Zum Inhalt springen

Politischer Schlagabtausch in Sachen Wettmonopol

Für eine Neuordnung des deutschen Sportwettenmarktes und eine kontrollierte Zulassung privater Anbieter hat sich die FDP-Bundestagsfraktion ausgesprochen.

DOSB Redaktion
DOSB Redaktion

07.07.2006

Detlef Parr, sportpolitischer Sprecher seiner Fraktion, erklärte im Deutschen Bundestag, das heutige staatliche Angebot von Oddset habe sich zu einem „Monopol ohne Flügel“ entwickelt, das nicht mehr konkurrenzfähig sei. „Es geht um Arbeitsplätze, aber nicht um die gut gepolsterten der zahlreichen Lotteriereferenten der Länder“, sagte der Abgeordnete. „Es sind Tausende von Arbeitsplätzen in Wettbüros, die voller Hoffnung auf eine geregelte Weiterentwicklung des Marktes eröffnet wurden.“

 

FDP-Antrag wird in Fachausschüssen beraten

Der FDP-Antrag „Recht der Sportwetten neu ordnen und Finanzierung des Sports sowie anderer Gemeinwohlbelange sichern“, der im Plenum in erster Lesung behandelt wurde, soll nun in den Fachausschüssen beraten werden; federführend ist der Sportausschuss. Darin heißt es: „Um einen Zustand der Rechtssicherheit herbeizuführen, spricht sich der Deutsche Bundestag gegen ein ausschließlich staatlich verantwortetes Wettangebot und für eine gesetzlich normierte und kontrollierte Zulassung privater Veranstalter aus. Die Aufrechterhaltung des staatlichen Sportwettenmonopols ist mit erheblichen verfassungsrechtlichen Unwägbarkeiten verbunden und nicht geeignet, Rechtssicherheit zu schaffen.“

 

Parr erklärte in der 30-minütigen Aussprache, um Rechtsklarheit zu erreichen, müsste auf allen Ebenen und mit allen Beteiligten „eine ehrliche und tabulose Diskussion über den richtigen und einen zukunftsfesten Weg“ geführt werden. Wenn man dem Gemeinwohl dienen wolle und die Sportförderung auf Dauer sichern wolle, müsste man jetzt ohne Vorurteile alle Lösungsmöglichkeiten prüfen: „Ganz im Sinne der Bundesländer Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein: Sie haben eine Protokollerklärung anlässlich der letzten Ministerpräsidentenkonferenz verfasst, dass sie es mittel- und langfristig für zielführender halten, anstelle eines kompromisslosen Festhaltens am Staatsmonopol für die Konferenz im Dezember eine begrenzte Konzessionierung im Sportwettenbereich vorzubereiten.“

 

CDU/CSU-Sportsprecher Riegert: Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz abwarten

Für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion erklärte ihr Sportsprecher Klaus Riegert, der FDP-Antrag sei unter der Rubrik Aktionismus einzuordnen. Eine Liberalisierung des Sportwettenmarktes, eine Verbesserung der Einnahmen bei gleichzeitiger Bekämpfung der Spielsucht sei nicht denkbar. Bevor die Bundespolitik endgültige Überlegungen anstelle, sollte die für Dezember angekündigte Beschlussfassung der Ministerpräsidentenkonferenz der Länder abgewartet werden, die für einen neuen Lotterie-Staatsvertrag plädierten. Riegert: „Deshalb werden wir uns die Zeit nehmen, die uns das Bundesverfassungsgericht vorgibt. Liberalisierung um jeden Preis, etwa nach dem Motto, was kümmert uns die Spielsucht, das ist mit uns nicht zu machen.“

 

SPD-Sportsprecherin Freitag: Prävention und Bekämpfung von Spielsucht oberstes Ziel

