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Olympisches Familientreffen in Kopenhagen

Diese olympische Entscheidung hat einen Nachhall ausgelöst wie kaum eine zuvor. Mit der Wahl Rio de Janeiros zum Austragungsort der Olympischen Spiele 2016 hat das Internationale Olympische Komitee (IOC) weltweit Zustimmung erhalten.

DOSB Redaktion
DOSB Redaktion

07.10.2009

Erstmals werden die Spiele in Südamerika stattfinden. Damit sei die olympische Welt endlich um einen Kontinent erweitert, lauteten die internationalen Kommentare, die den Schritt des IOC aber zugleich als eine Art symbolischen Autonomiegewinn werteten. Denn den Konkurrenten der brasilianischen Millionenstadt Madrid und Chicago halfen weder der Auftritt des spanischen Königs Juan Carlos noch des US-Präsidenten Barack Obama, des mächtigsten Mannes der Welt, zum Sieg. Im Kopenhagener Kongresszentrum „Bella Center“ folgte mit dem Votum für Rio vielmehr „ein Schritt in die richtige Richtung“, wie IOC-Präsident Jacques Rogge sagte. Denn: „Das IOC muss die Dritte Welt mehr miteinbeziehen.“ Afrika ist damit der einzig verbliebene weiße Fleck auf der olympischen Landkarte.

Brasiliens Präsident Luiz Inacio Lula da Silva versprach Rio nach dem Erfolg im sechsten Bewerbungsversuch Aufschwung durch Investitionen von 14 Milliarden Dollar. Als viertes Land übernimmt Brasilien damit die doppelte Gastgeberrolle für Fußball-Weltmeisterschaft (2014) und Olympia. Zuvor übernahmen das schon Mexiko (1968 und 1970), Deutschland (1972 und 1974) und die USA (1994 und 1996). Die Entscheidung für das fünftgrößte Land der Erde habe die Welt des Sports enger zusammenrücken lassen, sagte Thomas Bach, IOC-Vizepräsident und Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB). „Der exklusive Ausrichter-Club ist größer geworden, das gibt den Schwellenländern mehr Hoffnung.“ Die Entscheidung gehe einher mit der internationalen Entwicklung in Wirtschaft und Politik. Bach wertete das Votum nicht als bewussten Affront gegen die USA und ihren Präsidenten. „Dieses war kein Stimmverhalten gegen irgendjemanden, sondern es war ein Stimmverhalten für Rio de Janeiro, für ein sich rapide entwickelndes Schwellenland und für die Universalität der Olympischen Spiele“, sagte der DOSB-Präsident.

Aus der Sicht eines Bewerbers für die Winterspiele 2018 verfolgten die deutschen Vertreter in Kopenhagen die Wahl mit besonderem Interesse. Als eine Erkenntnis aus der Entscheidung für Rio empfahl Bach, „nicht so viel nach rechts und links zu schauen“. Rios Beispiel zeige, wie wichtig eine Kernbotschaft sei. „München hat ein gutes Konzept, und wir sollten das Erfolgsgeheimnis von Rio nutzen und uns auf die eigenen Stärken konzentrieren und diese sympathisch und leidenschaftlich darstellen“ sagte er. „Dann haben wir auch gute Chancen.“

Vesper: „München kann aus Kopenhagen lernen, wie man es macht“

Die Entscheidung für 2018 fällt 2011 in Durban. Weitere Bewerber sind der südkoreanische Vertreter Pyeongchang, der zweimal knapp im Endkampf gescheitert ist, und Annecy in Frankreich. Bis zum 15. Oktober läuft die Bewerbungsfrist beim IOC. Dann ist München gemeinsam mit Garmisch-Partenkirchen ein „offizieller Bewerber“ und darf mit seinem Logo, das einen Tag später vorgestellt wird, national werben. Vom 2. bis 5. Dezember folgt in Lausanne ein erstes Arbeitstreffen mit dem IOC. Bis zum 15. März müssen die ersten Bewerbungsunterlagen abgegeben werden. Bis dahin werde es eine wesentliche Aufgabe sein, „aus Kopenhagen zu lernen, wie man es es macht und wie man es nicht macht, und eine Kernbotschaft zu finden“, sagte DOSB-Generaldirektor Michael Vesper, zugleich Aufsichtsratsvorsitzender der Münchner Olympia GmbH.

