Zum Inhalt springen

Noch zwei Monate bis zur sportlichen Einheit

Am 3. Oktober 1990, wurde im Rahmen eines feierlichen Staatsaktes vor dem Reichstagsgebäude in Berlin die deutsche Wiedervereinigung politisch vollzogen.

DOSB Redaktion
DOSB Redaktion

29.09.2010

Auch die Einheit im Sport rückte mit großen Schritten näher.

Bereits in Berlin war die Sportjugend mit einem gesamtdeutschen Team aktiv beteiligt. Manfred Nippe, als damaliger Jugendreferent des Landessportbundes Berlin für die Organisation eines wichtigen Teils dieses Staatsaktes mitverantwortlich, erinnert sich:

„Die Berliner Sportjugend war darum gebeten worden, die 14 jugendlichen Fahnenträger für das Tragen und Hissen der 60 Quadratmeter großen ‚Flagge der Einheit‛ um Mitternacht zu stellen. Wir haben diese Aufgabe sehr gern wahrgenommen und sie mit je sieben Jugendlichen aus dem Ost- und dem Westteil Berlins vorbereitet. Die Jugendlichen waren alle sehr stolz, bei diesem historischen Festakt aktiv mitwirken zu können, nur einem Ostberliner Jugendlichen wurde von seinen Eltern die Teilnahme - aus politischen Gründen - untersagt. Einige der Jugendlichen arbeiten noch heute ehrenamtlich in Berliner Sportorganisationen mit.“

Wenige Tage vor der Wiedervereinigung hatte die Schweriner Volkszeitung in ihrer Ausgabe vom 1. Oktober 1990 noch ein Interview der Deutschen Presseagentur (dpa) mit dem langjährigen DDR-Sportführer und Ex-Präsidenten des DTSB und NOK, Manfred Ewald, veröffentlicht, in dem sich dieser verbittert und enttäuscht äußerte: „Eines der wichtigsten Gesetze im Sport, das Fair Play, wurde im Prozess der Einigung mit Füßen getreten.“ Der gesamtdeutsche Sport gehe geschwächt in die Zukunft, „weil zu viel Erhaltbares aus den unterschiedlichsten Gründen zerschlagen worden ist.“

DSB forderte Sofortprogramm für bessere Sportstätten

Damit meinte Ewald, der im Juli 2000 wegen Beihilfe zur Körperverletzung an 20 Hochleistungssportlerinnen rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von 22 Monaten auf Bewährung verurteilt wurde, sicherlich nicht das staatlich verordnete flächendeckende Dopingsystem der DDR und wohl auch nicht die katastrophale Sportstättensituation im mitteldeutschen „Arbeiter- und Bauernstaat.“ So wurden nach einer Erhebung des ehemaligen DDR-Ministeriums für Jugend und Sport im Ostteil Deutschlands zwar 15.460 Sportplätze gezählt, von denen die Hälfte aber nur eine „eingeschränkte Nutzbarkeit“ hatten, weil teilweise Sanitäreinrichtungen fehlten; so gab es in 105 Kreisen der DDR kein einziges Hallenbad oder Lehrschwimmbecken, und so bestand der größte Nachholbedarf vor allem in Übungsstätten für den Breiten-und Freizeitsport. So forderte die Präsidialkommission „Sport und Umwelt“ des DSB bereits zu diesem Zeitpunkt ein Sofortprogramm für die Verbesserung der Sportstätten-Situation zur Grundversorgung der Bevölkerung und die Erstellung eines neuen „Goldenen Plans“ als Gesamtkonzept für die bisherige DDR.

Aber auch für den Spitzensport im Osten Deutschlands wurde eine neue Infrastruktur geschaffen. Es begann der Aufbau von 130 Bundesstützpunkten und 16 Bundesleistungszentren in den neuen Bundesländern, die in sechs Olympiastützpunkten zusammengefasst wurden. Damit stimmten das Bundesinnenministerium und der Bundesausschuss Leistungssport (BAL) des DSB fast uneingeschränkt dem Plan zu, den das DDR-Jugend- und Sportministerium unter der Bezeichnung „Struktur des Stützpunktsystems auf dem Territorium der ehemaligen DDR“ vorgelegt hatte.

Auch die Haushaltsberatungen in Bonn ergaben, dass die Bundesregierung beabsichtigte, für das folgende Jahr 1991 über 90 Millionen DM bereitzustellen, um dem Zerfall des Spitzensports entgegenzuwirken. Für die Stiftung Deutsche Sporthilfe (DSH) wurden 20 Millionen DM jährlich zur sozialen Absicherung von ehemaligen DDR-Spitzenathleten vorgesehen. DSB-Präsident Hans Hansen forderte zudem, dass „der Sport in die Regierungserklärungen (gehört), die die Ministerpräsidenten der neuen Länder bald abgeben werden.“ Und weiter: „Es ist sehr wichtig, dass die Funktionäre der neuen Landessportbünde mit den zukünftigen Regierungschefs und Sportministern einen engen Kontakt bekommen, damit die Sportförderung nicht ins letzte Glied gerückt wird.“

