermeister des Ilmenauer Ortsteils Gehren, der die Nominierung eingereicht hatte und mit nach Wiesbaden gekommen war. Einen kleinen Star, der keiner sein will und sich nicht in den Mittelpunkt stellen mag. Aber dem es am Donnerstagabend gelang, den großen Star wenigstens für eine Weile zum Nebendarsteller zu machen.

      • Junger Sportler erhält von einer Funktionärin die Auszeichnung Fair Play Preis.
        Noah Steinert erhält den Fair Play Preis des Deutschen Sports von DOSB-Vorständin Sportentwicklung Michaela Röhrbein. Foto: DOA / Picture Alliance
      • Im Biebricher Schloss: Moderator Eike Schulz (links) im Gespräch mit Fair Play-Preisträger Jürgen Klopp. Foto: DOA / Picture Alliance
      • In ihrem Grußwort hob DOA-Vorsitzende Prof. Dr. Gudrun Doll-Tepper die besonderen Leistungen der Preisträgerinnen hervor. Foto: DOA / Picture Alliance
      • Drei Männer und eine Frau. Ein Mann hält die Auszeichnung des Fair Play Preises in der Hand.
        Die Preisträger Jürgen Pfau (BFV), Kevin Jackson und Ralf Zinnow (Antenne Bayern) (von links nach rechts) wurden von DOSB-Präsidiumsmitglied Kim Bui (links) ausgezeichnet. Sie erhielten den zweiten Sonderpreis für die Initiative „Bleibt’s entspannt am Spielfeldrand!“.
      • Menschen im Raum des Schlosses in Biebrich.
        Das Biebricher Schloss in Wiesbaden bot eine eindrucksvolle Kulisse für die feierliche Verleihung des Fair Play Preises des Deutschen Sports. Foto: DOA / Picture Alliance

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