Auf die Wahl Rio de Janeiros folgte am Wochenende der 13. Olympische Kongress, der in seiner Schlusserklärung den Kampf gegen Doping zur „absoluten Priorität“ erhob. Insgesamt umfasste das Abschlussdokument der Olympier 66 Empfehlungen und Feststellungen. „Diese drei Tage waren eine Art Brainstorming, dessen Wert sich erst in ein paar Jahren herausstellen wird, wenn einzelne Elemente umgesetzt werden“ sagte Michael Vesper.

Die Verteidigung der Autonomie des olympischen Sports, ein stärkeres Mitbestimmungsrecht der Athleten und verschärfte Sanktionen bei Regelverstößen sind weitere Hauptempfehlungen. Darüber hinaus soll eine Trainerkommission ins Leben gerufen und die Verteilung der Milliarden-Einnahmen des IOC überdacht werden. Die Kosten für die Spiele müssten unter Kontrolle gehalten werden. „Wir halten an maximal 28 Sportarten und 10.500 Athleten fest“, erklärte IOC-Präsident Rogge, dem außerdem am Herzen liegt, mehr auf die Jugend zuzugehen. Zudem wird das IOC zu einer Strukturdebatte aufgerufen.

Vor allem DOSB-Präsident Bach regte in einer vielbeachteten Grundsatzrede (siehe auch die Dokumentation des Wortlauts) vor den 1.200 Delegierten eine Neuaufstellung des IOC an. „Ich habe erkennbar gemacht, dass ein IOC aus unabhängigen Mitgliedern ohne bindendes Mandat stärker wäre, weil es besser in der Lage wäre, die verschiedenen legitimen Interessen auszugleichen“, sagte Bach.

Unter der Überschrift „Einheit in Vielfalt“ forderte er in einer rund 40-minütigen Rede zudem, der Sport solle zwar politisch neutral, aber nicht apolitsch sein. „Sport darf nicht, wie in der Vergangenheit manchmal geschehen, so tun, als hätte er nichts mit Politik zu tun“, sagte er. Zudem müsse sich der Sport eingestehen, dass er wie die gesamte Gesellschaft für Manipulation und Korruption empfänglich ist, sagte der DOSB-Präsident. Ohne Glaubwürdigkeit könne das Überleben aber nicht gesichert werden. „Wir müssen darauf achten, dass die in der Olympischen Charta festgeschriebenen ethischen Prinzipien von allen Sportorganisationen auf allen Ebenen eingehalten werden.“

Bach regt auf dem Olympischen Kongress die Öffnung des IOC an

Bach plädierte dafür, die Werte der olympischen Bewegung über die Einzelinteressen ihrer Mitgliedsverbände zu stellen. Einigkeit in der Vielfalt, der Erhalt der Autonomie sowie Verantwortung, Zielgerichtetheit, Transparenz und Ethik in der Organisationsführung („good governance“) seien die größten Herausforderungen der Zukunft.

Bach stellte darüber hinaus die Strukturfrage und regte eine Öffnung des IOC an. Solle eine Session, so fragte er, „hauptsächlich aus mandatsunabhängigen Mitgliedern bestehen, die über Kompetenz, Wissen und Erfahrung in Politik, Wirtschaft, Kultur verfügen, oder hauptsächlich aus quotierten Delegierten verschiedener Interessengruppen mit klarem Mandat ihrer entsendenden Organisation?“

IOC-Präsident Jacques Rogge stimmte seinem Stellvertreter ausdrücklich zu, ebenso wie viele  Kollegen. Der Schweizer Denis Oswald als Vertreter der internationalen Verbände plädierte indes für das Modell ein „Weltsportparlaments“, in dem Verbände, Nationale Olympische Komitees (NOK), Athleten und „unabhängige“ IOC-Mitglieder jeweils mit 35 Abgeordneten vertreten sind. Seit der Strukturreform von 1999 besteht die IOC-Session aus maximal 115 Mitgliedern, 70 „Unabhängigen“ und je 15 Vertreter aus Verbänden, NOKs und Athleten. Auch Oswald nannte Bachs Vorstellungen „interessant und diskussionswürdig“, erklärte aber, „alle olympischen Verbände sollten repräsentiert sein. Sie sind ein wesentlicher Träger der Olympischen Spiele. Also müssen sie auch ein stärkeres Mitbestimmungsrecht bekommen, vor allem auch, wo sie stattfinden sollen.“

IOC-Mitglied Walther Tröger begrüßte Bachs Vorschlag. „Ich bin gegen ein Quotensystem. Das schafft eine Zweiklassengesellschaft.“ DOSB-Generaldirektor Vesper sagte, Bach habe „klar Position bezogen zur Zukunft der olympischen Bewegung. Es war wichtig, über den Tellerrand in die Zukunft zu sehen“.

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