KOS im Landtag NRW – Öffentliche Anhörung zu Gewalt im Fußball
Bei einer öffentlichen Anhörung im Düsseldorfer Landtag zum Umgang mit Fangewalt waren auch die Fanprojekte vertreten, um eine fachliche Einschätzung zu liefern.

13.03.2013

Thema der Debatte waren auch die Arbeitsbedingungen und Interventionsmöglichkeiten der Fanprojekte.
Am vergangenen Donnerstag lud der NRW-Landtag zu einer öffentlichen Anhörung ein. Das Thema gab der Antrag der FDP-Fraktion vor: „Gegen Randalierer im Zusammenhang mit Fußballspielen konsequent vorgehen“. Wie bei Anhörungen üblich, gab es kein konkretes Ergebnis, aber alle Beobachter sprachen von einer angenehm sachlich geführten Debatte.
Thema von gesellschaftlicher Dimension
Zu der Anhörung waren Michael Gabriel, der Leiter der KOS (Koordinierungstelle Fanprojekte bei der Deutschen Sportjugend), und für die Fanprojekte Ralf Zänger (Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft der Fanprojekte) sowie Dirk Bierholz (FP Düsseldorf) eingeladen. Für den Fußball waren Hendrik Große Lefert (Sicherheitsbeauftragter DFB), DFL-Geschäftsführer Andreas Rettig und der Fanbeauftragte des 1. FC Köln Rainer Mendel anwesend. Erich Rettinghaus (Deutsche Polizeigewerkschaft DBB im Landesverband NRW), Arnold Plickert (Gewerkschaft der Polizei NRW) und Katja Kruse (Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze) sprachen als Vertreter der Polizei. Weitere Teilnehmer waren Prof. Thomas Feltes (Ruhr-Universität Bochum) und Stephan Kleier als Vertreter der Ultras Gelsenkirchen.
Vorab wurde ein Fragenkatalog mit Fragen der unterschiedlichen Fraktionen an die Teilnehmer versendet – die Stellungnahmen sind auf der Website des Landes Nordrhein-Westfalen veröffentlicht. In ihrer Stellungnahme weist die KOS insbesondere darauf hin, dass das Verhältnis zwischen Fanszene und Bezugsverein von zentraler Bedeutung ist. An den Orten, wo es einen verbindlichen und glaubwürdigen Dialog zwischen Verein und Fanszene gibt und die Interessen der Fußballfans gehört und berücksichtigt werden, fühlen die Fans sich respektiert und eingebunden und verhalten sich in der Regel verantwortungsvoll. Die öffentliche Anhörung im Landtag NRW fand als gemeinsame Anhörung des Innenausschusses, des Ausschusses für Familie, Kinder und Jugend und des Sportausschusses statt. Das sei ein wichtiges und bemerkenswertes Zeichen, so Michael Gabriel von der KOS, „da diese breite Zusammensetzung der gesellschaftlichen Dimension des Themas gerecht wird. Gewalt ist kein exklusives Thema des Sports und des Fußballs, das dieser allein in seinen Strukturen lösen kann.“
Arbeitsbedingungen am Limit
Die Arbeit der Fanprojekte wurde in den Beiträgen sowohl von DFB und DFL wie auch denen der Polizei gewürdigt. Doch ist der Arbeitsalltag für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fanprojekte angesichts ständig steigender Erwartungen immer häufiger extrem belastet. Nur neun von 50 Fanprojekten sind angemessen ausgestattet, die wenigsten können auf die vier im Nationalen Konzept Sport und Sicherheit, der Arbeitsgrundlage der Fanprojekte, geforderten Mitarbeiter/innen zurückgreifen. Viele Einrichtungen arbeiten nur mit eineinhalb bis zwei Stellen. KOS-Leiter Michael Gabriel wies im Landtag darauf hin, dass vor diesen strukturellen Hintergründen die Rahmenbedingungen der Fanprojekte bundesweit stark verbessert werden müssten, damit die Mitarbeiter/innen den vielfältigen Aufgaben überhaupt gerecht werden können. Gleichzeitig lobte er das Land NRW, welches sich parteiübergreifend seit 1993 als Lokomotive für die Etablierung der Fanprojekte in Deutschland erwiesen hat und wo sich die zuständige Ministerin Ute Schäfer dem Thema angenommen hat.
