Fußball unterm Hakenkreuz
Offensichtlich sind auch 61 Jahre nach Ende des Menschen verachtenden Terrorregimes der Nationalsozialisten Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlickeit nicht ausgemerzt.

17.04.2006

Im Gegenteil: Im Jahr der Weltmeisterschaft 2006 mehren sich die Zeichen neuer Ernst zu nehmender rechtsradikaler Tendenzen auch im deutschen Fußball.
DFB-Präsident Zwanziger: Jedes Spiel mit rassistischen Vorfällen ist ein Spiel zu viel
„Wir müssen dagegen einschreiten. Jedes Spiel mit rassistischen Vorfällen ist ein Spiel zu viel“, sagt der Geschäftsführende Präsident des Deutschen Fußball-Bundes, Theo Zwanziger. Laut Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble haben der Sport und der Fußball Jahrzehnte gebraucht, um sich der Vergangenheit zu stellen. „Der Sport hat genauso versagt wie der Rest unseres Volkes. Es gibt heute zwar wenige Bereiche, wo für die Integration so viel getan wird wie im Sport und speziell im Fußball, aber es wird wichtig sein, dass wir noch mehr tun“, sagt der CDU-Politiker. „Wir müssen uns um die Aufarbeitung der Vergangenheit kümmern, weil uns die Jugend danach fragt und fragen wird“, sagt der Präsident des Deutschen Sportbundes (DSB), Manfred von Richthofen.
DFB und Owomoyela gemeinsam gegen Hetzkampagne der NPD
Zwanziger verdammte rassistische Diffamierungen wie gegen den Afrikaner Adebowale Ogungbure vom Oberligisten FC Sachsen Leipzig oder den deutschen Nationalspieler Patrick Owomoyela, der sich gemeinsam mit dem DFB gegen eine diffamierende Hetzkampagne der rechtsradikalen NPD mit einer Einstweiligen Verfügung wehrt. „Fußball unterm Hakenkreuz“, eine Tagung der Evangelischen Akademie Bad Boll, war eine Konfrontation mit der Gegenwart, eine Forderung nach Aufarbeitung der Vergangenheit und ein möglicher Entwurf für die Zukunft. Der DFB hatte die gleichnamige Studie des Mainzer Historikers Nils Havemann 2001 in Auftrag gegeben und im September 2005 veröffentlicht. Anlass der Studie war die Kritik beim 100-jährigen Jubiläum des Deutschen Fußball-Bundes 2000 in Leipzig, der größte Fußballverband der Welt würde sich nicht eingehend genug mit seiner Geschichte zwischen 1933 und 1945 auseinandersetzen. „Es geht um Wahrheit. Der Fußball muss seinen Beitrag leisten, dass eine Zeit wie die Herrschaft des Nationalsozialismus in Deutschland nicht wiederkehrt.“
Zwanziger für eine Politik der Null-Tolerenz
Die von Theo Zwanziger genannten Probleme seien in deutschen Fußballstadien an der Tagesordnung und blieben häufig genug unwidersprochen, erklärte Stephan Kramer, Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland. „Es herrscht eine gefährliche Verharmlosung rechter militanter Kräfte. Alle täuschen sich, die das Wiederkehren der braunen Bestialität für undenkbar halten.“ Abseits der Fernsehkameras herrsche vor allem in den Amateurligen „heute ein nahezu ungebremster Rassismus und Antisemitismus“. Zwischen dem FC St. Pauli und dem Chemnitzer FC war es in der Regionalliga Nord zuletzt zu rassistischen Zwischenfällen gekommen. „Rassismus ist nicht nur ein sichtbares Gift, sondern sehr oft ein schleichendes Gift. Und dieses schleichende Gift lässt sich nur durch eine Politik der Null-Toleranz bekämpfen“, sagte Zwanziger.
5 Millionen Euro für Schulsportoffensive
Dem deutschen Fußball steht viel Arbeit ins Haus. Sepp Herberger-Biograph und Spiegel-Autor Jürgen Leinemann kritisierte, dass „die Aufarbeitung der Vergangenheit im DFB sehr spät begonnen hat, deshalb soll man jetzt nicht so tun, als sei man schon furchtbar weit“. Schäuble nannte es „gut, dass der DFB seine Geschichte aufarbeitet“. Der Bundesinnenminister ergänzte: „Sich zu stellen, hat eine befreiende Wirkung, aber dieser Prozess muss weitergehen.“ Zwanziger kündigte eine Schulsportoffensive des DFB an: „Wir werden diese Initiative mit fünf Millionen Euro fördern. Wir meinen es ernst.“ Ein Anliegen, das DSB-Präsident Manfred von Richthofen mit Nachdruck unterstützt.