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Philippinen: Teilnahme an einer Fußball-WM noch utopisch

Finanziert vom Auswärtigen Amt, ist DOSB-Sportexperte Thomas Roy seit August 2013 auf den Philippinen, um bei der Entwicklung des Fußballs zu helfen.

DOSB Redaktion
DOSB Redaktion

12.02.2014

    Mit sport.diplo.de spricht der ehemalige Stützpunktkoordinator des Bayerischen Fußball-Verbandes über seine Arbeit auf den Philippinen, das Standing des Fußballs in dem Inselstaat und darüber, wie er den verheerenden Taifun Haiyan im November 2013 erlebt hat.

    sport.diplo.de: Herr Roy, Sie sind nun schon sechs Monate im Rahmen der Sportförderung des Auswärtigen Amtes als Auslandsexperte des DOSB auf den Philippinen. Wie haben Sie und Ihre Familie den Sprung von Bayern nach Südostasien verkraftet?

    Thomas Roy: (lacht) Jetzt, Ende Januar, ist es relativ leicht. Wenn es warm ist wie hier, fühlt man sich wohler als in Deutschland, wo es gerade ja relativ kühl ist und Schnee liegt. Im Sommer ist das Wetter hier aber sehr schwierig. Es ist sehr heiß, sehr schwül. Daran muss man sich eine Zeit lang gewöhnen. Aber jetzt ist es hier sehr angenehm. Man kann es ganz gut aushalten.

    Ans Wetter haben Sie sich also schon gewöhnt. Wie verlief denn die Anpassung an Land, Leute und Ihren Job?

    Das Wohnen, die Leute - das hat alles problemlos geklappt. Auch mit der Schule und dem Kindergarten hat es gut funktioniert. Da sind meine Kinder mittlerweile ganz gut integriert. Sie haben zwar auch ihre Hänger und wollen nach Hause und vermissen ihre Freunde, aber es überwiegt doch das Positive. Es ist zwar schwierig, aber auch zu bewältigen.

    Was macht es denn schwierig?

    Für eine Familie ist es nicht leicht, sich hier zurechtzufinden. Das ist eine Herausforderung. Auch meine Frau muss hier leben. Die Kinder sind tagsüber in der Schule und im Kindergarten, ich bin nicht da - das heißt, sie muss sich eine sinnvolle und befriedigende Aufgabe suchen. Sie kann ja nicht zwei Jahre ohne Beschäftigung zuhause sitzen. Da muss man als Familie eine unglaublich enge Bindung haben, damit man nicht in ein Loch fällt. Ich bin froh, dass meine Frau sich sehr um die Kinder bemüht, sich in der Schule einbringt, und mir damit den Rücken frei hält. Das ist in einer solchen Situation keine Selbstverständlichkeit.

    Und wie ist der Einstieg in Ihre Arbeit gelungen?

    Die ersten sechs Monate habe ich mir einen Überblick verschafft über sämtliche Aktivitäten, die hier stattfinden, unter anderem über das Niveau der Nationalmannschaften und der Herren-Liga, der UFL. Aber auch über die Art und Weise, wie hier Dinge geplant und durchgeführt werden. Und jetzt beginnt die eher operative Phase. Wir haben für dieses Jahre relativ viel geplant und beginnen nun, diese Dinge umzusetzen. Im letzten Jahr haben wir zwar auch schon ein paar Workshops durchgeführt, aber nun können wir geplant vorgehen. Jetzt beginnt die eigentliche Arbeit, etwas Nachhaltiges zu leisten.

    Wie sieht Ihre eigentliche Arbeit denn aus? Was haben Sie für dieses Jahr alles geplant?

    Als erstes steht die U14 auf dem Plan, die ziemlich bald ein internationales Turnier in Japan bestreitet. Dann haben die Mädchen im Laufe des Jahres zwei Turniere. Insgesamt haben wir sechs C-Lizenzen geplant, eine B-Lizenz und mehrere Basis-Lizenzen, damit die Eltern, die die meisten Kinder trainieren, ihr Basiswissen ausbauen und noch besser trainieren können.

    Die Philippinen sind nicht Ihre erste Station im Ausland. Sie haben bereits in Uganda, dem Irak, Honduras und Uruguay gearbeitet. Inwiefern helfen Ihnen diese Erfahrungen von damals bei der aktuellen Aufgabe?