Ralf Zänger und Dirk Bierholz illustrierten mit Beispielen aus der Praxis die Alltagssituation der Fanprojekte in NRW. Bierholz beschrieb seinerseits die große Bedeutung des Düsseldorfer Fanprojektes für die Netzwerkarbeit aller Beteiligten vor Ort, das Fanprojekt als die zentrale Einrichtung, die in alle Richtungen sprechfähig ist. Ralf Zänger verdeutlichte den konkreten Arbeitsalltag der Mitarbeiter/innen, beispielsweise den hohen zeitlichen Aufwand der Begleitung von Auswärtsspielen, der manchmal mehr als zwanzig Stunden beträgt. „Wie sollen die Über-stunden genommen werden, ohne die ebenso wichtige Arbeit während der Woche zu vernachlässigen?“, fragte er. Hinzu kommt, dass die Arbeit oft auch nicht ungefährlich ist, wie der Angriff durch Neonazis auf Thilo Danielsmeyer vom Dortmunder Fanprojekt ganz aktuell gezeigt hat. Die hohen Belastungen wirken sich auch auf die Personalsituation aus: Ein untrügliches Alarmzeichen, so Gabriel, stelle die aktuell hohe Fluktuation der Mitarbeiter/innen bundesweit dar, denn offensichtlich ist nicht jeder bereit und imstande, unter so schwierigen und persönlich anspruchsvollen Rahmenbedingungen zu arbeiten. Deshalb sind „Politik und die Verbände aktuell besonders bei der finanziellen und materiellen Unterstützung der Fanprojekte gefordert“.
Prof. Feltes unterstrich ebenfalls die gesamtgesellschaftliche Herausforderung und die Not-wendigkeit für alle Beteiligten, langfristig zu agieren, basierend auf einem vernünftigen Verhältnis zwischen Repression und Prävention. Vor diesem Hintergrund griff er exemplarisch das Thema Stadionverbote heraus und kritisierte, dass diese durch die Vereine zu oft ungeprüft angewendet werden und es vielerorts keine Anhörungsgremien gibt, die die Perspektive der Fans mit einbeziehen. Dadurch fehle es dem Instrument Stadionverbot weitgehend an Akzeptanz, weil die Verhängungspraxis von den Betroffenen als ungerecht empfunden wird. Dieses gestörte Rechtsempfinden kann gerade bei jungen Menschen deren Persönlichkeitsentwicklung und deren Blick auf die Institutionen negativ beeinflussen. Dies hätte Folgen, für die Betroffenen, die Vereine, aber auch für die Sicht der Fans auf die Polizei. Ähnlich sah es auch Stefan Kleier. Er kritisierte die häufige Vorverurteilung der Ultras durch Politik, Polizei und der Öffentlichkeit. Ultragruppierungen seien vielmehr sehr heterogen, deshalb müsse man mehr differenzieren und dürfe nicht verallgemeinern. Nur so, sagte Kleier, könne man zu einem sinnvollen Dialog gelangen.
Auch Katja Kruse von der ZIS beschrieb, wie wichtig die Netzwerkarbeit zwischen Polizei, Fanprojekten, Fans, den Vereinen und Verbänden sei. Sie appellierte, dafür geschaffene Strukturen wie die Örtlichen Ausschüsse Sport und Sicherheit (ÖASS) zu stärken. Darüber hinaus müsse zusätzlich der Rahmen für einen nachhaltigen Dialog mit den Fans geschaffen werden. Dem stimmte Michael Gabriel zu: Man müsse die in der Regel schon gut funktionierende Zusammenarbeit in den Netzwerken weiter intensivieren, um zu einem ausgewogenen Verhältnis zwischen dem Sicherheitsbedürfnis der Öffentlichkeit auf der einen und den Freiheitsbedürfnissen der Fankultur auf der anderen Seite zu kommen. Das kann, wie die Erfahrungen der Fanprojekte zeigen, langfristig nur gelingen, wenn man die Fans als Partner anerkennt und mit einbezieht.
(Quelle: KOS)