Experten unterstreichen große Bedeutung von Fußball-Fanprojekten
DOSB-Generaldirektor Vesper äußerte sich in einer Sachverständigenanhörung des Bundestags-Sportausschusses zum Thema „Extremismus und Gewalt im Fußball“.

20.11.2008

„Rassismus und Gewalt sind kein Spezialproblem des Fußballs, sie treten allerdings dort verstärkt in Erscheinung," erklärte Dr. Vesper und warf dabei einen besonderen Blick auf den Amateur- und Jugendfußball. Aus „eigener Erfahrung" wisse er, wie es phasenweise bei Spielen von Nachwuchsmannschaft zugehe. Dabei präge das schlechte Benehmen der Erwachsenen das Verhalten von Jugendlichen und Kindern. „Antirassismus-Arbeit fängt in der E-Jugend an", unterstrich der DOSB-Generaldirektor.
Der Fußball muss nach Worten des Präsidenten des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) „menschenwürdiger und respektvoller werden“. Dr. Theo Zwanziger führte weiter aus: „Die Ursachen für Gewalt und Extremismus liegen in der Gesellschaft, aber auch im Fußball begründet. Inakzeptable Fouls auf dem Spielfeld hätten Rückwirkungen auf latent gewaltbereite
Zuschauergruppen. Der DFB-Präsident wies darauf hin, richtige Fußballfans könnten mit Zivilcourage und besonnenem Handeln Rechtsextreme und Gewaltbereite in die Schranken weisen. „Im Alltag unserer Ligen müssen die Zuschauer den Extremen gegenüber die Flagge zeigen“, sagte er. Der DFB werde auf alle Fälle auch weiterhin durch intensive Sozialarbeit mit Fanprojekten Präventionsmaßnahmen gegen Gewalt durchführen.
Die Koordinationsstelle Fanprojekte bei der dsj wies in der Anhörung darauf hin, dass die Fankultur von der organisierten politischen Rechten „nicht mehr als potenzielles
Rekrutierungsfeld gesehen“ werde. Dies sei ein Fortschritt im Gegensatz zu den 80er und 90er Jahren. „Dazu hat wesentlich die erhöhte Aufmerksamkeit im Fußballsport auf allen Ebenen beigetragen“, heißt es in einem vorgelegten Papier. Seit der Einführung des „Nationalen Konzeptes Sport und Sicherheit“ im Jahre 1993 habe es keinen Todesfall mehr bei Fanausschreitungen gegeben, sagte Michael Gabriel von der Koordinationsstelle. Auch die Zahl der Rassismus-Fälle sei in der Ersten und Zweiten Bundesliga zurückgegangen. Diese Entwicklung, so Gabriel, sei von den Fußballfans selber angestoßen worden. Inzwischen würden jedoch auch die Verbände und Vereine dies unterstützen. Dennoch warnte Gabriel vor einer Überforderung: „Es darf nicht das Motto gelten: Fanprojekt gegründet - Problem gelöst.“
Martin Endemann vom Bündnis Aktiver Fußballfans machte deutlich, im Umfeld des Fußballs gehe es nicht um irgendeinen Extremismus, „sondern ganz klar um das Problem des Rechtsextremismus. Rechte Parteien und Kameradschaften drängen in die Amateurvereine, und das ist eine bedrohliche Situation". Vereine und Verbände hätten sich jahrelang nicht am rechten Gedankengut in der Fankurve gestört; das Engagement dagegen sei von Fangruppen ausgegangen. Professor Gunter A. Pilz von der Universität Hannover meinte, Rassismus und Extremismus seien kein Problem der Ränder der Gesellschaft, sondern hätten längst die Mitte erreicht. Rassismus und Rechtsextremismus seien nicht nur auf die Fan- und Ultraszene beschränkt, sondern auch unter „normalen" Zuschauern anzutreffen.