    Das hilft natürlich schon, weil man durch diese Erfahrungen auf den unterschiedlichen Kontinenten Verständnis mitbringt für die Kultur hier. Asiaten werden ungerne vor anderen kritisiert, weil das in ihrer Kultur schnell zu einem Gesichtsverlust führen kann.

    In Deutschland haben Sie für den Bayerischen Fußball-Verband im Nachwuchsbereich gearbeitet. Welche Erfahrungen können Sie daraus in Ihre jetzige Arbeit einfließen lassen?

    Alle. (lacht kurz) Das ist ja quasi das, was hier aufgebaut werden muss. Jungen Spielern die Möglichkeit zu geben, in einem leistungsorientierten System bis nach oben durchzustarten und am Ende vielleicht sogar Nationalspieler werden zu können. Wobei das hier gar nicht so ganz einfach ist. Hier gibt es das Motto "It's more fun in the Philippines", das heißt, dass selbst bei einem Turnier, bei dem es um die Qualifikation für die Asienmeisterschaften geht, für die Spieler auch immer irgendwo noch der Spaßfaktor wichtig ist. Das müssen wir als Deutsche erst einmal verstehen, dass nicht alles nur nach Leistung geht, sondern dass die Sportler auch vor allem Spaß haben wollen.

    Orientieren Sie sich bei der Installation des Systems an dem Ihnen vertrauten deutschen System, oder wie setzen Sie an?

    Ich bin eher offen für jedwedes System, das hier auf die Philippinen passt. Im Endeffekt gibt es hier nichts. Das Land besteht aus 7107 Inseln, es gibt keine Infrastruktur wie man sie aus Deutschland kennt. Da muss man erst einmal überlegen, wie man hier ein System aufbauen kann, das von unten bis oben griffig ist. Noch dazu ist das Budget sehr knapp. Man hangelt sich von Monat zu Monat durch und ist auch immer bemüht, Sponsoren für die Maßnahme zu bekommen. Wenn ich bei uns an den DFB denke, der ist auf dieser Ebene vor circa 40 Jahren gewesen. Damals musste der DFB überlegen, wie er Gelder generieren kann, um mit der Nationalmannschaft fliegen zu können, um eine U21- oder eine U19-Mannschaft aufzubauen. Da sind wir hier auf den Philippinen gerade dabei.

    Sie suchen Sponsoren…

    Genau. Wir überlegen, wie wir an Geld kommen können, um eine mittelfristige Planung für die Nationalmannschaften aufstellen zu können. Das Gleiche gilt für die Trainerlizenzen. Es gibt eine sehr starke Unterstützung durch die FIFA und die AFC, den Asiatischen Fußball-Verband, die dem Philippinischen Fußball-Verband (PFF) Geld geben, um die Trainerlehrgänge ausrichten zu können. Auch das Auswärtige Amt bzw. der DOSB und der DFB unterstützen den PFF, indem sie immer wieder Sach- und Geldspenden in das Projekt einbringen. Deshalb schauen wir, wie wir es hinbekommen können, um mittelfristig nicht mehr auf diese Gelder angewiesen zu sein. In Deutschland ist es Gang und Gäbe, dass man Geld für eine Lizenz bezahlen muss. Hier ist es kostenlos. Da muss bei den Leuten erst ein Umdenken stattfinden, dass sie für ihre eigene Ausbildung auch etwas investieren müssen.

    Ist das für die Menschen denn finanziell einfach so möglich?

    Die finanziellen Möglichkeiten der Philippinos sind eher beschränkt. Es ist ein Entwicklungsland mit einer sehr großen Schere zwischen Arm und Reich. Die armen Leute sind oft diejenigen, die im Fußball trainieren. Wenn die für einen einwöchigen Trainerkurs zweitausend oder dreitausend Pesos bezahlen müssen, was vierzig oder fünfzig Euro entspricht, ist das sehr viel. Das sind circa zwanzig Prozent des durchschnittlichen Monatseinkommens.

    Wie ist denn die Situation für Sie? Fällt Ihnen die Arbeit leicht oder müssen Sie vielerorts Überzeugungsarbeit leisten?

