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Globale Ethik und Globaler Sport - Weltethosrede von Dr. Jacques Rogge in Tübingen

DOSB Redaktion
DOSB Redaktion

11.05.2006

Ehrendoktorwürde für den IOC-Präsidenten - President´s Prize für Prof. Dr. Grupe

850 Millionen Sportlerinnen und Sportler weltweit, 750.000 Sportvereine allein in der EU, 3,8 Milliarden Zuschauer täglich bei Olympischen Spielen: IOC-Präsident Dr. Jacques Rogge nannte eingangs seiner sog. Weltethos-Rede am 10. Mai 2006 in Tübingen beeindruckende Zahlen und er scheute sich auch nicht, auf die damit verbundenen Einnahmen für das IOC hinzuweisen.

 

„Wie die Musik ist der Sport etwas Universelles, das ungeachtet aller sozialen, ethnischen und religiösen Unterschiede global verstanden wird“, begründete Rogge vor einem großen und zum Teil prominenten Publikum in der Neuen Aula der Eberhard-Karls-Universität den Siegeszug des Sports. Auf Einladung der Weltethos-Stiftung und ihres Vorsitzenden Prof. Dr. Hans Küng trieb er einen Diskurs voran, an dem in den Vorjahren der britische Premierminister Tony Blair, UN-Hochkommissarin Mary Robinson, UN-Generalsekretär Kofi Annan, Bundespräsident Horst Köhler und die iranische Friedennobelpreisträgerin Shirin Ebadi teilgenommen hatten.

 

„Geld an sich ist nicht gut oder schlecht. Es verhält sich neutral. Auf die Art und Weise, wie man es einsetzt kommt es an“, betonte Rogge. Erst der Fall des Amateurparagraphen und die steigenden Einnahmen hätten die olympische Bewegung zu einer wahrhaft universellen Bewegung gemacht. „Vorher konnten es sich viele Sportler gar nicht leisten an Olympischen Spielen teilzunehmen. Nur 60% der Länder waren vertreten. Heute haben wir 203 teilnehmenden NOKs und können 2/3 unsere Einnahmen verteilen“, sagte Rogge. Trotzdem gebe es wegen des zumeist engen Zusammenhangs zwischen Bruttosozialprodukt und sportlichem Erfolg nach wie vor Ungerechtigkeit. Die olympische Familie versuche dem zu begegnen, in dem sie nur etwa 80% der zur Verfügung stehenden Quotenplätzen, die zur Teilnahme an den Spielen berechtigten nach Leistung vergebe und beim Rest auf Vielfalt und Universalität der Teilnehmerländer achte. Und auch im Hinblick auf die Beteiligung von Frauen in Führungsfunktionen des Sports sah Rogge noch Handlungsbedarf, wenngleich die Quote bei den Aktiven von 18% 1980 auf jetzt 44% Frauen gestiegen sei.

 

„Nicht nur der Sport, sondern auch seine Werte sind universell“, sagte Rogge und leitete daraus soziale und gesellschaftspolitische Verpflichtungen ab, solchen Ungerechtigkeiten zu begegnen. „Was bedeuteten unsere Erfolge ohne eine umfassende humanistische und ethische Begründung des Sports“, fragte er. Solidarität, Respekt und Unparteilichkeit beanspruche die Olympische Charta, das Manifest, das den Referenzrahmen der Olympischen Bewegung bildet. Umgekehrt sollten Diskriminierung, Doping, Hooliganism und Korruption natürlich keinen Platz im Sport finden.

 

Das es anders ist, davon zeigte sich der Belgier keineswegs überrascht. Der Sport sei nicht besser als die Gesellschaft, urteilte er pragmatisch. Er sei vielmehr eine ihrer Ausdrucksformen und offenbare dabei all ihre Fehler und Schwächen, umgekehrt aber auch ihr Leistungsvermögen. „Wir sind leider nicht alle Heilige. Manches in der olympischen Bewegung ist nicht so wie es sein sollte, aber wir versuchen entschieden, dagegen vorzugehen“, versprach Rogge und erwähnte in diesem Zusammenhang die besondere Rolle von Vorbildern. Der sozialen Verantwortung werde der Sport und die olympische Bewegung aber auch durch ihren Einsatz der ihr anvertrauten Aktiven, für Behinderte, Flüchtlinge, HIV-Infizierte und den Einsatz für eine nachhaltige Entwicklung der Umwelt.