Präsidenten der neuen LSB übergaben Aufnahmeanträge

Am 26./27. Oktober 1990 nahmen dann erstmalig die Präsidenten der fünf neuen ostdeutschen Landessportbünde an der Herbsttagung der Ständigen Konferenz der Landessportbünde in Hannover teil und übergaben bei dieser Gelegenheit symbolisch ihre Aufnahmeanträge in den Deutschen Sportbund an DSB-Präsident Hans Hansen. Diese Aufnahme wurde dann einstimmig durch den Hauptausschuss des DSB am 14. Dezember 1990 unmittelbar vor dem 21. Bundestag aus Anlass des 40jährigen DSB-Jubiläums am 15. Dezember im Kuppelsaal der Stadthalle von Hannover vollzogen. Zuvor hatte sich der DTSB der ehemaligen DDR am 5. Dezember 1990 in Berlin aufgelöst.

Auch bei der Deutschen Sportjugend (DSJ) hatte sich die Vereinigung planmäßig vollzogen. Mit dem Ziel des stufenweisen Aufbaus eines gesamtdeutschen Sportjugendverbandes war schon am 31. März 1990 in Berlin-Grünau zunächst die „Sportjugend DDR“ gegründet worden. Über die intensiven Kontakte auf Länderebene entstanden im September die Sportjugenden der fünf ostdeutschen Landessportbünde. Deren gewählte Vertreterinnen und Vertreter nahmen dann am 12./13. Oktober 1990 erstmalig an der Jugendhauptausschuss-Sitzung der DSJ teil und begründeten damit das erste gesamtdeutsche Jugendparlament des Sports.

Während auch im Rahmen der Unterstützung durch Partnerschaften (Sachsen-Anhalt/Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern/Schleswig-Holstein, Brandenburg/Nordrhein-Westfalen, Thüringen/Hessen und Rheinland-Pfalz, Sachsen/Bayern und Baden-Württemberg) der strukturelle Aufbau der fünf neuen Landessportbünde, ihrer Gliederungen und die (Wieder)-Gründung des gemeinnützigen Vereinswesens anstelle der bisherigen Betriebssportgemein-schaften in Mitteldeutschland Fortschritte machte, bemühte sich der DSB im Bereich seiner Kompetenzen um die Sicherstellung von bisherigen DTSB-Einrichtungen für den Sport. So pachtete er zum Beispiel am 2. Oktober das Berliner Haus des DTSB in der Storkower Straße, um es als Bürogebäude für die Organisationen des Sports weiterhin nutzen zu können.

Auch bei den Fachverbänden des Sports gab es weitere Vereinigungen durch die Beitritte der inzwischen noch in der DDR gegründeten Landesverbände zu den bundesdeutschen Spitzen-verbänden. In feierlicher Form wurde am 19. Oktober in Hannover der Beitritt der fünf ost-deutschen Landesverbände in den Deutschen Schwimm-Verband vollzogen. Gleichzeitig löste sich der Deutsche Schwimmsport-Verband der DDR in Ost-Berlin auf. Vier Tage später traten am 23. Oktober in Frankfurt/Main die TT-Landesverbände dem Deutschen Tischtennis-Bund bei, und am 28. Oktober nahm in Nürnberg die Deutsche Triathlon-Union die bisherigen DDR-Triathleten in ihre Reihen auf.

Bereits am 8. Oktober hatten die Deutsche Olympische Gesellschaft (DOG) und die Gesellschaft zur Förderung des Olympischen Gedankens der DDR beschlossen, sich mit Wirkung vom 1. Januar 1991 zu vereinen. Und am 18. Oktober erklärten während der 40-Jahrfeier zur Wiedergründung des Verbandes Deutscher Sportjournalisten (VDS) in Frankfurt die ostdeutschen Jour-nalistenvereine ihren Beitritt zum VDS, nachdem sich das Präsidium der DDR-Sportjournalisten-Vereinigung bereits am 5. September in Berlin-Grünau aufgelöst hatte.

Spitzensportler der DDR gewannen noch Medaillen

Heute kaum glaubhaft, aber wahr: Während der Staat DDR seit dem 3. Oktober 1990 bereits aufgelöst war und nicht mehr existierte, gewannen im Oktober/November noch Spitzensportlerinnen und Spitzensportler der ehemaligen DDR zahlreiche Medaillen für ihre bisherigen DDR-Verbände, da jeweils zwei deutsche Teams an den Start gingen. So z. B. beim Weltcup im Sportschießen in München Ralf Schumann mit der Olympischen Schnellfeuerpistole. Gleich fünf Gold-, eine Silber- und fünf Bronzemedaillen erkämpften die ostdeutschen Ruderinnen und Ruderer für den DDR-Verband vom 27. Oktober bis 4. November in Lake Barrington (Australien), wo auch der bundesdeutsche DRV mit einer eigenen Mannschaft an den Start ging.

Title

Title