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"Gott hat uns das Spielen geschenkt, damit wir mit ihm das Leben genießen können"

Pfarrer Hans-Georg Ulrichs ist der WM-Beauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Ein solches Amt auf Zeit hat die EKD erstmals aus Anlass der FIFA-WM 2006 in Deutschland vergeben.

DOSB Redaktion
DOSB Redaktion

26.06.2006

Wie lautet die konkrete Arbeitsplatzbeschreibung des WM-Beauftragten - oder um es ein wenig theologisch klingend zu formulieren: Worin besteht Ihre besondere WM-Mission?

 

HANS-GEORG ULRICHS: Zunächst galt es, die innerkirchlichen WM-Aktivitäten voranzubringen. Dabei ist deutlich geworden, dass wir einen spezifischen Beitrag zur WM erbringen müssen: Das Wichtigste und Beste, was die Kirche leisten kann, sind alle Formen der geistlichen Begleitung. Überall im Lande wurden und werden Gottesdienste vor und während der WM gefeiert. Ein besonderer ist dabei der Gottesdienst am 9. Juni wenige Stunden vor dem Eröffnungsspiel in München, an dem Kardinal Lehmann, der EKD-Ratsvorsitzende Bischof Huber und der geschäftsführende DFB-Präsident Zwanziger mitwirkten. In diesem Frühjahr befassten sich zudem fast alle theologischen Zeitschriften mit Themen des Fußballs und der WM. Ein anderer wichtiger Punkt ist die Kooperation mit den Sportorganisationen. Ich bin für viele Begegnungen und Kooperationen mit Menschen aus dem Bereich des Sports dankbar. Die Kooperationen werden auch weit über die Zeit der WM hinausreichen.

 

Was haben eigentlich Fußball und Religion gemeinsam?

 

HANS-GEORG ULRICHS: Eher formal wäre zu sagen: Sport und Kirche sind die beiden großen Bürgerbewegungen in Deutschland. Der organisierte Sport und jede der beiden großen Kirchen haben jeweils um die 27 Millionen Mitglieder - der DFB alleine über 6 Millionen. Und diese drei zivilgesellschaftlichen Organisationen bewegen sich in ein und derselben Gesellschaft und gestalten schon wegen ihrer Größe herausragend unser Zusammenleben mit. Die Schnittstelle zwischen Kirche und Sport ist der Mensch. So entstehen viele mögliche Partnerschaften, Kooperationen sowie gemeinsame Herausforderungen. Ich nenne nur die Themen Bildung, Familie, Integration und demographischer Wandel.

 

Wie erklären Sie sich das große Aufkommen an Aktionen und Initiativen mit kirchlichem bzw. religiösem Hintergrund im Umfeld der FIFA WM 2006 in Deutschland - bis hin zu Materialien für den schulischen und kirchlichen Unterricht und ganz abgesehen von der Vielzahl an Buch-Publikationen mit Titeln wie „Fußballgott“ oder „Gott ist rund“?

 

HANS-GEORG ULRICHS: Dahinter steht die Beobachtung, dass viele Menschen vom Fußball begeistert und enthusiastisch sind. Fußballer werden bewundert, manchmal verehrt. Und dann suchen die Menschen sprachliche Ausdrucksformen oder Rituale, die ihre Verehrung ausdrücken, die aber auch witzig oder provokativ sein sollen. Dann fallen ihnen religiöse Formen ein - auch der mittlerweile weltweit gesungene Fußball-Song „You’ll never walk alone“ ist ursprünglich ein religiöses Lied. Mich stören solche Adaptionen weniger. Interessanter ist doch, wie tief verwurzelt „Religion“ zu sein scheint, dass die Fans für ihren Fußball auf diese Ausdrucksformen zurückgreifen.

 

Im Übrigen kenne ich keinen Fan, der tatsächlich Fußball zu seiner „Religion“ gemacht hat. Nein, diese sogenannten „Fußball-Götter“ sind keine Götter, und die gelegentlich behauptete Schicksalsmacht „Fußball-Gott“ ist auch weder Bayer noch Grieche. Ich glaube an den Gott, der Himmel und Erde gemacht hat, wie es in der kirchlichen Liturgie heißt. Dieser Gott hat uns das Spielen geschenkt, damit wir mit ihm das Leben genießen können. Dieser Gott, der alle Dinge regiert, ist, wenn man so will, der eigentliche und einzige Fußball-Gott, weil alle Lebensbereiche auch zu Gott gehören.

 

Worin sehen Sie Ihre Hauptaufgabe während der Weltmeisterschaft?

 

HANS-GEORG ULRICHS: Ich werde an vielen Orten Gottesdienste mitfeiern und die kirchlichen Aktionstage besuchen. Aber vieles ist noch im Fluss. Wenn Verbände, andere WM-Beteiligte, Journalisten oder kirchliche Organisationen mich rufen, werde ich versuchen, da zu sein. Es besteht ein ständiger Kontakt, ja ein herzliches Verhältnis zum DFB. Die Kirche unterstützt den DFB und die dort tätigen Menschen in ihren Aufgaben, wo dies nachgefragt wird und nahe liegt. Von Kontakten, die eventuell seelsorgerliche Inhalte hätten, wird aber weder berichtet noch daraus irgendetwas mitgeteilt. Die seelsorgerliche Verschwiegenheit ist von grundsätzlicher Bedeutung und eine große geistliche Chance. Und natürlich werde ich wie Millionen diese WM mitfeiern, in meiner Kirchengemeinde und unterwegs, vor Großbildleinwänden und einmal auch im Stadion.

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