 

Die Olympische Bewegung zu verwalten und Olympische Spiele zu organisieren sei dennoch vergleichsweise fast einfacher, als die Definition und Umsetzung ihrer Werte. Trotz aller Gefahren zog er ein positives Fazit und zwar in finanzieller Hinsicht, im Hinblick auf die Teilnehmer, die Aufmerksamkeit und die Universalität der Spiele.

 

„Der Sport gehört nicht dem IOC oder der FIFA. Es liegt an uns Sportlern, ihn und seine Werte zu erhalten“, ermunterte der IOC-Präsident das Publikum in seinem Gestaltungswillen und in seinem sportlichen Engagement. „Seine eigenen Grenzen im sportlichen Wettbewerb zu suchen, kann eine Antwort auf die existenziellen Ängste des Individuums sein“, meinte Rogge und erinnerte an das alte Coubertinsche Motto demzufolge „Das Wichtigste nicht das Gewinnen, sondern das Teilnehmen sei, nicht der Sieg sondern das Erreichte“.

 

In der sich anschließenden Diskussion von Prof. Dr. Küng auf die Menschenrechtssituation in China angesprochen, erkannte Dr. Rogge mehr Chancen als Risiken in der Vergabe der Olympischen Spiele 2008 an Peking. Es liege eine große Chance darin, die Spiele in einem Land zu präsentieren, das ein Fünftel der Weltbevölkerung stelle. Auch die Leistungen Chinas in den zurückliegenden fünf Jahrzehnten müssten müssten vor dem Hintergrund der Situation vor 1949 anerkannt werden. Gleichwohl unterstütze das IOC die Menschenrechte und weise die chinesischen Partner kontinuierlich darauf hin,, dass diese in China nicht so gewürdigt werden, wie sich die Welt des Sports das vorstelle. Die Hoffnung des IOC-Präsidenten liegt u.a. auf den über 25.000 Medienvertretern, die während der Olympischen Spiele aus China berichten werden.

 

Verleihung der Ehrendoktorwürde, President´s Prize für Ommo Grupe

 

Als besonderes Ereignis in der mehr als 500jährigen Geschichte der Eberhard-Karls-Universität kennzeichnete Laudator Prof. Dr. Helmut Digel die anschließende Verleihung der Ehrendoktorwürde durch die Medizinische Fakultät an Dr. Rogge. Rogge werde besonders für seinen engagierten, konsequenten und beispielhaften Kampf gegen den Dopingbetrug geehrt, sagte Digel. Für den dreimaligen Olympiateilnehmer im Segeln (Mexiko 1968, München 1972 und Montreal 1976) und belgischen Rugby-Internationalen seien die in seinem Beruf als Arzt geltenden Regeln stets auch in der Welt des Sports bedeutsam und die Regeln des Sports umgekehrt nie ohne Bedeutung für sein berufliches Handeln gewesen. Besondere Verdienste habe er sich im engagierten Kampf gegen den Betrug im modernen Hochleistungssport, aber auch gegen die Korruption in den Organisationen des Sports erworben und dabei insbesondere auf informative Aufklärung, neue Formen der Prävention und eine harte und gerechte Bestrafung gesetzt. Jacques Rogge habe sich mit Klarheit, Mut und Aufrichtigkeit in herausragender Weise um das gefährdete Ethos des Sports verdient gemacht und sich für „Fairplay“ als unumstößliche ethische Grundlage des olympischen Sports eingesetzt. Sein politisches Handeln sei obendrein von einem besonderen sozialen Impetus geprägt. „Den jungen und oft noch sehr benachteiligten Nationen gilt sein besonderes Interesse“, sagte Digel. Das Hilfsprogramm „Olympic Solidarity“ habe unter seiner Führung höchste Priorität erlangt und nicht weniger sei er an einem Breitensport interessiert, der den Menschen Lebensfreude, Gesundheit und Wohlbefinden ermögliche.

 

Rogge selbst verlieh im Anschluss daran den sog. IOC-President´s Prize an den langjährigen Direktor des Instituts für Sportwissenschaft, Prof. em. Dr. Dr. h.c. Ommo Grupe und würdigte dessen Leistungen in Lehre und Forschung sowie auch die publizistischen Beiträge zugunsten der olympischen Bewegung.

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