„Oberstes Ziel jedweder Regelung des Sportwettenmarktes muss die Prävention und die aktive Bekämpfung der Spielsucht sein“, erklärte Dagmar Freitag, sportpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion. „Alles zu seiner Zeit“, rief sie aus, denn die Diskussion auf Bundesebene komme zum falschen Zeitpunkt. Man sollte jetzt die Bundesländer bei ihrer Zielfindung unterstützen und auf Querschüsse aus Berlin verzichten. Freitag: „Sollte sich allerdings zukünftig Handlungsbedarf für die Bundespolitik ergeben, werden wir uns dieser Aufgabe annehmen.“ Allerdings könnte niemand jetzt schon garantieren, dass ein neuer Lotterie-Staatsvertrag tatsächlich ein Erfolgsmodell sein werde.

 

„Wir müssen die Spielsucht bekämpfen, aber auch dafür sorgen, dass die Abgaben von Oddset für die Sportförderung erhalten bleiben“, erklärte der Vorsitzende des Bundestags-Sportausschusses, Dr. Peter Danckert (SPD). Ganz am Ende eines langen Weges wäre eine Marktöffnung möglich, wenn die Bundesländer hierfür die Weichen stellten. Danckert warf der FDP vor, Cheflobbyist für ein großes privates Wettunternehmen zu sein. So sei der Anbieter betandwin in Österreich lizensiert; dieser versuche, den deutschen Markt zu bewerben. Danckert: „In § 284 Abs. 4 Strafgesetzbuch steht: Das Werben für ein nicht zugelassenes Glücksspiel ist strafbar. So locker, wie das im Moment läuft, ist das nicht zu handhaben.“

 

Bündnis 90/Die Grünen-Spotrsprecher Hermann: Geldwäsche und Schiebereien im Umfeld von Wettgeschäften

Winfried Hermann, Sportsprecher von Bündnis 90/Die Grünen, kritisierte, im Umfeld des wachsenden Wettgeschäfts machte man „auch viele dreckige Geschäfte“, „zum Beispiel Geldwäsche oder Schiebereien“. Liberalisierung, wie die FDP es wolle, und Spielsuchtbekämpfung sei der „organisierte Interessenskonflikt“ und könne nicht funktionieren: „Wenn ich es zulasse, dass private Anbieter Geschäfte machen und will, dass der Sport davon profitiert, dann ist es außerordentlich schwierig, dieses Geschäft zu begrenzen. Das passt nicht zusammen, das kann man nicht über den Markt organisieren.“ Hermann zeigte sich von der aktuellen Positionierung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) enttäuscht. Vor drei Jahren habe der DFB noch zum Kampf gegen private Geschäftemacher aufgerufen. „Jetzt sagt man: Öffnet endlich den Markt; wir wollen die Kohle. Das ist, wie ich finde, unmoralisch.“

 

Oberverwaltungsgericht  Münster bestätigt Schließung von privaten Wettbüros

Einen Tag vor der Parlamentsdebatte hatte das Oberverwaltungsgericht Münster entschieden, die von Städten und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen verfügte Schließung von privaten Wettbüros sei rechtens. Nach dem Beschluss des 4. Senats bleiben lediglich die Wetten des staatlichen Anbieters Oddset legal. Zuvor hatten mehrere Verwaltungsgerichte in NRW einander zum Teil widersprechende Entscheidungen gefällt. Die Richter in Münster entschieden: Ein freier Zugang zum Sportwettenmarkt für private Anbieter und Vermittler berge unter dem Gesichtspunkt der Spielsucht, des Verbraucherschutzes sowie der „typischen Begleit- und Folgekriminalität“ von Glücksspielen erhebliche Gefahren für wichtige Allgemeininteressen. Rechtens sei dieses Verbot auch unter europarechtlichen Konstellationen. Wie vom Bundesverfassungsgericht vorgegeben, müsse der Ländergesetzgeber bis Ende 2007 auch eine europarechtskonforme Regelung für Sportwetten schaffen.

