Kriminalprävention für uns als Deutsche Sportjugend äußerst wichtig – Interview mit Ingo Weiss
Ingo Weiss ist Vorsitzender der Deutschen Sportjugend, für die das Thema Kriminalprävention seit Jahren einen hohen Stellenwert hat. Auf dem 11. Deutschen Präventionstag wird Weiss im Rahmen einer Podiumsdiskussion einen Blick in die Zukunft von Sport und Prävention wagen. Im Interview zeigt er die Vorteile des Sports im Rahmen der Prävention auf.

11.04.2006

Immer mehr Pädagogen fühlen sich von der zunehmenden Gewalt an deutschen Schulen überfordert, an einer Berliner Schule findet der Unterricht unter Polizeischutz statt. Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang Forderungen nach einer Ausweisung von gewalttätigen ausländischen Jugendlichen bzw. nach Internatseinweisungen?
Ingo Weiss: Ich denke bei absolut gewaltbereiten Jugendlichen ist es erforderlich, über stärkere Maßnahmen nachzudenken. Man sollte jedoch keinesfalls alle auffälligen Jugendlichen über einen Kamm scheren. Die Masse benötigt vor allem eine intensivere Betreuung als bisher. Wir müssen uns den Problemen stellen und analysieren, wo die Ursachen liegen und was man verändern kann. Das führt dann auch schnell zum Sport und zu der Frage, was der Sport tun kann. Wichtig ist, dass wir auch auffällige Jugendliche als unsere Jugendliche anerkennen, wir müssen die Masse akzeptieren und mit ihnen umgehen. Das wurde in der Vergangenheit lange verschlafen, so dass nun viel Nachholbedarf besteht.
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Welche Ursachen sind Ihrer Meinung nach für die zunehmende Gewaltbereitschaft ausländischer Jugendlicher verantwortlich?
Ingo Weiss: Vielen Jugendlichen, gerade denen ausländischer Herkunft, wird heutzutage zu wenig Anerkennung in unserer Gesellschaft entgegengebracht. Sie fühlen sich aufs Abstellgleis geschoben und ihrem Schicksal überlassen. Das kann schnell dazuführen, dass sie sich auch entsprechend dieser ihnen auferlegten Rolle benehmen. In dieser Hinsicht wurde in der Vergangenheit viel versäumt, auch was die Sprachförderung angeht.
Eine weitere Ursache ist, dass auch die Integration ausländischer Familien schwierig ist. Insgesamt muss die Öffentlichkeit mehr tun, in puncto Sprachförderung ebenso wie in Bezug auf den Arbeitsmarkt.
Welchen Beitrag kann Ihrer Meinung nach der Sport in der Kriminalprävention bei Jugendlichen leisten?
Ingo Weiss: Sport kann sehr viel leisten. In vielen Situationen spricht der Sport eine andere Sprache. Der Sport ermöglicht mehr Respekt, zum Beispiel auch vor Übungsleitern, die auf Grund ihres besonderen sportlichen Könnens als Idole angesehen werden. Dadurch kann das Wort von Übungsleitern mehr Gewicht haben als etwa von Lehrern. Dem Sport kommt auch eine hohe Bedeutung als Ventil für überschüssige Energie zu, die etwa im Fußball oder Basketball kanalisiert werden kann. Wenn Jugendliche sich beim Fußball verausgaben, dann sitzen sie im Idealfall hinterher zufrieden und so erschöpft in der U-Bahn, dass sie dort nicht auf die Idee von Unruhestiftung und Vandalismus kommen.
Vielen Menschen ausländischer Herkunft fällt der Weg in einen deutschen Sportverein jedoch sehr schwer. Wie kann man aus Sicht der Vereine den Zugang erleichtern?
Ingo Weiss: Wir als Sportvereine müssen den Zugang ermöglichen und andere Kulturen akzeptieren. Dabei kann es zum Beispiel auch hilfreich sein, ausländische Übungsleiter zu engagieren und ausländische Vereinsmitglieder für Vorstandsaufgaben zu gewinnen. Aus Fremden müssen Freunde werden. Das geschieht auch über gemeinsame Feste und Wettkämpfe. Es muss ein Umdenken stattfinden, welches die Gemeinschaft mit den ausländischen Mitgliedern in den Mittelpunkt stellt.
Auf welche erfolgreichen Konzepte und Erfahrungen kann die Deutsche Sportjugend beim Thema Kriminalprävention durch Sport zurückgreifen?
Ingo Weiss: Insgesamt ist das Thema Kriminalprävention für uns als Deutsche Sportjugend und Deutscher Sportbund äußerst wichtig. Im Rahmen der Fußball-WM haben wir zum Beispiel viele Fan-Projekte gestartet, die nachweislich zu einer Harmonisierung in den Stadien beitragen.
Ein sehr erfolgreiches Projekt ist auch der „Sprechbaukasten“, der gemeinsam mit der Bundeszentrale für politische Bildung entstanden ist. Übungsleiterlehrgänge haben in der Vergangenheit immer wieder gezeigt, dass viele Trainer mit multikulturellen Gruppen und durch Gewalt überfordert sind. Der Sprechbaukasten bietet konkrete Hilfen und Reaktionsvarianten in den jeweiligen Situationen an. Darüber hinaus sind wir zum Beispiel auch in Strafvollzugsanstalten tätig, um die Integration durch den Sport nach der Freilassung zu vereinfachen.