    Die Menschen sind sehr erwartungsfroh, was meine Person und die Hilfe aus Deutschland angeht. Die Philippinos sind auf Deutsche schon recht gut zu sprechen, was auch an meinen Vorgängern Bernhard Zgoll, Bernd Fischer und Eckhard Krautzun liegt. Die sind hier überall bekannt und wegen ihrer Arbeit kommt mir auch viel Positives entgegen. Zumal Deutschland, was die Talentförderung und -entwicklung angeht, weltweit mindestens die Nummer zwei ist. Mit Michael Weiß war hier die letzten drei Jahre ein Deutscher sehr erfolgreich als Nationaltrainer beschäftigt. Auch er hat Deutschland positiv repräsentiert. Leider wurde sein Vertrag im Januar gekündigt.

    Welches Entwicklungspotenzial hat der Fußball denn auf den Philippinen?

    Fußball hat Potenzial, ist aber nicht die populärste Sportart auf den Philippinen. Das ist auch ein Grund, warum es mit den Profiligen und der Fernsehpräsenz nicht richtig funktioniert. Bei einem Spitzenspiel der UFL, also der Profiliga, die hier in Manila aufgezogen ist, sind vielleicht zweihundert bis dreihundert Zuschauer da. Die Sportart Nummer eins ist Basketball. Der ist sehr populär. Mit Hilfe der WM 2014 in Brasilien werde ich auch versuchen, Fußball mehr in den öffentlichen Fokus zu rücken. Fußball sollte zur Bildung eines breiteren Fundaments an Spielern populärer werden.

    Anfang November 2013 wurden die Philippinen vom Taifun Haiyan getroffen, der weit über 6.000 Tote forderte. Wie haben Sie den Sturm erlebt?

    Dem Taifun ging zwei Wochen vorher ein gewaltiges Erdbeben voraus, das unter anderem Negros sehr erschüttert hat. Ich war gerade dort und in meinem Hotelzimmer, als es losging. Das Haus hat gewackelt, der Schrank hat geknarzt - das war richtig unheimlich. Vierzehn Tage später, mitten im Herbst, kam dann der Taifun. Wobei man sagen muss, dass der Herbst Taifun-Saison ist und solche Stürme jedes Jahr über die Philippinen fegen. Die Warnung hat funktioniert, allerdings sind viele Leute nicht in die sicheren Gebiete geflohen, weil sie nicht wissen, wohin sie dort sollen und weil sie auch lieber auf Gott vertrauen, als sich in Sicherheit zu bringen. Es war ein verheerendes Ereignis, das hier im öffentlichen Leben drei, vier Tage zu spüren war. Dann ist es aber auch schon weitergegangen. Da sich solche Naturkatastrophen mittlerweile häufen, gehen die Menschen anders damit um, als wir es wahrscheinlich täten, wenn so etwas in Deutschland passieren würde. Die Leute haben bereits ein paar Tage nach dem Taifun angefangen, ihre Häuser wieder aufzubauen. Wobei man sagen muss, dass in den betroffenen Regionen auch jetzt immer noch die Nachwirkungen zu spüren sind. Das wird noch Jahre dauern, bis da alles wieder normal ist.

    Sie sind vorerst bis Ende Juli 2015 auf den Philippinen. Was hoffen Sie, bis dahin aufbauen zu können?

    Ich hoffe, dass wir die Jugendtrainer-Lizenz einführen können, also dass die Philippinen ohne Hilfe der FIFA und der AFC ihre eigenen Trainer ausbilden können. Das zweite große Ziel ist eine vernünftige Planung der Auswahlmannschaften, also dass man sagt, man macht einen Plan für die nächsten anderthalb, zwei Jahre, man geht auf Sponsorensuche, damit man einfach genug Vorlaufzeit hat und die Spieler zum Beispiel auch zeitig genug von der Schule befreit werden können. Bei der anstehenden Reise mit der U14 nach Japan ist vieles improvisiert, damit sie überhaupt stattfinden kann und wir mit einer Mannschaft reisen können, die halbwegs konkurrenzfähig ist. Dass das im Laufe dieses Jahres besser wird, möchte ich erreichen.

    (Quelle: www.sport.diplo.de)

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