 

DFB und DFL für begrenzte Konzessionierung

Der Deutsche Fußball-Bund und die Deutsche Fußball-Liga haben unterdessen in einer gemeinsamen Erklärung betont, sie hätten eine grundsätzlich andere Auffassung zur Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts als die (Mehrheit in der) Ministerpräsidentenkonferenz. Eine begrenzte Konzessionierung sei der bessere Weg, heißt es. Auf diese Weise sei die Eindämmung und Kanalisierung von Spielsucht ebenso wie die wirtschaftliche Unterstützung der Sportverbände gesichert. Der Fußball schaffe schließlich durch die Organisation des Spielbetriebs erst die Grundlage für den Wettbetrieb. „Die Werbung für Sportwetten auf allen Ebenen zu verbieten, zugleich aber Werbemöglichkeiten für andere Wettarten mit ungleich höherer Suchtgefahr, wie zum Beispiel Spielbanken und Lotto, zuzulassen, ist pure Heuchelei“, heißt es in der Erklärung. Verband und Liga wollen nunmehr eine gemeinsame Arbeitsgruppe einsetzen, „um den Fußball vor weiteren Schritten, die einer wirtschaftlichen Enteignung gleichkommen, zu bewahren. Dabei soll eine rechtliche Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Auswirkungen und Umsetzung des Länderbeschlusses und der Konformität mit dem europäischen Recht vorgenommen und die Gründung einer Gesellschaft zur Veranstaltung einer eigenen Wette vorangetrieben werden“.

 

Präsident der Ständigen Konferenz der LSB Wienholtz: "Der organisierte Sport muss mit einer Stimme sprechen"

Die Präsident der Ständigen Konferenz der Landessportbünde, Dr. Ekkehard Wienholtz, hat darauf hin in einem Schreiben an DOSB-Präsident Dr. Thomas Bach seine Besorgnis über die separaten Initiativen von DFB und DFL zum Ausdruck gebracht; sie gefährdeten die Grundlagenfinanzierung der Breitensports. „Der organisierte Sport muss gegenüber der Politik mit einer Stimme sprechen und einheitliche Auffassungen vertreten“, erklärte der LSV-Chef von Schleswig-Holstein. Erst Ende April hatte die Ständige Konferenz sich für den Beibehalt der Monopolstellung des Deutschen Lotto- und Totoblocks mit der einhergehenden Sportförderung von jährlich zuletzt insgesamt 530 Millionen Euro ausgesprochen.

 

******Lesen Sie auch: LSB Hessen: Lotterie-Staatsvertrag schnell verabschieden*****

 

Nach Ansicht des Landessportbundes Berlin kann die Aufrechterhaltung der bisherigen Förderung des Vereinssports nur bei entschlossener Verteidigung des staatlichen Wettmonopols gewährleistet werden. Die Profis setzten nun auf Auflösung des Monopols, um perspektivisch eigene Wetten veranstalten zu können, erklärte LSB-Präsident Peter Hanisch. Er weist darauf hin, die Beteiligung des LSB an den Erträgen aus der Deutschen Klassenlotterie Berlin, der Landesgesellschaft des Deutschen Lotto- und Totoblocks, gehe auf Abtretung einer verbandseigenen Sportwettenlizenz an das Land zurück. Als Bemessungsgröße für die Amateursportförderung sei seinerzeit ausdrücklich ein gemischter Prozentsatz aus Zahlenlotterien und Sportwetten vereinbart worden - „das sollte die Förderung des Sports unabhängig von Entwicklungen machen, auf die er selbst nun keinen Einfluss mehr hatte“. Das System habe sich bewährt. Peter Hanisch: „Jeder, der gegen das staatliche Wettmonopol oder die Einheit aus Sportwetten und Zahlenlotterien mit der Spitzhacke zu Felde zieht, macht sich den Amateursport zum Feind. Auch der Berufssport zehrt von einer gesunden Vereinslandschaft mit abgestuftem Leistungsvermögen in allen Altersklassen.“

Title

Title