Gab es in der DDR (k)ein Leben mit Sport?
Das Deutsche Historische Museum in Berlin (Unter den Linden) zeigt jetzt eine Ausstellung mit dem Titel „Parteidiktatur und Alltag in der DDR“.

28.05.2007

Auf zwei Etagen werden in der Ausstellungshalle des neuen Pei-Baues zirka 540 Exponate auf rund 800 qm Fläche präsentiert, die dem Besucher den „real existierenden“ Zusammenhang von Diktatur und Alltag, von Herrschaft und Gesellschaft, von Einflussnahme und Privatsphäre verdeutlichen will. Gegliedert ist die Ausstellung nach sog. Themeninseln wie Massenorganisationen, Staatssicherheit, Opposition, Jugend und Alter etc.
Der Sport - soviel steht schon vor dem Rundgang beim bloßen Blick in den Ausstellungsflyer fest - gehört nicht zu den hier errichteten Themeninseln. Der am Sport Interessierte ist sogar geneigt zu fragen: Gehörte etwa der Sport nicht zum Alltag in der DDR? War der Sport in der DDR kein Instrument der Parteidiktatur? Und wer die DDR nur vom Hörensagen kennt, könnte noch krasser fragen: War die DDR gar eine „sportfreie Zone“? Warum die Macher der Ausstellung den Sport (besser noch: die in der DDR auch so bezeichnete: Körperkultur) als ein alltäglich verbreitetes und politisch sehr wichtiges Massenphänomen nominell ausgespart haben, bleibt vorläufig ihr Geheimnis. Wer dennoch den Weg durch die informativen Schautafeln und Vitrinen wagt, der kann bei genauerem Hinsehen hier und da schließlich doch verborgene Spuren erkennen, die davon zeugen, dass es in der DDR ein Leben mit Sport gegeben haben muss … vielleicht sogar gerade „zwischen“ Alltag und Parteidiktatur:
Auf dem großflächigen Wandmodell für die „Sozialistische Wohnstadt Halle-Neustadt“ von 1970 lassen sich zwar die Wohnungen in Plattenbauweise für 100.000 Menschen nur schematisch erschließen, zweifelsfrei nachzuzählen sind aber Freiflächen für mindestens fünf ungedeckte wohnraumnahe Sportplätze mit 400-m-Bahn. Mag sein, dass dort sogar der Nachwuchs der Gesellschaft für Sport und Technik in seinem ausgestellten „Ehrenkleid“ mit Uniformjacke und Mützchen oder die 10- bis 13-jährigen Jungen und Mädchen der Pionierorganisation „Ernst Thälmann“ mit ihrem blauen FDJ-Hemd und dem rotem Halstuch sportlich aktiv wurden - schließlich mussten laut Mitgliedskarte der Jungpioniere schon 6-jährige Jungen und Mädchen ein Gelöbnis ablegen, bei dem das sechste Pioniergebot dem Wortlaut nach heißt: „Wir Jungpioniere treiben Sport und halten unseren Körper sauber und gesund.“ Welches sportliche Gebot für ältere Menschen seinerzeit galt, ist nicht überliefert. Ein Schwarzweißfoto von 1988 vom Frühlingsfest der Volkssolidarität mit vergnügt tanzenden betagten Männern und Frauen lässt jedoch auch für diese Alterskohorte auf ein bewegtes und immer noch bewegendes Leben schließen. Die Auffassung, den Sport auch als ein kulturelles Element im Alltag der Werktätigen zu begreifen, lässt sich in der Ausstellung dokumentarisch damit belegen, dass beispielsweise im Veranstaltungsplan des Kulturhauses in Stalinstadt (Eisenhüttenstadt) aus dem Jahre 1955 in der Rubrik „Innerbetriebliches“ bekannt gegeben wird, dass sich die Tischtennisspieler jeden Dienstag und Donnerstag um 16.15 Uhr treffen, während die Schachfreunde sich mit einem Spieltermin pro Woche nach Feierabend begnügen mussten. Vielleicht gehörten sie zu der Brigade, die besondere Arbeitsleistungen vollbrachte. Denn gerade sie durften damit rechnen, anstatt einer Geldprämie einen Ledermantel aus dem VEB „Leder- und Sportbekleidung“ zu erhalten, wie das verschlissene Modell aus dem Jahre 1968 beweist.
Wer in der Ausstellung Spuren des großen DDR-Sports sucht, der kann sich allenfalls ausmalen, dass die zahlreichen Papierfähnchen mit dem DDR-Staatssymbol nicht nur bei nationalen Feiertagen wie am 1. Mai und am 7. Oktober hochgehalten werden mussten, sondern womöglich auch bei Sportveranstaltungen im Stadion und bei Festen des Sports als „Winkelemente“ fungiert haben könnten … und dann war da noch die gelb-grüne Schachtel eines bestimmten Vitaminmedikamentes vom VEB Jena gleich am Eingang in dem verschlossenen Wandschrank neben Eipick, Kofferradio und Fleischbrühpaste. Hier sind jene „Präparate“ zu sehen, die DDR-Bürger und Bürgerinnen einst lieb gewonnen und nach dem Aufruf: „Die DDR gehört ins Museum“ dem Haus zur Verfügung gestellt hatten.
Die Ausstellung „Parteidiktatur und Alltag in der DDR“ ist noch bis zum 29. Juli täglich von 10 bis 18 Uhr im Deutschen Historischen Museum, Unter den Linden 2, 10117 Berlin zu sehen. Neben einem Katalog (ca. 170 Abbildungen, 244 Seiten, 14 Euro) gibt es auch ein Begleitprogramm mit Vorträgen und Filmen. Beim Gang durch die Ausstellung informieren thematische, weniger chronologische Schautafeln, die am Ende jeweils alltägliche DDR-Witze bzw. Aussprüche enthalten. Einer hat sogar mit Bewegung zu tun und geht so: „Lieber rückwärts in den Intershop als vorwärts zum Parteitag!“